Quer durch Hawaii

Quer durch Hawaii – Ferdinand Emmerich

Auf seinen Fahrten führte es Emmerich unter anderem auch nach Hawaii, dem Insel-Bundesstaat der USA. Er beschreibt hier nicht nur seine Erlebnisse, sondern auch die Kultur der Hawaiianer..

Quer durch Hawaii

Quer durch Hawaii.

Format: eBook

Quer durch Hawaii.

ISBN: 9783849652982

 

Auszug aus dem ersten Kapitel:

 

Mein Kurs lag ostwärts. Meine Aufgabe war nahezu erfüllt. Noch blieb mir die Durchquerung der Insel Hawaii, dann winkte mir eine längere Ruhepause. Wie sehr ich mich nach einer solchen sehnte, kann nur der ermessen, der sich in die Lage eines Menschen hineinzudenken vermag, der über ein Jahr lang alle die kleinen Bedürfnisse entbehren mußte, die nun einmal die Kultur dem Manne anhängt. Viele Monate hindurch sah ich kein Bett. Der harte Boden, mit einer Schicht Blätter als Unterlage, dazu den weiten Himmel als Dach über dem müden Haupte, vertrat die Stelle eines Nachtlagers. Halbgares, halbverbranntes Fleisch, mit großen Schwierigkeiten beschafft und oft unter Lebensgefahr am Feuer geröstet, bildete die Kost, wenn nicht die Nähe mordgieriger Eingeborener uns auch diesen Leckerbissen verwehrte. Unsägliche Strapazen, über schroffe Gebirgszüge, durch nie von Menschen betretene Urwälder, durch Sümpfe und über verdorrte Steppen führende, fluchtartige Wanderungen, dazu Hunger und Durst, verschärften die täglich wiederkehrenden Anforderungen an unsere Willensstärke – und nun winkte die Ruhe.

Celebes lag hinter mir. Einen Teil meiner Erlebnisse auf jener Insel findet der Leser in den Schilderungen meines fünften Bandes. Jetzt stand ich auf dem Deck eines deutschen Frachtdampfers, der mich nach Hawaii bringen sollte. Ich wählte in Yokohama diesen schlichten Landsmann aus der Mitte der amerikanischen, englischen nnd kanadischen Luxusdampfer, um wieder einmal einige Wochen heimatliche Laute unvermischt zu hören, um wieder einmal derbe deutsche Schiffskost zu genießen.

Kapitän Michelsen machte anfangs Schwierigkeiten, mich auf seinem Dampfer »Schleswig« als Passagier mitzunehmen. Nicht allein, weil dem Schiffe die Einrichtungen für Fahrgäste fehlten, sondern in echt deutscher Rücksichtnahme auf das, was die Agenten der großen Dampferlinien wohl dazu sagen würden … Durch Überredung und mit freundlicher Unterstützung des in Japan ansässigen Großkaufmanns Vogel brachte ich jedoch den guten Michelsen dahin, daß er mich der Form wegen unter seine Mannschaft einreihte – als Kajütsjunge! Damit war die Rücksichtnahme auf Engländer, Amerikaner und die schlitzäugigen Japanesen untertänigst gewahrt (o Michel!), und ich durfte mitfahren.

Nach viertägigem herrlichen Wetter suchte uns eine »gute« Brise auf. Sie sorgte ausgiebig dafür, daß mich die Langeweile verschonte. Der wind nahm den Mund ordentlich voll und legte sich fest in die schwellenden Segel, die damals noch von allen Dampfschiffen geführt wurden. So, unter dem Druck von Segel und Dampf, liefen wir in guter Fahrt durch die mehr und mehr auflaufende See. Der langentbehrte Genuß eines in wildem Zorne aufschäumenden Weltmeeres bannte mich fast ununterbrochen auf das Deck, und freudig legte ich Hand mit an, als gegen Mitternacht die Kraft des Windes den Kapitän zwang die meisten Segel fortzunehmen.

Gegen Morgen hatten wir einen richtigen Sturm. Hoch auf die Spitze der Wellenberge kletterte die kleine »Schleswig«, um gleich darauf sausend in ein tiefes Tal hinabzutauchen. In allen Fugen knarrte und ächzte das wackere Schiff, und einem mutigen Renner gleich schüttelte es die schweren Wogen von seinem Rücken, die ihm die gierige See in seinem unaufhaltsamen Laufe ostwärts freigebig spendete.

Mittags lief ein großer englischer Australiendampfer an uns vorbei. Ein gewaltiger Bau gegen unsere kleine »Schleswig«. Aber auch er mußte sich dem gewaltigen Ozean beugen. Heftig rollte er von einer Seite auf die andere, und das leere Deck bewies, daß die Fahrgäste der Seekrankheit zum Opfer gefallen waren.

Fast zwei Stunden lang konnten wir den Engländer vor uns dahintanzen sehen. Dann änderte er plötzlich seinen Kurs etwas südwärts, und wir bemerkten nun ein Fahrzeug, das sich allem Anscheine nach in Seenot befand. Da das Segelschiff fast recht im Kurse des Australiendampfers lag, konnte man sich bei uns dessen Fahrtänderung nicht recht erklären. Kapitän Michelsen sprach kopfschüttelnd sein Befremden über das Manöver aus. Ich aber war in der Lage, eine Erklärung für diese Handlungsweise zu geben. Hatte ich doch – wie ich das in meinem ersten Bande schilderte – am eigenen Leibe die Menschenfreundlichkeit der Engländer erfahren. Ich sagte den Schiffsgenossen den Hergang voraus:

»Geben Sie acht, Kapitän! Der Dampfer da vor uns rührt keine Hand, um dem andern beizustehen. Im Gegenteil, er geht südwärts, um sich zu drücken!«

»Nein, das glaube ich denn doch nicht!« erwiderte Hilmer, der erste Offizier, der mit dem Glase angestrengt nach dem notleidenden Fahrzeug ausgespäht hatte. »Es ist ein Engländer. Ich sehe die Notflagge und die Landesfarbe. Dem wird der Postdampfer sicher Hilfe leisten!«

»Warten Sie es ab!« antwortete ich. »Der Kerl weiß genau, daß wir ihm die Rettung abnehmen, obgleich wir mit uns selbst genug zu tun haben. Sehen Sie nur wie er nach Süden abfällt! Lieber riskiert er ein paar eingeschlagene Fenster, als daß er ein halbes Dutzend Menschenleben dem Verderben entreißt. Die Scheiben zahlt die Versicherung. Ob er für die Nahrung der paar Seeleute eine Vergütung erhält, weiß er noch nicht! Da nimmt er lieber das sichere. Was liegt dem an ein paar Menschen!?« …..

 

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