Der Hebräerbrief

Der Hebräerbrief – Ludwig Harms

Georg Ludwig Detlef Theodor Harms (1808-1865) war ein deutscher lutherischer Pastor, der den Spitznamen “Erwecker der Heide” trug. Er gehörte zu den bedeutendsten christlichen Predigern des 19. Jahrhunderts und machte das kleine Dorf Hermannsburg in der Lüneburger Heide zum wichtigsten Zentrum der Erweckungsbewegung in Niedersachsen. In diesem Werk betrachtet Harms den Hebräerbrief und dessen Bedeutung.

Der Hebräerbrief

Der Hebräerbrief.

Format: Paperback, eBook

Der Hebräerbrief.

ISBN: 9783849665135 (Paperback)
ISBN: 9783849663438  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

Das 1. Capitel.

Vers 1-6.

 

Nachdem vor Zeiten Gott manchmal und mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat Er am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, welchen Er gesetzet hat zum Erben über Alles, durch welchen Er auch die Welt gemacht hat. Welcher, sintemal Er ist der Glanz Seiner Herrlichkeit, und das Ebenbild Seines Wesens, und trägt alle Dinge mit Seinem kräftigen Wort, und hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst, hat Er sich gesetzt zu der Rechten der Majestät in der Höhe; so viel besser geworden, denn die Engel, so gar viel einen höhern Namen Er vor ihnen ererbet hat. Denn zu welchem Engel hat Er jemals gesagt: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeuget? Und abermal: Ich werde Sein Vater sein, und Er wird Mein Sohn sein? Und abermal, da Er einführet den Erstgebornen in die Welt, spricht Er: Und es sollen Ihn alle Engel Gottes anbeten.

Wir kommen nun heute mit Gottes Hülfe zu dem Brief an die Hebräer. Bei der Frage, wer diesen Brief geschrieben habe? sind nicht bloß die Gläubigen und die Ungläubigen verschiedener Meinung, sondern auch die Gläubigen unter einander. Wir wollen bei der Ansicht der alten Kirche bleiben, daß der Apostel Paulus der Verfasser des Hebräerbriefes sei. – Manchmal und auf mancherlei Weise, so beginnt der heilige Apostel, hat Gott vor Zeiten geredet zu den Vätern durch die Propheten. Welch eine Reihe von Propheten führt uns das Wort Gottes im Alten Testamente vor die Seele, von Henoch an, welchen Gott hinweg nahm, weil er ein göttliches Leben führte, bis auf Johannes den Täufer, welcher dem Herrn den Weg bereitete durch die Predigt der Buße. Fürwahr, manchmal und auf mancherlei Weise hat Gott durch sie geredet, und jede Sendung eines Propheten ist ein Beweis der Gnade des treuen Gottes, der mit hundert, ja mit tausend Stimmen uns sündige Menschen hinwegrufen und hinwegführen will von den Pfaden des Verderbens, von dem breiten Sündenwege, der zur Hölle führt. Auf wie mancherlei Weise sie auch von Gott ausgerüstet waren, wie mancherlei auch die Art ihrer Predigt war, durch sie Alle redete der heilige Geist, sie Alle offenbaren uns die Herrlichkeit Gottes, Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit wie ein verzehrendes Feuer, Seine Gnade und Barmherzigkeit wie ein sanftes Säuseln, die Wunder Seiner Werke, die Weisheit Seiner Wege, Seinen Zorn gegen die Gottlosen, Seine Liebe und Freundlichkeit für die Frommen; sie Alle verkündigen Seinen heiligen Willen, Sein heiliges Gesetz als einen Spiegel, in den wir hineinschauen sollen. Sie schildern uns, wie Gott Sein auserwähltes Volk schützt, wie Er es führt wie auf Adlersflügeln durch die Wüste, wie Er es erlöset durch Seine wunderbare Macht aus tausend Feindeshänden und es hineinführt in das gelobte Land. Sie zeigen uns aber auch, wie eine ganze Welt untergeht durch die Wasser der Sündfluth, darum daß sie den Herrn verachteten, sich verstockten in ihrer Bosheit und nicht hören wollten auf die Stimme Gottes, der sie zur Buße rief; wie ein andermal fünf Städte voll gottloser Menschen durch die Flammen vom Himmel getroffen untergingen, als das Maaß ihrer Bosheit voll war und keinen Raum mehr fanden zur Buße; und verkündigten vorher die schweren, furchtbaren Gerichte über das Volk Gottes, als dieses den Herrn seinen Gott verließ, und darum verstoßen wurde unter die Heiden und zerschlagen wie ein Scherben um seiner Gottlosigkeit willen. Und sehet weiter, welche Werke Gott durch sie ausgerichtet hat. Da steht Moses unerschüttert wie ein Fels vor dem Trotze Pharaos und vor seinem Dräuen. Durch seine Hand thut Gott Wunder, das Wasser wird zu Blut, auf sein Wort sendet Gott Seine Blitze, Regen und Hagel vom Himmel, der Tag wird zur Nacht, er streckt seine Hand aus über das rothe Meer und die Wasserwogen theilen sich, stehen wie Mauern zur Rechten und zur Linken, bis daß Israel hindurchziehe mit trockenem Fuße, und fallen dann zusammen über die Egypter, die Verächter Gottes, daß sie alle mit Rossen und Wagen im Meere begraben wurden. Denket daran, wie durch ihn das Gesetz gegeben wurde auf Sinai, wie er hinaufstieg zu Gott, von Ihm empfing die zehn Gebote und wie von da an sein Angesicht leuchtete, daß die Kinder Israel es fortan nicht mehr anschauen konnten um des Glanzes willen vom Herrn. Oder wie Elias den Himmel verschloß durch sein Gebet, daß es nicht regnete drei Jahre und sechs Monate, und dann wiederum durch sein Gebet den Himmel aufschloß, daß die Erde wieder fruchtbar wurde; wir er und Elisa durch die Macht ihres Gebets einen Todten erweckten und Wunder thaten, die Gott der Herr durch sie verrichtete. Fürwahr, meine Lieben, sie haben durch den Glauben Gerechtigkeit gewirkt, die Verheißung erlangt, haben als gute Streiter Gottes einen guten Kampf gekämpft und die Welt ist ihrer nicht Werth gewesen. Sie sind ein Haufe von Zeugen, der uns ermahnt: Laßt uns ablegen die Sünde, die uns noch immerdar anklebt und uns träge macht. Aber bei Allem dem waren sie Menschen, und schwache sündige Menschen, wiewohl Gott sie stark machte durch Seine Kraft; von Gott hatten sie Alles, was sie hatten, durch Gott thaten sie Alles, was sie thaten, von Gott empfingen sie die Worte der Lehre und der Ermahnung, der Verheißung und der Drohung, sie konnten aus sich selber nichts hervorbringen, was da Gott Wohlgefallen hätte, Er wirkte in ihnen alles Wohlgefallen Seines Willens und nur im Aufschauen auf Ihn, nur im Vertrauen auf Ihn, im Gebet zu Ihm waren sie stark, nur dadurch heißen sie Männer nach dem Herzen Gottes, denn darin besteht bei allen Menschen die wahre Frömmigkeit. Bei dem Allem konnten sie weder sich noch Andere von der Sünde und vom Tode erlösen, konnten Niemanden die Sünde vergeben, Niemanden die Seligkeit weder erwerben noch schenken; sie konnten nur hinweisen auf den, der da kommen sollte als ein Helfer, Heiland und Erlöser, auf den, welchen sie nannten den Sohn Gottes, Held, Rath, Kraft, Friedefürst, der als ein Sohn der Jungfrau wandeln würde auf Erden und den Satan unter Seine Füße treten, der um unserer Sünde willen würde zerschlagen, um unserer Missethat willen würde verwundet werden, um Heil und Friede wieder zu bringen über das sündige Menschengeschlecht. Im gläubigen Hinblick auf Ihn trösteten sie sich und ihr Volk, auf Ihn wiesen sie alle Frommen, die der Erlösung harrten, hin, Ihn sehnten sie sich zu sehen, Israels Trost und aller Welt Segen; aber sie sahen Ihn nicht, denn die Zeit war noch nicht erfüllet. Richtet nun mit mir, meine Lieben, eure Augen auf den, der gekommen ist, die Sünder selig zu machen. Ist Er auch ein Prophet wie Moses, oder Elias oder der andern Propheten einer? Nein, so weit der Himmel höher ist als die Erde, so hoch Gott erhaben ist über Menschen, so hoch ist Er erhaben über alle Kreatur. Er ist der Herr unser Gott, der ewige Sohn des ewigen Vaters, von gleicher Macht und Herrlichkeit, eins mit Ihm und dem heiligen Geist, von gleichem göttlichem Wesen, darum heißt Er auch der Sohn Gottes. Denn wie der Sohn gleiches Wesen mit dem Vater hat, wie der Sohn eines Menschen auch ein Mensch ist, so heißt und ist Er Gottes ewiger, eingeborner Sohn, weil Er gleiches göttliches Wesen mit Seinem himmlischen Vater hat; darum nennt Ihn auch der Apostel den Erben über Alles, was im Himmel und auf Erden ist. Er besitzt, Er regiert Alles mit dem Vater, Er ist der Herr, die ganze Welt ist sein Eigenthum, die Propheten waren Seine Knechte, von Ihm gesandt, durch Ihn regiert und erleuchtet. Weil Er Gott ist, so ist Er der Glanz der Herrlichkeit des Vaters und das Ebenbild Seines Wesens. In Ihm spiegelt sich die ganze Majestät, die ganze Herrlichkeit des Vaters. Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße, Licht ist das Kleid, das Er anhat, Gerechtigkeit der Gurt Seiner Nieren, Allmacht ist der Hauch Seines Mundes und Allwissenheit der Strahl Seines Auges. Darum redet von Ihm die Schrift, von dem Sohne: Gott, Dein Stuhl während von Ewigkeit zu Ewigkeit, das Scepter Deines Reiches ist ein richtiges Scepter, So ist Er von Ewigkeit bei dem Vater gewesen in der Seligkeit des Himmels, denn im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Und wie Sein Wesen, so sind Seine Werke. Wer schafft mit dem Worte Seines Mundes die Welten, Himmel und Erde und Alles, was darinnen ist, wer thut es, wer kann es thun, als Gott? Wessen Wort trägt alle Dinge, hält Sonne, Mond und Sterne in Seiner Hand? Wer schafft Sommer und Winter, Hitze und Kälte, wer giebt Regen und fruchtbare Zeiten? Wer thut es, wer kann es anders als Gott, als allein Gott der Herr? Und siehe, von Ihm heißt es, von dem Sohne: Durch Ihn ist die Welt gemacht, durch Ihn ist Alles geschaffen, was gemacht ist, und Er trägt alle Dinge mit Seinem kräftigen Wort. Aber das größte Seiner Werke zeigt uns der Apostel an mit den Worten: Er hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst. Wie hat Er das angefangen? Höret, ihr Himmel und Erde, nimm es zu Ohren: Gott ist ein Mensch geworden, Weihnachten haben wir Seine Geburt in Bethlehem gefeiert. Als Mensch konnte Er für uns leiden und sterben, als Mensch hat Er für uns gelitten, ist Er für uns gestorben, nachdem Er dreiunddreißig Jahre auf dieser armen Erde Segen und Wohlthaten verbreitet hatte. Da hing Er am verfluchten Holze des Kreuzes und brach aus in die Worte: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen! da neigte Er Sein Haupt und verschied. So hat Er unsere Sünde getragen, so hat Er unsere Schuld bezahlt, so ist Er unsern Tod gestorben, und durch das Alles hat Er gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst. Ein Wunder ist die Schöpfung, ein Wunder ist die Erhaltung der Welt, aber ein viel größeres Wunder ist das Werk der Erlösung; denn bei der Schöpfung und Erhaltung kostete es Ihn nur ein Wort, aber bei der Erlösung mußte Er für uns Seine ganze Herrlichkeit, Sein Blut und Sein Leben daran geben. Wer hätte uns auch anders erlösen können als Er? Menschen können uns nicht retten; denn kann auch ein Bruder den andern erlösen? Es ist zu theuer eines Menschen Seele zu erlösen, Menschen müssen es anstehen lassen ewiglich, weil sie alle selbst Sünder sind. Kein Engel konnte uns erlösen, sie sind ja selbst Geschöpfe, ihre Gerechtigkeit, ihre Reinigkeit sind sie ihrem Schöpfer schuldig, die können sie nicht an Andere geben. Nur Gott allein kann uns erlösen und Er hat es gethan durch Seine Menschwerdung, Leiden, Sterben und Auferstehen. Und was hat Ihn zu dem Allen getrieben? Seine brünstige, innige Liebe zu uns armen Sündern, Er sah uns in unserm Elend liegen und sprach zu uns: Du sollst leben und nicht sterben. Wir haben Ihm nichts zuvor gegeben, das Er uns hätte vergelten müssen, wir waren nicht Seine Freunde, an uns war nichts liebenswürdiges; aber eben aus lauter Gnade und Erbarmen liebte Er uns, die wir Seine Feinde waren, die wir ohne Ihn hätten in die ewige Verdammniß fahren müssen und machte die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst. O meine Lieben, betet an mit dem klaren Glauben das erstaunliche Geheimniß der Liebe Gottes, eures Heilandes, der also euch geliebet, mit solcher Liebe um eure Seelen geworben hat; wahrlich, wenn solche Liebe nicht eure Herzen ergreift, überwältigt und überwindet, so habt ihr nicht ein fleischernes Herz in eurer Brust, sondern ein steinernes Herz, wenn solche unendliche erbarmende Liebe bis zum Tode euch nicht bewegt, euch solchem Heilande ganz und gar zum Eigenthum zu geben, Ihm zu leben, Ihm zu sterben, Ihm treu zu sein in Zeit und Ewigkeit, um Seinetwillen alle Sünden zu hassen und zu lassen, um Seinetwillen alles Wohlgefallen Seines Willens zu erfüllen in dankbarem Gehorsam und dem ewigen Erbe im Himmel nachzujagen in der Heiligung, so sind eure Herzen härter wie die Steine und Gott müßte sich aus den Steinen Kinder erwecken, wenn eure Seelen ungerührt blieben und euer Mund stumm. So läßt uns unser Text hineinschauen in Christi göttliches Wesen und Werk; nun vergleicht Ihn mit den Propheten, die Menschen sind und Seine Kreaturen; nun vergleicht Ihn mit den Engeln, die um Seinen Thron stehen, Ihm dienen und Seine Befehle ausrichten. Er ist der Herr, sie sind Seine Knechte, Er ist Gott, sie sind Kreaturen, Er ist Schöpfer, sie sind Geschöpfe. Darum hat Er auch einen viel höhern Namen ererbt vor ihnen; denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeugt? und abermal: Ich werde Sein Vater sein, und Er wird Mein Sohn sein? und abermal: Es sollen Ihn alle Engel Gottes anbeten? Einen solchen Heiland haben wir, meine Lieben, und es ist wahr, was der Apostel Petrus von Ihm sagt: Es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein anderer Name, darin wir können selig werden, als der Name unsers Herrn Jesu Christi. An Ihm haben wir die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Er hat uns zu Seinen Kindern gemacht, leitet und führt uns an Seiner treuen Hand, hilft uns im Kampf gegen Satan, Welt und Fleisch, errettet uns aus aller Angst, Noth und Gefahr, sendet uns Seine heiligen Engel, daß sie uns behüten auf unsern Wegen und führt uns endlich aus diesem Jammerthal in Seinen ewigen Freudensaal. Und unter welcher Bedingung sollen wir Sein Heil haben? Er fordert nichts als wahre Buße und rechten Glauben, die Er selber in uns wirken will und daß wir Ihn lieb haben möchten mehr als Alles in der Welt. Ja wahrlich der Apostel Paulus hat Recht, wenn er sagt: Christus steht höher als alle Propheten und Engel, denn Er ist unser Heiland, Erlöser und Seligmacher. Amen.

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