Emil – Der Roman eines Hochstaplers

Emil – Der Roman eines Hochstaplers – Artur Landsberger

Landsbergers satirischer Roman aus der Vorkriegszeit lässt einen Einbrecher mit einem Neureichen gemeinsame Sache machen. Der aus Berlin stammende und 1933 dort verstorbene Landsberger gehörte zu den meist gelesenen Autoren seiner Zeit.

Emil - Der Roman eines Hochstaplers

Emil – Der Roman eines Hochstaplers.

Format: eBook

Emil – Der Roman eines Hochstaplers.

ISBN eBook: 9783849656225.

 

Auszug aus dem Text:

 

Ich sagte schon, daß die Neureichen unserer Tage im Gegensatz zu den früheren, die zeitlebens kleine Leute blieben, viel Geschmack in der Ausstattung ihrer Wohnräume, in der Wahl ihrer Kleider und auch in anderen Dingen zeigen, somit eine Kultur vortäuschen, die sie sich unmöglich von gestern zu heute aneignen konnten. Denn die Assimilationsfähigkeit der Menschen hat sich nicht geändert. Die Gründe liegen tiefer und sind durchaus unerfreulich. Ich glaube, sie in dem Verschwinden jeder Persönlichkeitsmerkmale bei den Menschen unserer Zeit erblicken zu müssen. Die Menschen hatten früher einen Typ, der nicht nur im Äußeren lag, und der sich nicht verwischen ließ wie eine Kreidezeichnung von einer Schiefertafel. Gleichgültig, ob das, was sie schön fanden, geschmackvoll oder geschmacklos war – sie hatten ihr Urteil und dachten nicht daran, es der Mode zu opfern, sofern die ihnen nicht zusagte. Heute aber ist es eine Herde, und begeistert sagt der Innenarchitekt unserer Tage: »Die Neureichen sind so klug, uns vollständig selbst wählen zu lassen. Sie fragen, wenn sie die fertige Wohnung beziehen, wohl hin und wieder etwas erstaunt: ›Ist das schön?‹ – Und wenn man ihnen erwidert: ›Es ist das Allermodernste,‹ so bescheiden sie sich. Es gibt keinen Kitsch mehr! Es ist eine Lust, heutzutage Innenarchitekt zu sein.«

Sie vergessen dabei, daß Wohnung und Bewohner eins sein sollen. Und daß es lächerlich wirkt, eine Schlächtermeistersfrau von zwei Zentnern sich zwischen Louis-XVI.-Möbeln bewegen zu sehen.

So! und nun können wir uns auch vorstellen, daß Kurt Redlich nicht recht in die von einem ersten Architekten eingerichtete Villa im Grunewald hineinpaßte.

Begeben wir uns in seinen Salon. Er stößt direkt an die große, mit Gobelins behängte Halle, die wiederum zur Flurtür und Treppe führt. Man kann zwar noch nicht recht erkennen, wie es in diesem Salon aussieht, ob es Empire, Louis XV. oder XVI. ist, da es kurz vor Mitternacht und der Raum nicht beleuchtet ist. Aber stoßen wir uns nicht daran, finden wir uns vielmehr damit ab, daß der Herr der Villa noch heute, nach acht Jahren, die Stilarten seiner zehn Zimmer durcheinanderwirft. Wir wollen uns überhaupt vornehmen, uns über die nächsten Vorgänge möglichst nicht zu wundern. Wir werden dann viel eher den Schlüssel zu einer Begebenheit finden, die gewiß nicht alltäglich ist – mit welchem Recht dürfte ich sonst eure kostbare Zeit in Anspruch nehmen? – aber durchaus möglich und im Vergleich zu manchem, was heut geschieht, alles andere denn grotesk ist.

Wenn wir also trotz der herrschenden Dunkelheit unsere Augen jetzt auf den Salon in der Villa Redlich richten, so fällt uns auf, daß bald hier, bald da ein Licht gespensterhaft aufleuchtet und wieder verschwindet. Und wenn wir ganz scharfe Augen oder gar ein Glas zur Hand haben, so erkennen wir deutlich, daß sich von der dunklen Wand die Konturen eines Menschen abheben, der behende von einer Stelle zur anderen huscht. Jetzt, wo vom Fenster aus ein mattes Mondlicht auf die Gestalt fällt, erkennen wir deutlich: es ist eine junge Apachin – so etwas gibt es noch? – blaß, schmal, schlank, mit weißer Haut und großen, schwarzen Augen. Schnittig, gazellenhaft, grazil. Eine Taschenlaterne in der Hand, die sie behende nach allen Richtungen hin bewegt, um – nun erkennt man auch die Absicht – den Raum abzuleuchten.

Jetzt fährt sie auf, wirft den Kopf zur Seite, horcht. Ein Geräusch im Schloß der Tür, die von der Halle nach draußen führt. Sie macht einen Ansatz zum Fenster hin – zu spät! – die Tür wird geöffnet, man hört Stimmen. Schnell huscht sie hinter einen japanischen Schirm – einen sehr schönen echten, dessen Wert der Herr der Villa jeden erraten läßt, der nicht gerade, wie diese junge Apachin, mitten in der Nacht ihm einen Besuch abstattet.

Mit der Ruhe ist es nun aus. Auch mit der Dunkelheit. Zuerst erstrahlt die Halle in einem Meer von Licht, das von Decken und Wänden in den Raum fällt. In der Mitte des Raumes steht Konstanze. In großer Abendtoilette, hinter ihr Kurt Redlich in Frackmantel und stumpfem Zylinder. – Ich muß schon sagen: dies Bild erinnert an eine Operettenszene, und man erwartet, daß dies ungleiche Paar nach vorn tritt, die Mäntel abwirft und ein Duett singt.

Schlechtes Theater also, denkt man – merkt aber sehr bald, daß man sich auf dem Holzwege befindet. Diesen beiden Menschen ist gar nicht nach einem Duett zumute. Sie hauen, noch bevor sie im Salon sind, in dem es nun auch hell wird, mit Worten aufeinander ein.

»Und ich wiederhole dir . . .,« erklärt Konstanze nicht gerade leise und wirft den Abendmantel auf die Chaiselongue. Aber Kurt Redlich läßt sie nicht zu Ende reden.

»Und ich behaupte . . .,« fällt er ihr ins Wort.

»Schon in der zweiten Runde hätte . . .«

»Wills . . .«

»Nein! Samson!«

»Knock out gehen müssen.«

Konstanze zittert vor Erregung:

»Aber Papa, hast du denn nicht gesehen?«

»Ich bin nicht blind.«

»Als Samson den Haken links landete . . .«

»Ein harter Schlag!«

». . . wenn Wills die Blöße genützt . . .«

»Wenn! wenn!«

». . . und einen Appercount gelandet hätte.«

»Er hat ihn aber nicht gelandet.«

»Eben!«

»Weil er ein Stümper ist!«

»Ein Held ist er!«

»Eine Schlafmütze!«

» Ich liebe ihn!«

»Du bist verrückt!«

»Papa! beherrsch’ dich!«

….

 

 

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