Die Apostelgeschichte

Die Apostelgeschichte – Johannes Calvin

Johannes Calvin (10. Juli 1509 – 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden “Unterweisung in der christlichen Religion” schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. In diesem vorliegenden Werk befasst er sich mit der Apostelgeschichte.

Die Apostelgeschichte

Die Apostelgeschichte.

Format: Paperback, eBook

Die Apostelgeschichte.

ISBN: 9783849665586 (Paperback)
ISBN: 9783849662592  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

Kapitel 1.

 

1 Die erste Rede hab ich getan, lieber Theophilus, von alle dem, das Jesus anfing, beide, zu tun und zu lehren, 2 bis an den Tag, da er aufgenommen ward, nachdem er den Aposteln (welche er hatte erwählet) durch den heiligen Geist Befehl getan hatte.

V. 1. Um sich den Übergang zu den Ereignissen zu bahnen, welche auf Christi Himmelfahrt folgten, blickt der Schriftsteller kurz auf den Inhalt seines ersten Buches zurück. So verknüpft er die beiden Teile miteinander. Er gibt eine kurze Beschreibung der evangelischen Geschichte, indem er sie als den Bericht von alle dem bezeichnet, das Jesus anfing, zu tun und zu lehren, solange er auf Erden weilte. Damit blickt Lukas auf das Wort zurück, von welchem er am Ende der evangelischen Geschichte berichtet hatte (Lk. 24, 9): Christus ist „ein Prophet, mächtig von Taten und Worten“. Der Unterschied der beiden Aussagen ist nur der, dass die dort gepriesenen, mächtigen Taten allein die Wunder sind, während hier der Bericht von dem, was Jesus zu tun anfing, meines Erachtens alle seine hervorragenden Taten umfasst, welche sein eigentümliches Amt ausmachen, unter welchen Tod und Auferstehung die erste Stelle behaupten. Das Amt des Messias erstreckt ja sich nicht bloß auf die Lehre: er musste der Friedensstifter sein zwischen Gott und Menschen, der Erlöser des Volks, der Erbauer des Reichs und der Urheber ewiger Glückseligkeit.

Dies alles war über den Messias geweissagt, so dass man es von ihm erwartete. So sehen wir, dass das gesamte Evangelium diese beiden Stücke in sich begreift, Christi Lehre und Taten. Er hat nicht bloß die ihm vom Vater aufgetragene Sendung an die Menschen ausgerichtet, sondern auch mit der Tat alles geleistet, was man vom Messias verlangen konnte. Er hat sein Reich angefangen, mit seinem Opfer Gott versöhnt, mit seinem eigenen Blut die Sünden der Menschen gesühnt, hat Teufel und Tod überwunden und in die wahre Freiheit zurückgeführt, hat uns Gerechtigkeit und Leben erworben. Und um zu bekräftigen, was er tat und sprach, hat er sich durch Wunder als den Sohn Gottes bewiesen. So umfasst der Ausdruck an unserer Stelle freilich auch die Wunder, darf aber nicht auf sie beschränkt werden. Daraus entnehmen wir die wertvolle Erkenntnis, dass ein Mensch mit dem bloßen Wissen von der Geschichte das Evangelium durchaus noch nicht ergriffen hat. Es muss die Erkenntnis der Lehre hinzukommen, die uns die Frucht der Taten Christi erschließt. Hier besteht ein heiliger Zusammenhang, den man nicht zerreißen darf. So oft darum der Lehre Christi gedacht wird, sollen wir lernen, seine Werke als Zeichen beizufügen, welche ihre Wahrheit bekräftigten und sie in die Wirklichkeit überführten. Anderseits: sollen Christi Tod und Auferstehung für uns fruchtbar, seine Wunder für uns bedeutsam werden, so müssen wir gleicher weise auf seinen redenden Mund merken. Dies ist die wahre Regel des Christentums.

Bemerkenswert ist, dass Lukas von alle dem geredet hat, was Christus tat und lehrte, dass er also nicht den Anspruch erhebt, geradezu alles erzählt zu haben: Vollständigkeit wäre ja unerreichbar, wie auch Johannes (21, 25) daran erinnert, dass die Welt die Bücher nicht fassen würde. Weiter wollen wir darauf achten, dass Lukas seinen Bericht anhob mit dem Beginn des Wirkens Christi. Nachdem er aber Christi Geburt erzählte, sprang er sofort zu seinem zwölften Lebensjahr über; und nachdem er kurz davon berichtet, wie Jesus im Tempel sich unterredete, übergeht er achtzehn Jahre mit Stillschweigen, um dann erst in die richtige Erzählung von Christi Taten einzutreten. So steht fest, dass er hier nur diejenigen Taten und Reden meint, welche auf den Inbegriff unsers Heils abzielen. Denn nachdem Christus mit unserem Fleisch bekleidet ward und in die Welt einging, lebte er wie ein Privatmann im Hause bis zum dreißigsten Lebensjahre, in welchem ihm vom Vater eine neue Rolle aufgegeben ward. Jener erste Teil seines Lebens sollte nach Gottes Willen im Verborgenen bleiben, damit die Kenntnis dessen, was zur Auferbauung unsers Glaubens dient, dagegen umso heller strahle.

Die erste Rede oder das erste Buch des Lukas wird so genannt im Unterschiede von dem jetzt anhebenden, zweiten Teil. Wir sollen also wissen, dass der Evangelist anlässlich eines neuen Stoffes neu zu schreiben anheben wollte.

V. 2. Bis an den Tag, da er aufgenommen ward. Also ist die Auffahrt Christi in den Himmel der Schlusspunkt der evangelischen Geschichte. Ist er doch, wie Paulus sagt (Eph. 4, 10), aufgefahren, damit er alles erfülle. Gewiss empfängt daraus unser Glaube noch andere Früchte: hier aber mag der Hinweis darauf ausreichen, dass, als Christus zum Vater aufstieg, unsre Erlösung in allen Stücken vollständig abgeschlossen war, so dass also Lukas für den Teil seiner Aufgabe, der sich auf Christi Lehre und Taten bezieht, jetzt alles Erforderliche geleistet hatte. Dass Christus „aufgenommen“ ward, lässt keinen Zweifel darüber bestehen, dass er diese Welt tatsächlich verlassen hat. Darum dürfen wir nicht in den Wahn einstimmen, dass die Himmelfahrt keine Ortsveränderung bedeute.

Nachdem er den Aposteln Befehl getan hatte. Diese Worte erinnern daran, dass Christus mit seinem Scheiden aus der Welt sich der Sorge für uns nicht entledigt hat. Denn dass er eine beständige Leitung in seiner Gemeinde einsetzte, ist ein Beweis dafür, dass er auf unser Heil bedacht sein wollte. Er hat ja auch bezeugt, dass er bis zum Ende die Seinen regieren und geleiten will (Mtth. 28, 20), wie er den tatsächlich durch seine Diener bei ihnen ist. Lukas gibt also zu verstehen, dass Christus nicht eher Abschied nahm, als bis er die Leitung seiner Gemeinde fürsorglich geordnet hatte. Auf diese Fürsorge deutet Paulus ausdrücklich in der eben angezogenen Stelle hin: Christus hat alles erfüllt, „und Er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten“ usw. Den Befehl, welchen Christus seinen Aposteln gab, verstehe ich als Anweisung zur Predigt des Evangeliums. Pflegen doch Gesandte mit bestimmten Vorschriften versehen zu werden, damit sie nicht vorwitzig etwas unternehmen, was über den Willen ihres Auftraggebers hinausgeht. Diese Bemerkung dient also zur Empfehlung der Lehre, welche die Apostel vortrugen.

Damit dies noch deutlicher werde, wollen wir die einzelnen Aussagen der Reihe nach erwägen. Es heißt von den Aposteln, dass Christus sie erwählet hatte. So soll es uns gewiss und verbürgt sein, dass sie von ihm berufen wurden. Denn hier steht Gottes Erwählung nicht im Gegensatz zu menschlichem Verdienst, sondern die Meinung ist lediglich, dass die Apostel vom Herrn erweckt wurden und sich nicht vorwitzig in ihr Amt gedrängt haben.

Werden wir so ihrer Berufung vergewissert, so sollen wir lernen, nicht auf Menschen zu blicken, sondern auf den Sohn Gottes als den eigentlichen Urheber. Es muss eine bleibende Ordnung in der Gemeinde sein, dass niemand sich eine Ehre anmaße. Zum andern hören wir, dass die Apostel durch Christi Vorschriften für ihre Aufgaben unterwiesen wurden. Sie trugen also nicht eigene Erdichtungen vor, sondern überlieferten treulich, was ihnen vom himmlischen Meister aufgetragen war. Um dieser Anweisung noch tiefere Ehrfurcht zu verschaffen, wird hinzugefügt, dass sie durch den heiligen Geist ergangen sei. Gewiss bedurfte der Sohn Gottes, der die ewige Weisheit ist, nicht einer Leitung von außen. Aber weil er doch auch ein Mensch war, soll niemand glauben, dass aus menschlichem Geist entsprungen sei, was er den Aposteln übergab. Es wird ausdrücklich auf göttliche Autorität zurückgeführt, wie denn der Herr selbst mehr als einmal versichert hat, dass er nichts gelehrt habe, als was er vom Vater empfing (Jes. 7, 16; 12, 69): „Meine Lehre ist nicht mein.“ Es wird uns also eingeprägt, dass die Predigt des Evangeliums kein Menschenwerk ist, sondern auf Anordnung des göttlichen Geistes ruht, so dass die ganze Welt schuldig ist, sich ihr zu unterwerfen.

 

3 Welchen er sich nach seinem Leiden lebendig erzeiget hatte durch mancherlei Erweisungen, und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang, und redete mit ihnen vom Reich Gottes. 4 Und als er sie versammelt hatte, befahl er ihnen, dass sie nicht von Jerusalem wichen, sondern warteten auf die Verheißung des Vaters, welche ihr habt gehöret [sprach er] von mir; 5 denn Johannes hat mit Wasser getauft; ihr aber sollt mit dem heiligen Geiste getauft werden, nicht lange nach diesen Tagen.

V. 3. Welchen er sich nach seinem Leiden lebendig erzeiget hatte. Dieser Zusatz hat den Zweck, die Auferstehung glaubwürdig erscheinen zu lassen. Dies ist eine vor allem notwendige Sache: denn ohne die Auferstehung stürzt das ganze Evangelium zusammen und verliert völlig seine Glaubwürdigkeit.

Um von anderm zu schweigen, will ich nur dies herausheben: die ganze Majestät des Evangeliums kommt ins Wanken, wenn wir nicht wissen, dass der lebendige Christus aus dem Himmel redet. Das ist es, worauf Lukas vor allem zielt. Um also jeden Zweifel an der Wahrheit der Sache zu heben, sagt er, dass sie durch mancherlei Erweisungen bestätigt worden sei. Damit die Auferstehung für die Apostel nicht im ungewissen bliebe, hat Christus sie durch viele einleuchtende Zeichen, welche die Kraft unwidersprechlicher Beweise befassen, bezeugt. Diese Zeichen oder Erweisungen zählt Lukas nun nicht auf, sondern bemerkt nur, dass Christus sich vierzig Tage lang häufiger sehen ließ. Eine einzige Erscheinung noch dem Verdacht unterlegen: da der Herr aber so oft sich den Blicken darbot, behielt der Zweifel keinen Raum mehr. Auf diese Weise tilgt Lukas den Vorwurf der Ungeschichtlichkeit, den man aus seiner früheren Erzählung gegen die Apostel entnehmen konnte (Lk. 9, 45. 46; 18, 34): er will der Glaubwürdigkeit ihrer Predigt keinen Abbruch tun.

Und redet mit ihnen vom Reich (oder der Herrschaft) Gottes. Noch einmal wird daran erinnert, dass die Apostel von dem einzigen Meister rechtschaffen unterwiesen wurden, ehe sie ihr Amt übernahmen, die Welt zu lehren. Was sie also über Gottes Reich mündlich und schriftlich vortrugen, sind die Reden, die Christus hielt. Diese Bezeichnung deutet übrigens kurz darauf hin, was die Lehre des Evangeliums bezweckt, nämlich, dass Gott in uns herrsche. Der Anfang dieser Herrschaft ist die Wiedergeburt, Ziel und Vollendung die selige Unsterblichkeit; zwischen hinein macht sie ihre Fortschritte in dem weiteren Wachstum des wiedergeborenen Lebens. Um die Sache aber deutlicher zu machen, wollen wir uns zuerst einprägen, dass wir außerhalb des Reiches Gottes geboren werden und leben, bis uns Gott zu neuem Leben umschafft. So darf man recht eigentlich die Welt, unser Fleisch und den ganzen Inhalt der menschlichen Natur als einen Gegensatz zu Gottes Herrschaft betrachten. Denn die Sinne des natürlichen Menschen halten sich völlig an die Elemente dieser Welt: hier sucht man das Glück und das höchste Gut. Dabei sind wir dem Reiche Gottes fremd, und Gott bleibt gleichsam uns fremd. Christus aber erhebt uns durch die Predigt des Evangeliums zum Trachten nach dem zukünftigen Leben. Um dies zu erreichen, wirkt er bessernd und umgestaltend auf unsere irdischen Neigungen ein, entkleidet uns der Sünden unseres Fleisches und sondert uns von der Welt ab. Ewiger Tod wartet aller, die nach dem Fleisch leben: in demselben Maße aber, wie unser innerer Mensch zum Fortschritt im geistlichen Leben erneuert wird, nähern wir uns der Vollkommenheit des Reiches Gottes, welches eine Gemeinschaft ewiger Herrlichkeit ist. Gott will also jetzt in uns herrschen, um uns endlich die Teilnahme an seinem Reich zu schenken. Wir schließen daraus, dass der Hauptinhalt der Reden Christi sich auf die Verderbnis des Menschengeschlechts und die Tyrannei der Sünde bezog, unter die wir geknechtet sind, ferner auf den Fluch und das Schuldverhängnis es ewigen Todes, dem wir alle unterliegen; weiter wird er geredet haben über den Weg, das Heil wiederzugewinnen, über die Vergebung der Sünden, die Verleugnung des Fleisches, die geistliche Gerechtigkeit, die Hoffnung auf himmlisches Leben usw. Wollen wir richtig im Christentum uns unterweisen lassen, so müssen wir auf diese Dinge unser Interesse richten.

V. 4. Und als er sie versammelt hatte, befahl er ihnen usw. Schon früher, aber nur für kurze Zeit, war den Jüngern eine Sendung zuteil geworden als Vorspiel ihres künftigen Apostelamts (Mt. 10, 7). Es handelte sich um einen Heroldsruf, mit welchem sie ihr jüdisches Volk aufwecken sollten, damit es Christus Gehör schenkte. In das ordentliche Amt der Apostel, als welche sie die ihnen anvertraute Lehre in der ganzen Welt verbreiten sollten, wurden sie erst nach der Auferstehung eingesetzt. Trotz ihrer Wahl für dieses Amt befiehlt ihnen aber Christus, dass sie mit Ausrichtung noch warten sollen. Dies war aus mehrfachen Gründen nötig. Es lag erst kurz zurück, dass sie ihren Meister so schmählich verlassen hatten; noch in letzter Zeit hatten sie viele Zeichen ihres Unglaubens gegeben. Obgleich sie so vollkommen unterrichtet waren, hatten sie plötzlich alles vergessen, – ein Beweis allzu roher Verständnislosigkeit. Dieser Fehler war auch durch ihre Trägheit verschuldet. So war es eine wohl angebrachte Züchtigung, dass die verheißene Gnadengabe aufgeschoben ward: dadurch sollte die Sehnsucht darnach gesteigert werden. Der bemerkenswerteste Grund dafür, dass der Herr einen bestimmten Zeitpunkt für die Sendung des Geistes setzte, ist aber der, dass auf diese Weise das Wunder umso augenfälliger wird. Des Weiteren hielt er die Jünger eine Zeitlang in der Stille, um ihnen die Größe des Auftrags, den er ihnen zu geben im Begriff war, desto mehr ans Herz zu legen. Auch für uns wird die Wahrheit des Evangeliums dadurch bekräftigt, dass die Apostel das Werk seiner Ausbreitung nicht eher angreifen durften, als bis sie eine genügende Vorbereitungszeit durchgemacht hatten. Es wurde ihnen nun befohlen, dass sie nicht von Jerusalem wichen. Sie sollten zusammenbleiben, um alle mit einem und demselben Geiste beschenkt zu werden. Hätten sie sich zerstreut, so wäre diese Einheit minder kenntlich gewesen. Später gingen sie freilich nach verschiedenen Richtungen auseinander: weil sie aber beibrachten, was sie aus derselben Quelle geschöpft hatten, so war es, als hätten sie immer nur einen Mund besessen. In Jerusalem musste die Predigt des Evangeliums anheben, damit die Weissagung erfüllt würde (Jes. 2, 3): „Von Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem.“

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