Unter Eskimos und Walfischfängern

Unter Eskimos und Walfischfängern – Kurt Faber

Faber wanderte durch die Welt nicht eigentlich um des Wissens von der Welt willen, auch nicht um sie zu beschreiben. Er schaute um des Schauens, er lief um des Laufens, erlebte, um des Erlebens willen – er war ein richtiger deutscher Weltenwanderer.

Unter Eskimos und Walfischfängern

Unter Eskimos und Walfischfängern.

Format: eBook.

Unter Eskimos und Walfischfängern.

ISBN: 9783849653026

 

Auszug aus dem ersten Kapitel:

 

Wie ich unter die Walfischfänger geraten bin? Ganz einfach »auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege«.

»Greenhands gesucht für Walfischfänger.«

So stand – es war Frühjahr 1903 – in einer verborgenen Ecke der langen Anzeigenkolonne des »San Francisco Examiner« zu lesen. Ich überlegte. Greenhand? Das klang ja beinahe wie Grünhorn! Hier wurde also auf eine Persönlichkeit reflektiert, die durch keinerlei Vorkenntnisse auf dem Gebiete des Walfischfangs belastet war. Ja, wenn’s weiter nichts ist! Den Anforderungen könntest du schon entsprechen.

Nur einen Augenblick verweilte ich bei dem Gedanken, dann eilten die Augen geschäftig weiter über die Anzeigenreihen nach einer Stelle als farmhand, Obstpflücker, Holzfäller, Hausknecht – was tut so ein junger Taugenichts nicht alles in Amerika!

So also sah er aus, der vielgerühmte, goldene Westen! Ach, was hatte ich mir von dem Lande versprochen, als ich vor kaum vierzehn Tagen durch die Wüsten von Arizona und Neu-Mexiko nach Westen »machte«! Bei jedem Tramp, der entlang des Schienenstrangs von dorther kam, hatte ich Erkundigungen eingezogen. Und wie hatten sie mir es geschildert mit der ganzen Farbenfreudigkeit einer glühenden Vagabundenphantasie als ein Land, in dem die Sonne niemals müde wird und die Dollars kein Ende nehmen! Und dann erst »Frisko«! Für zehn Cents könnte man dort in den japanischen Speisehäusern eine Mahlzeit bekommen, und zwar keine von den Wassersuppen wie in den Logierhäusern von Chikago oder St. Louis, sondern ein richtiges »square meal«, auf das die Yankees schwören. Dabei würde auch der geringste Arbeiter niemals für weniger als drei Dollars pro Tag arbeiten. Doch Arbeit – wer mühte sich darum in einem Lande, wo die Feigen und Orangen wachsen und wo der Sommer jahrausjahrein regiert.

So hatte man es mir ausgemalt, das sonnige Kalifornien. Und nun lief ich schon tagelang auf dem holperigen Pflaster San Franziskos umher, ohne etwas anderes zu sehen als die düsteren Wolken und die dicken Regentropfen, die der Märzwind durch die Gassen fegte. Das schlimmste aber war, daß es mit den Dollars auf die Neige ging. Ich hatte deren gerade noch zwei, und wo ich mir etwas dazuverdienen konnte, das war mir vorderhand noch ein Rätsel; denn es geht mit der Arbeit wie mit so vielen anderen Dingen – man findet sie überall, aber gerade dann, wenn man sie am nötigsten braucht, ist sie nirgends zu finden.

Hungrig und mißmutig ging ich von einer Arbeitsstelle zur andern, aber immer mit dem gleichen negativen Erfolg – überall war man besetzt. In der Kearney-Street, damals – vor dem Erdbeben – die Hauptgeschäftsstraße der Stadt, kam ich mir ganz erbärmlich vor zwischen all den wohlgenährten und gutgekleideten Menschen, die alle so geschäftig umhereilten, während ich so sehr viel überflüssige Zeit hatte. Durch die großen Schaufenster der »lunch rooms« und »grill rooms« (Speisewirtschaften), in denen sich die Leute drängten, konnte ich die sauberen, weißgekleideten Köche sehen, wie sie mit der eleganten Handbewegung des Fachmannes die kleinen, appetitlich aussehenden Pfannkuchen aus der Bratpfanne aufhüpfen und auf die Sommerseite wieder zurückfallen ließen. Und als gar durch die offene Tür ein würziger Bratengeruch drang, da mußte ich die Dollars in der Tasche doppelt festhalten, damit die Braten und die Pfannkuchen mich nicht um mein Unterkommen für die kommende Nacht bringen möchten.

Wer schon in ähnlicher Lage gewesen ist, dem brauche ich das alles nicht erst auszumalen, und derjenige, an dem dieser Kelch zeitlebens vorübergegangen ist, der kann sich ja doch nicht vorstellen, wie verzweifelt man darüber werden kann. – Gegen Abend kam ich auf meiner Arbeitssuche nach dem Hafen hinunter. Dort wehte eine laue, salzige Brise, und die Luft war erfüllt von starkem Teergeruch, der von großen Reisen und von fernen Ländern zu erzählen schien. Von Zeit zu Zeit ertönte das laute Heulen der Sirene eines Dampfers, dessen gewaltige massige Gestalt langsam stromabwärts dem »Goldenen Tor« entgegenglitt. Ach, wer da nur gleich mitfahren könnte!

Plötzlich kam mir wieder der Gedanke an die Anzeige und ich holte mechanisch noch einmal die Zeitung hervor. »Wer weiß? Vielleicht wäre es gar nicht übel!« – »Ach was! Verrückte Idee!« ließ sich warnend eine innere Stimme vernehmen.

Und die Erkundigungen, die ich über die Sache einzog, klangen auch nicht sonderlich ermutigend. »Mensch«, brüllte der dicke Wirt, als ich abends todmüde im Gasthaus »Zur Stadt Lübeck« ankam, »bist du denn übergeschnappt? Walfischfangen! Das kommt ja gleich hinter der Fremdenlegion!« Und der Dicke wußte, was es mit der Fremdenlegion auf sich hatte, denn er selbst war dort gewesen, nachdem er »aus Gesundheitsrücksichten« das juristische Studium an den Nagel gehängt hatte……

 

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