Die Geschichte des Eisens, Band 5: Das 18. Jahrhundert, Teil 1

Die Geschichte des Eisens, Band 5: Das 18. Jahrhundert, Teil 1 – Ludwig Beck

Während nur zu viele Bücher erscheinen, die das nicht wirklich bieten, was der Titel erwarten lässt, haben wir es hier mit einem Werke zu tun, welches unendlich viel mehr gibt, als sein Name verspricht. Wird auch aus der “Geschichte des Eisens ” keine allgemeine Kulturgeschichte, so veranlasst doch die Bedeutung und vielseitige Verwendung dieses Metalls den Verfasser zu einer Darstellung, die alle Teile der materiellen Kultur umfasst oder wenigstens berührt. Der allgemeine Wert des Gesamtwerkes ist vielleicht noch viel mehr ein historischer als ein technischer. Der Verfasser ist zwar von Hause aus Techniker und weist in seiner Einleitung mit Bescheidenheit darauf hin, dass man von ihm nicht das erwarten dürfe, was der Geschichtsforscher leiste, er zeigt aber bald darauf durch eine treffliche Bemerkung, dass ihm zum Historiker nichts fehlt, als vielleicht die akademische Qualifikation, und dass viele Männer vom Fach von ihm noch lernen können. Einen bedeutungsvollen Satz, den Beck durch das ganze Werk hindurch mit seltener Belesenheit, großem Fleiß und geschickter Kombinationsgabe befolgt und durchführt, kann man hier wörtlich anführen: “Es will uns vielmehr bedünken, als ob bei unserer Geschichtsschreibung dem biographischen Element gemeiniglich eine zu große Bedeutung eingeräumt würde, während die mechanischen Bedingungen der menschlichen Entwicklung, unter denen die Fortschritte der Technik, vor allem die der Eisentechnik eine hervorragende Rolle einnehmen, zu wenig Berücksichtigung fänden. ” Dieser Gedanke wird sich ja wohl bei der wachsenden kulturgeschichtlichen Forschung immer mehr Bahnbrechen, und Beck hat jedenfalls das Verdienst, in seiner Geschichte des Eisens gezeigt zu haben, wie dankbar und erfolgreich das Betreten dieses Weges ist, wenn sich mit sachlicher, hier technischer, Kenntnis historischer Sinn und fleißiges Quellenstudium vereinigen. Die Schwierigkeiten, die sich einer solchen ersten Arbeit, denn eine Geschichte des Eisens hat es bis
jetzt nicht gegeben, entgegenstellen, hat Beck in überraschender Weise überwunden. Die zerstreuten Quellen historischen, philologischen, archäologischen, auch poetischen Charakters, sind mit staunenswertem Fleiß gesammelt und gut verwertet. Dies ist Band fünf von zehn und behandelt das 18. Jahrhundert (Teil 1). Der Band ist durchgängig illustriert und wurde so überarbeitet, dass die wichtigsten Begriffe und Wörter der heutigen Rechtschreibung entsprechen.

Die Geschichte des Eisens, Band 5: Das 18. Jahrhundert, Teil 1

Die Geschichte des Eisens, Band 5: Das 18. Jahrhundert, Teil 1.

Format: Paperback, eBook

Die Geschichte des Eisens, Band 5: Das 18. Jahrhundert, Teil 1.

ISBN: 9783849665944 (Paperback)
ISBN: 9783849661953  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Einleitung.

Im 18. Jahrhundert waren die Fortschritte im Eisenhüttenwesen sehr bedeutende, durch sie wurde die Grundlage des Riesenbaues der modernen Eisenindustrie geschaffen.

Die politischen Verhältnisse trugen zur gewerblichen Entwicklung insofern bei, als die Länder Europas sich wenigstens zeitweilig ungestörter Friedensperioden erfreuten. War die Zahl der Kriege auch groß, so hatten dieselben doch nicht den verheerenden Charakter, wie der 30-jährige Krieg in Deutschland, der Revolutionskrieg in England, der Befreiungskrieg der Niederlande, welche alle bürgerlichen und staatlichen Verhältnisse bis in den Grund aufgewühlt hatten. Aus den Kämpfen des 17. Jahrhunderts war eine gewisse Gruppierung der europäischen Großmächte hervorgegangen, welche sich während des 18. Jahrhunderts mehr und mehr befestigte. Die leitende Stellung des römisch-deutschen Kaisers hatte schon längst aufgehört. Deutschlands innere Kraft war durch den 30-jährigen Krieg gebrochen und der westfälische Friede hatte ein Konglomerat einer Unzahl kleiner und großer Einzelstaaten hinterlassen, welche nur dem Namen nach durch das deutsche Kaisertum zusammengehalten wurden. Begann doch das Jahrhundert damit, dass sich der Kurfürst von Brandenburg selbst die preußische Königskrone aufsetzte. Wenn auch an Umfang den übrigen Staaten überlegen, stand Deutschland an Macht den geschlossenen Einheitsstaaten Frankreich und England nach. Diese beiden kämpften um die Hegemonie in Europa, wobei Deutschland oder einzelne deutsche Staaten nur Handlangerdienste verrichteten, der deutsche Grund und Boden bei allen größeren Verwickelungen aber wieder das Schlachtfeld abgeben musste. So war es gleich zu Anfang des Jahrhunderts im Spanischen Erbfolgekrieg, an dem sämtliche westeuropäische Staaten beteiligt waren.

Italien litt an der gleichen Zerrissenheit wie Deutschland und außerdem noch unter der antinationalen Politik des Papsttums.

Spanien war zu Grunde gerichtet durch seine selbstmörderische Finanz- und Volkswirtschaft und durch eine unduldsame Priesterherrschaft.

Entsprechend den politischen Verhältnissen entwickelte sich die Eisenindustrie: In Italien und Spanien Stillstand, in Deutschland anfangs Stagnation, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts langsamer Fortschritt, mehr erzwungen durch die Konkurrenz des Auslandes, als aus eigener Initiative. Infolgedessen betätigte sich auch der Fortschritt in Deutschland mehr in Nachahmung als in Erfindung. Die Länder des Fortschrittes auf dem Gebiete der Eisenindustrie waren Frankreich, England, Schweden und Russland.

Frankreichs Ehrgeiz ging dahin, der erste Staat in Europa, vor allem auf dem Kontinent, zu sein; es erstrebte politische Macht nach außen, die Wohlfahrt im Inneren fand erst in zweiter Linie Berücksichtigung, ja sie wurde im Laufe des Jahrhunderts jenem ehrgeizigen Phantome nicht nur untergeordnet, sondern sogar zum Opfer gebracht. Aber Frankreich hatte seinen Zweck erreicht, der angesehenste und einflussreichste Staat des europäischen Kontinents zu sein. Sein Einfluss auf die Entwicklung der Eisenindustrie war ein großer, aber mehr auf theoretischem als auf praktischem Gebiete. Die industriellen Fortschritte im eigenen Lande können nicht als mustergültig bezeichnet werden und haben die Eisenindustrie nicht wesentlich gefördert, aber die theoretische Behandlung des Gegenstandes, welche in einer reichen, vortrefflichen Literatur ihren Ausdruck fand, wurde von großer Bedeutung für dieselbe. Frankreich gebührt mit Schweden der Ruhm, der Begründer der Eisenhüttenkunde als Wissenschaft zu sein.

Ganz anders gestaltete sich die Entwicklung in England. Dieses erstrebte die Weltherrschaft zur See nicht aus Ruhmsucht, sondern zur Sicherstellung seines großartigen Handels und seiner Industrie. Deren Schutz und deren Entwicklung waren die ersten Interessen des Staates; diese waren es, welche sein politisches Handeln leiteten. Das Streben der Engländer war ein durchaus praktisches sowohl in der Politik wie in der Industrie. Deshalb trat die theoretische Diskussion in den Hintergrund, das praktische Experiment aber in den Vordergrund, und während die schriftstellerische Tätigkeit in England auf dem Gebiete der Eisenindustrie im 18. Jahrhundert fast gleich Null ist, sind alle wichtigen Fortschritte und Entdeckungen hierin in England gemacht worden, und am Schluss des Jahrhunderts steht England als die erste Eisenmacht der Welt da.

Schweden setzte seine Bestrebungen auf Hebung der nationalen Eisenindustrie, welche die wichtigste Grundlage seines Wohlstandes bildete, mit Eifer und Erfolg fort und trug auf theoretischem, wie auf praktischem Gebiete zum Fortschritt des Eisenhüttenwesens bei.

In Russland schuf der starke Wille eines genialen Herrschers eine mächtige Eisenindustrie, die bald imstande war, mit der der übrigen Staaten Europas in Wettbewerb zu treten. Die Großartigkeit der Unternehmungen zeitigte manche Fortschritte, welche der ganzen Eisenindustrie zugutegekommen sind.

Mit kleinen Anfängen begann die Eisenindustrie Nordamerikas. Zunächst zog sie die Blicke der Politiker auf sich, denn der Druck, welchen sie durch die unvernünftige und ungerechte Industriepolitik Englands seinen Kolonien gegenüber gerade auf dem Gebiete der Eisenindustrie ausübte, gab den Hauptanstoß zu dem denkwürdigsten Ereignis des vorigen Jahrhunderts, der Unabhängigkeitserklärung der nordamerikanischen Freistaaten. Wir werden diesen wichtigen Vorgang an späterer Stelle beleuchten.

Der Verbrauch von Eisen wuchs, wenn auch lange nicht mit der Geschwindigkeit, wie in diesem Jahrhundert, von Jahr zu Jahr. Es war dies die natürliche Folge der zunehmenden Zivilisation. So gingen Massen von Eisenfabrikaten von Europa nach Amerika für die immer mehr sich ausbreitenden Ansiedelungen. Immer größere Mengen von Eisen verbrauchte die wachsende Seeschifffahrt. Der Fortschritt des Maschinenwesens, die Feuermaschinen, Dampfmaschinen, Walzwerke, Zylindergebläse u. s. w. erhöhten den Verbrauch von Eisen. Man begann eiserne Schienenwege anzulegen und eiserne Brücken zu bauen. Alles dieses trug zum Wachstum der Eisenindustrie bei. Der Verbrauch an Eisen wurde mehr und mehr der Kulturmesser der Nationen.

Dieser wachsende Verbrauch ging Hand in Hand mit den Fortschritten der Technik. Es wäre aber verkehrt, zu sagen, der zunehmende Bedarf allein habe diese Fortschritte veranlasst. Der Bedarf an Eisen ist infolge der mannigfaltigen vortrefflichen Eigenschaften dieses Metalls ein unbegrenzter. Jede technische Verbesserung in der Herstellung desselben, die eine Steigerung der Produktion und eine Verbilligung des Eisens zur Folge hat, bewirkt auch eine Steigerung des Verbrauchs. Die technischen Fortschritte steigern also ebenso den Verbrauch wie der vermehrte Verbrauch die Fortschritte steigert. Daher kommt es, dass wir in den einfachen Verhältnissen früherer Jahrhunderte und wie sie noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vorliegen, das Wachstum der Industrie kaum wahrnehmen, während dieses Wachstum umso rascher zunimmt, je komplizierter unsere Industrie wird, je mehr wir uns der Gegenwart nähern. Dasselbe stellt sich fast wie eine geometrische Progression dar; jedenfalls erscheint sie uns im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts bereits riesengroß im Vergleich mit der ersten Hälfte desselben.

Die Fortschritte vollzogen sich auf theoretischem und auf praktischem Gebiete. Auf ersterem übernahm zuerst Frankreich die Führung, und zwar durch den genialen Reaumur, den philosophischen Metallurgen. Ihm verdankt die Eisenhüttenkunde ihre eigentliche Begründung, durch ihn erlangte sie erst die Gleichberechtigung, ja die bevorzugte Stelle in der Metallurgie.

Durch sorgfältige Versuche, in wissenschaftlichem Geiste erdacht, ausgeführt und erklärt, versuchte Reaumur zuerst Klarheit über die verschiedenen Zustände des Eisens und deren chemische und physikalische Unterschiede zu verbreiten. Auf derselben Grundlage baute er seine Erfindungen der Zementstahlbereitung und des schmiedbaren Gusses auf. Denn als seine Erfindungen dürfen wir diese Prozesse wohl bezeichnen, wenn auch schon früher darauf bezügliche Versuche gemacht worden waren, welche aber einen durchaus empirischen Charakter an sich trugen und in den Schleier des Geheimnisses gehüllt wurden. Diesen hob Reaumur und beleuchtete in seiner lichtvollen Weise das Wesen dieser Prozesse, die er dadurch jedem verständlich und zu einem Gemeingut machte. Dass der praktische Erfolg nicht der erhoffte war, dass gerade in Frankreich diese beiden Fabrikationen nicht den erwarteten Fortgang nahmen, dass Reaumurs eigene Unternehmungen im Großen verunglückten, beweist nichts gegen den großen Wert der theoretischen Grundlage, welche Reaumur geschaffen hat. Aber auch die praktischen Erfolge blieben im Laufe der Zeit nicht aus, nur zog nicht Frankreich, sondern England den Nutzen davon. Die Zementstahlfabrikation erlangte schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine große Bedeutung in England und bildete zunächst die Grundlage für die englische Gerbstahlbereitung; später wurde sie auch die Grundlage der Gussstahlfabrikation, die aus ihr entstanden ist. Die Fabrikation des schmiedbaren Gusses verschwand, nachdem die Versuche in Frankreich ungünstig verlaufen waren, lange Zeit ganz, um erst gegen Ende des Jahrhunderts in England von neuem und mit besserem Erfolg wieder aufgenommen zu werden.

Hatte Reaumur der Eisenhüttenkunde durch das wissenschaftliche Experiment ihre Grundlage gegeben, so führte ein anderer hervorragender Gelehrter des vorigen Jahrhunderts, der Schwede Emanuel Swedenborg, eine andere Methode, die der Vergleichung ein, welche die Grenzen der Hüttenkunde erweiterte und Übersichtlichkeit über die mannigfachen einzelnen Prozesse bewirkte. Ihm verdanken wir in seinem vortrefflichen Buche „De Ferro“ die erste Eisenhüttenkunde. Dieselbe ist wesentlich historisch und beschreibend, indem darin die schwedischen Hüttenprozesse möglichst objektiv, so wie sie damals ausgeführt wurden, geschildert werden und hieran kürzere Darstellungen der gleichartigen Prozesse, wie sie der Verfasser auf seinen Reisen im Auslande kennen gelernt hat, zur Vergleichung angereiht werden. Auch diese Methode ist in hohem Grade fruchtbringend geworden und hat bereits im vorigen Jahrhundert eine reichhaltige Literatur erzeugt.

Die Verbindung dieser praktischen Kenntnis der Hüttenprozesse mit der Theorie, wie sie das Experiment und die chemische und physikalische Wissenschaft geschaffen hatte, führte dann in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zur systematischen Eisenhüttenkunde, welche ihre vortrefflichste Behandlung in Swen Rinmans „Geschichte des Eisens“ gefunden hat.

Unabhängig von diesen theoretischen und literarischen Arbeiten entwickelte sich die Eisenindustrie in England auf empirischem Boden Schritt für Schritt und zeitigte die wichtigsten Erfindungen. Die Not war hier Lehrmeisterin; denn während der Bedarf an Eisen in England namentlich durch den Aufschwung der Schifffahrt von Jahr zu Jahr wuchs, nahm der Holzreichtum, welcher bis dahin das Brennmaterial für die Eisenindustrie geliefert hatte von Jahr zu Jahr ab. Steinkohle als Ersatz für Holz und Holzkohle mit Erfolg zu verwenden, war aber trotz vieler Versuche bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts nicht gelungen. Erst diesem war es vorbehalten, die Lösung dieser wichtigen Frage zu finden. Nach langen Anstrengungen vermochte endlich Abraham Darby, das Schmelzen der Eisenerze im Hochofen mit Koks mit Nutzen durchzuführen.

Die zweite grundlegende Entdeckung, welche in England gemacht wurde, war die Erfindung des Gussstahls von Benjamin Huntsman 1740. Die Fabrikation desselben blieb während des ganzen Jahrhunderts Geheimnis und ausschließlicher Besitz der Engländer, zu deren Überlegenheit auf industriellem Gebiete sie wesentlich beitrug.

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