Rund um die Erde

Rund um die Erde – Kurt Faber

Rund um die Erde ist eine Sammlung der besten Erlebnisse des deutschen Weltenwanderers Faber. Er erzählt von den Irrfahrten und Abenteuer eines Greenhorns.

Rund um die Erde

Rund um die Erde.

Format: eBook.

Rund um die Erde.

ISBN: 9783849653040

 

Auszug aus dem ersten Kapitel:

 

Vielleicht ist es besser so. Ich will die Geschichte nicht von Anfang an erzählen. Es ist auch eine gar so alltägliche Begebenheit.

Da ist ein junger Tunichtgut, der nicht weiß, was er mit sich anfangen will. Und die anderen wissen es auch nicht, wie sehr sie ihm auch schon ins Gewissen geredet haben. »So setze dich einmal her zu mir. Ich habe etwas Ernstes mit dir zu bereden. Hast du schon einmal darüber nachgedacht – aber so benimm dich gefälligst manierlicher und schau mich nicht so an mit deinen verstockten Augen! – hast du schon darüber nachgedacht, was einmal aus dir werden soll? Nein? Dann wäre es aber höchste Zeit! Mir ist nämlich eben ein guter Gedanke gekommen: Wie wäre es denn, wenn du einmal das oder jenes anfingest? Das ist noch eine gute und aussichtsreiche Laufbahn. Nach so und soviel Jahren – laß mal sehen: Dann wärest du gerade so und so alt – hättest du schon das ganze Studium hinter dir mit allem, was drum und dran hängt. Hättest eine feste und gesicherte Stellung. Wärst ein gemachter Mann. Und könntest es am Ende noch zu dem und dem bringen. Ich weiß, daß du es könntest, wenn du nur wolltest – aber du willst ja gar nicht!«

»Ach ja«, pflegte zuweilen meine Großmutter zu sagen, »es ist ein Elend mit dem Lausbuben. Es ist, wie wenn man einen Ochs ins Horn pfetzt.«

Aber der Lausbub war und blieb verstockt. Alle diese Dinge interessierten ihn gar nicht. Wenn aber an lauen Frühjahrstagen der Märzwind die schwarzen Regenwolken vor sich herjagte, wenn die Septembernebel die feinen Fäden über die Ackerkrume webten, wenn draußen auf den Wiesen zwischen den Herbstzeitlosen die Störche sich nach dem Süden versammelten, ja, wenn nur irgendwo ein Eisenbahnzug vorüberdonnerte in die blaue Ferne, da bekam er es zu tun mit der Wanderlust, die von fernen Meeren und von stolzen Palmen träumte. Und eines Tages – nun ja, es kam einmal der Tag, der der Anfang dieser langen Geschichte war. Es war weder ein interessanter, noch ein lehrreicher, noch ein ruhmreicher Tag, und man tut wohl am besten, wenn man so wenig wie möglich davon erzählt. So beginne denn, du Geschichte der Abenteuer meiner ersten wilden Jugend in – Paris.

Während der ganzen Nacht war ich auf der Reise von Belfort her gerüttelt und geschüttelt worden, wie man nur in einem Wagen der dritten Klasse auf französischen Eisenbahnen geschüttelt und gerädert werden kann. Endlos schien die Fahrt durch das nachtschwarze Land, bis sich endlich in der Ferne unzählige Lichter wie Perlen aneinander reihten und die schwarzen, schattenhaften Umrisse des Häusermeeres der Großstadt aus dem dämmernden Tageslicht herauswuchsen.

»Paris!« rief draußen die Stimme des Schaffners. Ich mußte mir die Augen reiben, um mich zu vergewissern, daß ich nicht träumte. Waren wir wirklich in Paris?

Wie die Unschuld vom Land – die ich ja auch war – taumelte ich durch die weiten Bahnhofshallen und gelangte schließlich in eine breite Straße, die in schnurgerader Richtung bis in endlose Fernen das Häusermeer durchschnitt. Wenn ich mich recht erinnere, war es der Boulevard Sebastopol. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, schlenderte ich eine Weile diese Straße entlang. Es war noch früh am Tage. Etwa fünf Uhr morgens. Grau und übernächtig schauten die hohen, eleganten Gebäude in den dämmernden Morgen. Vor einem Kaffeehaus, in dem die Stühle auf den Tischen standen, lehnte ein befrackter Kellner und gähnte. An einer Straßenecke arbeiteten Leute mit großen Mützen und weiten Hosen und schaufelten Kehricht in den eisernen Müllwagen, an dem in dicken Lettern » Ville de Paris« stand. Ein Kamelot kam herangebraust wie ein brüllender Löwe. » Le Matin! Le Journal!« schrie er so laut und gellend, wie nur ein Kamelot kann. Ein Bäckerbube ging vorüber mit einem Korb voll frischer Semmeln, der fast so groß war wie er selber.

Unversehens war ich bis hinunter zu den Markthallen gekommen. Dort war man schon emsig bei der Arbeit. Es war ein Kommen und Gehen von Wagen und Pferden, und geschwätzige Bauern mit langen blauen Kutten und klappernden Holzschuhen waren dabei, die Schätze aufzustapeln, die der Moloch Großstadt im Laufe des Tages verschlingt: üppige Krautköpfe und leuchtende Radieschen, Hasen, Gänse und glitzernde Fische. Eine alte Frau mit weißen Haaren bemühte sich vergebens, einen großen Korb voll Äpfel von einem Karren herunterzuschaffen. » Allons, mon fils«, wandte sie sich an mich, indem sie auf den einen Henkel des Korbes deutete.

»Ja, da sieht man’s wieder«, meinte sie, als wir den Korb auf dem Boden hatten, »jung ist Herr!«

»Halt«, rief sie mir nach, als ich mich zum Fortgehen wandte, »du sollst ein Andenken von deiner Großmutter haben.« Dann suchte sie mir den schönsten Apfel aus dem Korbe heraus  ……

 

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