Die Geschichte des Eisens, Band 2: Das Mittelalter

Die Geschichte des Eisens, Band 2: Das Mittelalter – Ludwig Beck

Während nur zu viele Bücher erscheinen, die das nicht wirklich bieten, was der Titel erwarten lässt, haben wir es hier mit einem Werke zu tun, welches unendlich viel mehr gibt, als sein Name verspricht. Wird auch aus der “Geschichte des Eisens ” keine allgemeine Kulturgeschichte, so veranlasst doch die Bedeutung und vielseitige Verwendung dieses Metalls den Verfasser zu einer Darstellung, die alle Teile der materiellen Kultur umfasst oder wenigstens berührt. Der allgemeine Wert des Gesamtwerkes ist vielleicht noch viel mehr ein historischer als ein technischer. Der Verfasser ist zwar von Hause aus Techniker und weist in seiner Einleitung mit Bescheidenheit darauf hin, dass man von ihm nicht das erwarten dürfe, was der Geschichtsforscher leiste, er zeigt aber bald darauf durch eine treffliche Bemerkung, dass ihm zum Historiker nichts fehlt, als vielleicht die akademische Qualifikation, und dass viele Männer vom Fach von ihm noch lernen können. Einen bedeutungsvollen Satz, den Beck durch das ganze Werk hindurch mit seltener Belesenheit, großem Fleiß und geschickter Kombinationsgabe befolgt und durchführt, kann man hier wörtlich anführen: “Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Geschichtsschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu große Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Bedingungen der menschlichen Entwicklung, unter denen die Fortschritte der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle einnehmen, zu wenig Berücksichtigung fänden. ” Dieser Gedanke wird sich ja wohl bei der wachsenden kulturgeschichtlichen Forschung immer mehr Bahnbrechen, und Beck hat jedenfalls das Verdienst, in seiner Geschichte des Eisens gezeigt zu haben, wie dankbar und erfolgreich das Betreten dieses Weges ist, wenn sich mit sachlicher, hier technischer, Kenntnis historischer Sinn und fleißiges Quellenstudium vereinigen. Die Schwierigkeiten, die sich einer solchen ersten Arbeit, denn eine Geschichte des Eisens hat es bis
jetzt nicht gegeben, entgegenstellen, hat Beck in überraschender Weise überwunden. Die zerstreuten Quellen historischen, philologischen, archäologischen, auch poetischen Charakters, sind mit staunenswertem Fleiß gesammelt und gut verwertet. Dies ist Band zwei von zehn und behandelt die Zeit des Mittelalters. Der Band ist durchgängig illustriert und wurde so überarbeitet, dass die wichtigsten Begriffe und Wörter der heutigen Rechtschreibung entsprechen.

Die Geschichte des Eisens, Band 2: Das Mittelalter

Die Geschichte des Eisens, Band 2: Das Mittelalter.

Format: Paperback, eBook

Die Geschichte des Eisens, Band 2: Das Mittelalter.

ISBN: 9783849666262 (Paperback)
ISBN: 9783849661830  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Wie mit der Gewalt der entfesselten Elemente brach im 4. Jahrhundert die feindliche Völkerflut von Osten her in das römische Reich ein und zertrümmerte den kunstvoll gegründeten, in den vorhergegangenen Jahrhunderten so mühevoll aufrecht erhaltenen, stolzen Bau des römischen Weltreiches. Wie ein Chaos fluteten die Völker durcheinander. Den Anstoß hatte das asiatische Volk der Hunnen, ein mongolisch-tatarisches Mischvolk, durch seinen Übergang über die Wolga im Jahre 374 n. Chr. gegeben, doch im Vordertreffen des blutigen Völkerkampfes standen überall germanische Stämme, zum Teil vorgeschoben durch den Stoß von Osten her, meist aber aus eigener Kampfbegier über die bis zum Hochmut selbstbewussten Römer, die den Reichtum und das Mark aller Länder der bekannten Welt zusammengeschleppt hatten, hereinbrechend.

Welcher Reichtum, welche Schätze, welche Kunstwerke gingen damals zu Grunde unter den erbarmungslosen Schwertern der ungebildeten, auf ihre Einfachheit stolzen Barbaren. Aber nicht nur Kunstwerke wurden vernichtet, auch die Sitze alter Industrien wurden zerstört, Erzeugungsstätten herrlicher Arbeiten wurden ausgetilgt. In Kunst und Gesittung trat ein Rückschlag für Jahrhunderte ein. Auch die Eisenindustrie hatte unter dieser furchtbaren Umwälzung zu leiden. Vieles Bestehende verschwand, die kaiserlichen Fabriken wurden zertrümmert, nur langsam entstanden weit bescheidenere Anlagen auf den alten Trümmern. Aber das Eisen war unentbehrlich für den Männermord. Gerade in der bluttriefenden Zeit, die man mit dem harmlosen Namen der Völkerwanderung bezeichnet, bewährte es seine Überlegenheit gegenüber allen anderen Metallen. Die goldschimmernden Renommierschwerter der vornehmen Römer wurden zur Lächerlichkeit gegenüber dem Stahlschwert und der eisernen Streitaxt der Germanen, dem Skramasax und der Franziska. So hat denn auch die Eisenindustrie im großen und ganzen durch die Völkerwanderung doch bei weitem weniger gelitten als alle anderen Metallindustrien, ja sie hat den Sieg davon getragen. Namentlich blieben die eigentlichen Erzeugungsplätze „im einsamen Waldhal“ meist unberührt von dem Kriegsgetümmel und es verdoppelte sich daselbst infolge des größeren Bedarfs die Tätigkeit. In den Gewinnungsmethoden, in dem technischen Verfahren, trat zunächst keine Änderung ein und wir könnten in unserer Darstellung der Entwickelung der Eisenindustrie ohne weiteres, an die römische Zeit anknüpfend, fortfahren, wenn wir durch diese für Europa grundlegende, bestimmende, formgebende Umwälzung der Völkerwanderung nicht veranlasst würden, auch auf die Vorgeschichte der europäischen Völkerfamilien, die von da ab bestimmend für die Geschichte des Erdteils und danach auch für die Geschichte der ganzen Erde wurde, an welche sich auch die ganze weitere Fortbildung der Eisenindustrie knüpft, einen Blick zu werfen.

Direkte Überlieferungen haben uns diese alten Bewohner Europas nicht hinterlassen. Sie verstanden noch nicht die Kunst der Schrift und waren in ihrer Bildung nicht bis zur Aufzeichnung ihrer Erlebnisse vorgeschritten. Was wir über sie wissen, müssen wir kombinieren aus den spärlichen Überlieferungen der Schriftsteller des klassischen Altertums und aus archäologischen Funden. So tritt für diese sogenannte „prähistorische Zeit“ die Archäologie in den Vordergrund, die bekanntlich noch eine sehr junge Wissenschaft ist. Sie führt uns in ein nebelhaftes Land, wo feste Anhaltspunkte fehlen, wo infolgedessen der Phantasie, der Hypothese Tür und Tor geöffnet sind. Da wir auf praktischem Boden stehen und Tatsachen suchen, wollen wir auf diesem Gebiete nicht allzu weit vordringen.

Dass es eine Zeit gegeben hat, wo die Menschen den Gebrauch der Metalle noch nicht kannten, sondern sich zu ihren Waffen und Werkzeugen der von der Natur direkt gebotenen Hilfsmittel, der Steine, des Holzes, der Knochen bedienen mussten, ist a priori klar und konnte nur von verschrobenen Theologen, welche daraus, dass Adam nach der Vertreibung aus dem Paradies den Acker graben musste, schlossen, dass Gott ihm einen eisernen Spaten gegeben haben müsse, Adam also schon das Eisen benutzt habe, verkannt werden. Diese Tatsache, der Nachweis einer metalllosen Zeit, der Periode, welche man die „Steinzeit“ nennt, ist durch die Archäologie genügend festgestellt. Ebenso erwiesen ist es aber, dass dieses Steinzeitalter nicht an einen bestimmten Zeitabschnitt gebunden ist, dass diese Kindheit der Völker bei verschiedenen Stämmen in ganz verschiedenen Zeiten ihren Abschluss fand. Denn während bei den Ägyptern und den Kulturvölkern Westasiens der Gebrauch der Metalle, die Anwendung von Steinwerkzeugen schon Jahrtausende v. Chr. verdrängte, so erhielt sich die Steinperiode im Norden von Europa in einzelnen Gegenden bis zum Jahre 1000 unserer Zeitrechnung und bei den Völkern der Südsee finden wir diesen Zustand, wenn auch rasch im Verschwinden begriffen, noch heutzutage. Für uns hat es keine Bedeutung, dass man die Steinperiode, die unzweifelhaft einen viel größeren Zeitraum umfasste, als seit der Entdeckung der Nutzmetalle verstrichen ist, einteilt in tertiäre und quarternäre, oder in die Zeit des Mastodons, des Rentiers u. s. w., oder in die Zeit gespaltener oder geglätteter Steinwerkzeuge. Weit wichtiger ist es für uns, dass das Steinzeitalter im Süden von Europa früher geendet hat, als im Norden. Nach der beliebten Theorie soll auf das Steinzeitalter das Bronzezeitalter gefolgt sein. Wir haben schon in der Einleitung die theoretischen Gründe über die Unhaltbarkeit, ja Unmöglichkeit einer solchen Annahme aufgeführt. Wir haben in dem Verlauf unserer vorausgegangenen Erörterungen überall den Nachweis liefern können, dass sie für die älteren Kulturvölker, für die Ägypter, Assyrer, Perser, Inder, Chinesen, Israeliten, Westasiaten, Griechen auch aller tatsächlichen Begründung entbehrt. Wir haben auch schon darauf hingewiesen, dass eine so paradoxe Theorie nur durch eine ganz einseitige Beobachtung archäologischer Funde ohne Berücksichtigung der metallurgischen Wissenschaft entstehen konnte. Auf der anderen Seite muss eingeräumt werden, dass für Europa, oder wenigstens für einen Teil von Europa, die Priorität der Bronzezeit vielleicht eine gewisse Berechtigung hat, insofern es möglich ist, dass einzelnen Völkern, welche diese Gegenden bewohnten, als sie noch im Steinzeitalter lebten, die Bronze als erstes Metall durch den Handel zugeführt wurde. Wie und woher dies geschah, geschehen konnte und geschehen musste, ist durch die früher aufgeführten Tatsachen genugsam erläutert. Wir würden kein Wort über diesen Gegenstand weiter zu verlieren haben, wenn nicht diese Anschauung von einer Schule von Gelehrten auf das heftigste bekämpft würde. Früher waren es hauptsächlich französische Gelehrte, welche eine originelle, keltische Bronzeindustrie, die älter sei als der südöstliche Einfluss auf die Bewohner Europas, lehrten. Von dieser Seite ist, nachdem durch zahlreiche Funde und kritische Untersuchungen ein reicheres Material zur Beurteilung geboten worden, der Kampf eingestellt, oder wenigstens ein Waffenstillstand geschlossen worden. umso lebhafter wurde dieser Streit von den „nordischen Gelehrten“, das heißt von den skandinavischen Archäologen aufgenommen und haben diese durch ihre große Rührigkeit einen nicht unbeträchtlichen Anhang auch in Deutschland sich erworben. Allerdings geben die Verhältnisse Skandinaviens für die Verteidiger des Bronzezeitalters in Europa die beste Grundlage. Die nordischen Gelehrten gingen aber weiter und behaupteten außer der Priorität der Bronze auch, dass die Metallindustrie des Nordens sich selbständig entwickelt habe, indem die Gegenstände, die man im Norden fände und zwar gerade die hervorragendsten Sachen auch im Norden gefertigt seien. Ja, die Heißsporne dieser Richtung gingen sogar so weit zu behaupten, dass die Bronze überhaupt eine Erfindung der Nordeuropäer gewesen und von diesen erst nach Südeuropa und Asien gebracht worden sei.

Zur Klarstellung unseres Standpunktes müssen wir auf den Gegenstand näher eingehen.

Wir wenden uns zunächst gegen die letzterwähnte, weitestgehende Ansicht, weil sie gerade vom chemisch-metallurgischen Standpunkte vorgetragen und verteidigt worden ist. Herr Dr. Wibel behauptet und will beweisen, „dass die Kultur der Bronzezeit eine durchaus einheimische ist, ihrem ersten Ursprunge nach auf Großbritannien zurückführt“. Er behauptet, dass man in Britannien die Bronze erfunden und zuerst dargestellt hat und zwar durch direktes Ausschmelzen eines Gemisches von Kupfer und Zinnerzen, dass man in Britannien auch die ersten Waffen aus Bronze gegossen habe und dass die Bronze und die Bronzegeräte von England aus verbreitet worden seien.

„Unbekümmert um diese lokalen Wandlungen ursprünglicher Geschlechter ging die Ausdehnung der Bronzekultur allmählich weiter und weiter. In Frankreich war das Vordringen nicht schwer, bis endlich das Meer einerseits und der Pyrenäenzug anderseits eine Schranke zogen; in der Schweiz eröffnete das Rhonetal die Straße nach dem Süden an das Meer, der Ticino zu den großen Seeen Italiens; und zu dem Lande führten die Stromgebiete der Elbe, Oder, Weichsel und Donau. Immer begleitet von den auf den Norden zurückweisenden Stoffen (Zinnerz und Bernstein) und auf dem Wege mündlicher Belehrung über die Darstellung und Verarbeitung der Bronze unterrichtet, mussten die südwärts wandernden Völker, sei es, dass sie zu einem Stamme, sei es, dass sie zu verschiedenen gehörten, mehr und mehr eine künstlerisch fortgeschrittene und selbständige Haltung gewinnen. Wenn auch der Norden, mit welchem sie ja in lebhaftem Handelsverkehre blieben, ebenfalls nicht stille stand, so mussten doch mit der Zeit, beeinflusst durch die Berührung mit neuen Völkerschaften und durch die natürlichen Ortsverhältnisse, divergierende Geschmacksrichtungen in den Artefakten hervortreten.

So hat sich die Bronzekultur von ihrer natürlichen Quelle, Britannien, über ganz Europa bis an die Nordküste Spaniens, an die Nordufer des Mittelländischen Meeres und bis in die apenninische Halbinsel, Italien, ausgebreitet. Die Beweise hierfür geben die Funde, die man an allen diesen Stätten gemacht und deren Ähnlichkeit mit den nordischen so großes Erstaunen und so mannigfaltig abweichende Deutung erfahren hat. Besonders betone ich die in neuester Zeit enthüllten Pfahlbauten Oberitaliens mit ihrem ergiebigen Inhalt, deren nördlicher Ursprung ebenso wahrscheinlich ist, als es zweifelhaft bleibt, ob wir sie den Etruskern zuschreiben dürfen. Ihr durchaus vorgeschichtlicher Charakter lässt jeden Versuch einer Namengebung als erfolglos bezeichnen.“

Herr Dr. Wibel stellt also die bekannte Tatsache direkt auf den Kopf und macht das barbarische Britannien zum Ausgangspunkt der Weltkultur. Es genügt wohl, hiergegen anzuführen, dass Cäsar in seiner Schilderung von Britannien ausdrücklich erwähnt, dass das Kupfer zu seiner Zeit von auswärts eingeführt wurde. Eine bereits zu Cäsars Zeit seit Jahrhunderten verschwundene und untergegangene höhere Kultur anzunehmen ist allzu gewagt, umso mehr, da auch die archäologischen Funde nicht den geringsten Anhalt für eine solche Annahme bieten. Die chemischen und metallurgischen Gründe, welche aber Herr Wibel für seine Behauptung anführt, sind gänzlich unhaltbar. Er behauptet, dass seine Urbriten Bronze erhalten hätten durch. direktes Einschmelzen von zinnhaltigen Kupfererzen. In Cornwall kommen allerdings Zinnerze und Kupfererze in demselben Gebiete in unmittelbarer Nachbarschaft vor, selten auf denselben Gängen oder Lagerstätten. Niemals hat man aber in diesen Gegenden weder heutzutage noch in historischen Zeiten Bronze auf diese Art durch direktes Ausschmelzen eines Gemenges beider Erze dargestellt oder darzustellen vermocht. Wäre dies so leicht möglich, so wäre nicht einzusehen, warum man diese bequeme Methode der Bronzebereitung nicht beibehalten und weiter entwickelt hätte. Eine solche Bronzegewinnung direkt aus den Erzen ist aber überhaupt gar nicht möglich. Die Schmelztemperaturen der Kupfer- und Zinnerze liegen viel zu weit auseinander. Wollte man versuchen Zinn- und Kupfererze gleichzeitig auszuschmelzen, so würde das Zinn längst reduziert, ausgeschmolzen und wieder verschlackt sein, ehe das Kupfer nur anfinge zu schmelzen. Überdies ist das Kupfer in den Erzen von Cornwall in Form von Kupferkies, also von geschwefeltem Kupfer enthalten und diese Erze bedürfen vor dem Einschmelzen zum mindesten einer vorausgehenden Röstung. Wenn sich Herr Wibel auf das „hardmetal“ oder die „bottoms“ bei dem englischen Kupferhüttenprozess beruft, weil diese mehr oder weniger zinnhaltig sind, so kann er dies nur tun, weil er von dem Kupferhüttenprozess und von der Bronzebereitung praktisch keinerlei Kenntnis hat. Diese Zwischenprodukte haben mit der zähen, schmiedbaren, in Formen giessbaren Bronze, wie sie die Alten in so vorzüglicher Qualität darzustellen verstanden, weniger Ähnlichkeit als eine Kupferspeise mit Garkupfer. Die „bottoms“ sind ein Produkt, das nur bei der Reinigung des Kupfers, bei der Herstellung der sogenannten „best selected copper“ fällt, es ist deshalb geradezu monströs für einen Hüttenmann, wenn jemand zu sagen wagt, diese alten Britannier hätten Bronze wie die bottoms im englischen Raffinierverfahren gemacht und Kupfer wäre dabei höchstens als Nebenprodukt gefallen, wie es nicht minder verkehrt ist, zu behaupten, diese Britannier hätten die Bronze wohl gekannt und dargestellt, das Zinn aber, welches doch aus dem Zinnstein so ohne alle Mühe bei ganz niedriger Temperatur ausschmilzt, nicht; dieses hätten sie erst später kennen und benutzen gelernt. Von demselben Wert ist denn auch die weitere Beweisführung, dass man aus den fremden Beimischungen mancher unreiner Bronzen, welche die Ausnahme bilden, während die reinen und gleichmäßig zusammengesetzten bei weitem die Regel sind, ersehe, dass die Bronze von den Britanniern auf direktem Wege aus Erzgemengen dargestellt worden wäre. Welche Produkte würden bei einem solchen Verfahren fallen? Wie wäre alles dem Zufall anheimgestellt gewesen, während wir doch sehen, wie auffallend gleichmäßig die Bronzen der Alten zusammengesetzt waren und wie sie für jeden Zweck mit Bewusstsein eine bestimmte Mischung wählten.

 Die ganzen Behauptungen und Schlussfolgerungen des Herrn Wibel müssen wir deshalb mit Entschiedenheit zurückweisen.

Auf eine ganz andere Basis stellen sich denn auch die skandinavischen Gelehrten. Diese halten ebenfalls bestimmt daran fest, dass die Bronze das älteste Metall war, welches die Völker der Steinzeit des Nordens kennen lernten. Die meisten geben aber zu, dass dieselbe keine eigene Erfindung der Skandinavier gewesen sein kann, weil weder in Dänemark noch in Schweden und Norwegen Zinnerze vorkommen und an eine Kupfergewinnung in Skandinavien in der Steinzeit nicht gedacht werden kann, dass die Bronze vielmehr vom Auslande zuerst eingeführt wurde. Einige nehmen an, dass ein fremdes Bronzevolk das Steinvolk unterjocht und ihre Metallindustrie in dem neuen Lande fortgesetzt habe. Andere räumen ein, dass die ersten Geräte aus Bronze durch den Handel vom Auslande importiert wurden. Nach dieser ersten Anregung hätte sich im Norden und zwar speziell in Skandinavien aber alsbald eine selbständige Bronzetechnik entwickelt von solcher Bedeutung, dass dieselbe ganz Nordeuropa beherrschte. Sowohl in Beziehung auf technische Fertigkeit, als auf Erfindungsgeist, Geschmack stände die nordische Bronzezeit der etruskischen und griechischen Kunst selbständig und ebenbürtig zur Seite. Die Zeit dieser Blüte der nordischen Metallindustrie fiele in das erste Jahrtausend v. Chr. und wird von den skandinavischen Gelehrten meist etwa von 800 bis 600 v. Chr. bis etwa zum 2. Jahrhundert n. Chr. geschätzt. Wir können auch dieser Darstellung der Kulturentwickelung Nordeuropas nicht beistimmen. Der erste Einwand, der sich gegen diese Theorie sofort aufdrängt, ist der: Wie konnte eine so entwickelte Technik so spurlos verschwinden? Denn wenn es wahr wäre, dass es nordische Künstler waren, welche alle diese zum Teil hervorragenden Kunstarbeiten in Bronze ausgeführt hätten, so müssten wir für die Zeit der sechs Jahrhunderte v. Chr. einen Kulturzustand im Norden annehmen, der etwa mit dem Westasiens in derselben Zeit zu vergleichen wäre. Wo sind aber die Spuren einer solchen Kultur hingekommen? Unmöglich kann man doch annehmen, dass die Kultur des Nordens sich nur auf diesen einzigen Zweig der Technik und auf diese einzige Metalllegierung der Bronze beschränkt hätte; dass diese Nordländer in allen übrigen Dingen in dem primitiven Zustand des Steinzeitalters verharrt wären und einzig in Bezug auf die Verarbeitung der Bronze die höchste Kunstfertigkeit, die höchste Erfindungsgabe und reifen Geschmack entwickelt hätten. Läge es nicht näher zu erwarten, dass diese hochbegabten Nordländer statt kunstvolle Prunkgeräte anzufertigen, sich solide Häuser gebaut hätten, um sich gegen die Härte des rauen Klimas zu schützen, dass sie von den Fremden, welche ihnen die Bronze zuführten, auch den Gebrauch des Eisens gelernt hätten, dessen Erze sich so reichlich bei ihnen fanden, dass sie endlich sich außer vielen anderen Dingen auch die Kunst der Schrift von jenen südlichen Händlern angeeignet haben würden? Von all dem finden wir aber keine Spur. Wir finden nicht den Trieb, Städte zu gründen zu einer Zeit, in der das stolze Ninive schon zu einem Schutthaufen geworden war, wir finden keine schriftliche Überlieferung zu einer Zeit, als die Veden, der hebräische Kanon, die unsterblichen Gesänge Homers längst niedergeschrieben waren. Auch erwähnt kein Werk der reichen Literatur des Südens dieser nordischen Glanzzeit, dieses nordischen Reichtums, dieser nordischen Kultur, während wir doch wissen, dass bereits Verkehr zu Wasser und zu Lande zwischen den Ländern des Mittelmeeres und Nordeuropa bestand. Treten wir aber der Frage in technischer Beziehung näher, so wird sich erst recht die Unhaltbarkeit der ganzen Theorie erweisen. Die nordischen Gelehrten behaupten, und zwar gerade die neuere Schule mit besonderem Nachdruck, eine strikte Folge einer Bronzekultur auf die Steinzeit, mit Ausschluss des Eisens. Dass sie diese Bronzeperiode, die etwa ein Jahrtausend bestanden haben soll, in eine ältere und in eine jüngere teilen, ebenso wie sie dies bei der nachfolgenden Eisenzeit tun, hat für uns hier wenig Bedeutung. Dieser Schematismus ist in den Museen von Stockholm und Kopenhagen erfunden worden. Diese bedeutenden Sammlungen, die ganz nach der Theorie der nordischen Gelehrten geordnet sind, bilden überhaupt die Grundlage und das Beweismaterial der skandinavischen Gelehrten, nicht die Funde, wie sie wirklich gemacht worden sind, sondern die Weise, in der sie in den nordischen Museen erhalten, aufgestellt und gruppiert sind. Danach freilich müsste es wahr sein, dass es in der nordischen Bronzezeit kein Eisen gegeben habe, ebenso wie dass die schönen Bronzekunstwerke nur das Erzeugnis nordischer Schmiede gewesen wären.

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