Der hüpfende Teufel

Der hüpfende Teufel – Walther Kabel

“Die goldene Zeit der Krimis” war eine Ära klassischer Kriminalromane, die vor allem die 1920er und 1930er Jahre bestimmten. Die gleichnamige Serie bietet dem Fan dieser “Evergreens” eine große Auswahl von Titeln, die damals entweder bereits als eigenständige Bücher, oder aber als Fortsetzungsromane in diversen Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Als Eginhard von Blendel eines Abends mitten in Berlin einen anderen Passanten fast umrempelt, erkennt er in diesem schnell seinen Schulfreund Lossen. Aber was dieser ihm bald darauf erzählt, ist fast noch unglaublicher als ihr plötzliches Wiedersehen ….

Der hüpfende Teufel

Der hüpfende Teufel.

Format: Taschenbuch

Der hüpfende Teufel.

ISBN Taschenbuch: 9783849666590.

 

Auszug aus dem Text:

Eginhard von Blendel war gerade an der Ecke Friedrichstraße und Linden durch einen verzweifelten Sprung einem plötzlichen hinter einem Möbelwagen auftauchenden Auto glücklich entronnen, als er in dem mit etwas fragwürdiger Vornehmheit gekleideten Herrn, den er bei diesem Rettungsversuch angerempelt hatte, seinen Schulfreund Werner Lossen wiedererkannte.

„Verzeihung“, hatte der Hüne Blendel zu dem fast einen Kopf Kleineren gesagt, um dann sofort hinzuzufügen, indem er dem seit Jahren ihm aus den Augen Gekommenen beide Hände in ehrlicher Freude entgegengestreckte … „Wahrhaftig – Lossen – Du?! – Na, das nenn’ ich mal ne frohe Überraschung.“

Es war um die achte Abendstunde, und an diesem warmen Oktobertage zeigte die berühmte Kranzlerecke ein echtes Bild Berliner Großstadtlebens. Ein förmlicher Menschenwall wartete auf die Gelegenheit, ungefährdet die sich kreuzenden beiden Hauptverkehrsstraßen überschreiten zu können. Über all diese Köpfe hinweg trompetete Eginhard von Blendel seine Begrüßungsworte und zwar mit dem doppelten Erfolge, daß Werner Lossen den Freund scheu und verlegen anblickte, und einige Witzbolde in der Menge mehr oder weniger geistreiche und ebenso laute Bemerkungen über diese Wiedersehensszene machten.

Blendel hatte kaum den gequälten Gesichtsausdruck seines alten Schulkameraden erkannt, als er auch schon seinen Arm in den Lossens schob und den Freund nach der Mittelpromenade der Linden hinüberzog, wo es bedeutend ruhiger war, wenn auch hier ganze Scharen von Spaziergängern auf und abwogten.

„Hör’ mal, alter Patroklus“, sagte er dann halb scherzend, indem er mit dem sich leicht Sträubenden die Richtung nach dem Brandenburger Tor hin einschlug, „gerade entzückt scheinst Du nicht zu sein, daß der Zufall uns endlich nach – nach sechs Jahren, so viel wird es sein, wieder zusammengeführt hat. Was treibst Du eigentlich, wo hast Du Dein Domizil aufgeschlagen und wie geht es Dir überhaupt?“

Werner Lossens bleiches Gesicht hatte sich etwas gerötet. Ihm war es peinlich, daß die Vorübergehenden Blendel und ihn so prüfend musterten. Blendel hatte noch immer nicht gelernt, seine Stimme zu dämpfen. Und dieser Riesenkörper verfügte über ein Organ, um das ihn jeder Jahrmarktbudenbesitzer beneidet hätte. Es mußte beinahe so aussehen, als würde hier ein Verhafteter abgeführt …

„Sprich bitte leiser“, meinte Lossen daher leicht gereizt. „Die Menschen werden ja ringsum aufmerksam. – Im übrigen: für einen Gardeoffizier bin ich kaum der richtige Begleiter. Mein Anzug sticht gegen Dein elegantes Zivil zu sehr ab, und meine Stellung als Dekorationsmaler der Berliner Film-Gesellschaft Sphinx dürfte zu dem altadligen Baron Blendel von Blendelburg ebenfalls kaum passen.“

„Blech!“ sagte der lange Oberleutnant beinahe grob, drückte dabei aber den Arm des Freundes desto fester an sich. „Blech und Blödsinn, alter Patroklus! Und wenn Du zerlumpt mir begegnet wärest: für mich bleibst Du Werner Lossen, den alle auf unserer Penne in Kulm nur mit dem Namen des berühmten Freundes des griechischen Helden Achilles benannten – und das mit Recht! Es laufen nicht viele so anständige Kerle in der Welt herum wie Du es bist!“

„Wir haben uns sechs Jahre nicht gesehen. Da kann ich ein Lump geworden sein“, preßte Lossen bitter hervor.

Der Baron lachte schallend.

„Lump ist gut! Du und Lump …!! Dann würde eher der Mond mal am Tage scheinen, als daß … Na, kurz: die sechs Jahre haben nichts geändert, mein Alter, und deshalb tu’ mir den Gefallen und begleite mich in den Klub, wo wir in Behaglichkeit einen vernünftigen Ton miteinander reden können. – Ne, mein Lieber, keinen Widerspruch! Du kommst mit – basta! – – Auto – halt! – Steig’ ein – los, zum Donner …!! – Wie, Dein Anzug?! – Mach’ keine Faxen. Hast Du mal was von dem Klub der Fünfzig gehört …?! Dort bist du vollständig kouleurfähig!“

Die Freunde glitten in dem neuen Auto über die glatten Asphaltstraßen durch den Tiergarten dem Osten Berlins zu.

Und Lossen erzählte leise, – von seinen Enttäuschungen, von dem Ringen ums tägliche Brot, dem Tode seiner Eltern, die nie damit einverstanden gewesen waren, daß ihr einziges Kind Kunstmaler wurde.

Blendel schwieg und ließ den anderen sich das Herz einmal freireden.

Dann hielt der Kraftwagen in einer engen Seitenstraße in der Nähe des Stadtbahnhofs Tiergarten vor einem zweistöckigen Hause, das alles andere als vornehm aussah, – mehr wie ein wegen Baufälligkeit leerstehender altehrwürdiger Steinkasten.

„Ist das das Klubgebäude?“ fragte Lossen erstaunt. Er hatte von einem Klub der Fünfzig noch nie etwas gehört.

Wieder lachte der Baron laut heraus, sagte aber nichts, bezahlte den Chauffeur und schritt auf die verwitterte Haustür zu, die er dann mit einem Schlüssel öffnete, den er an silberner Kette in der Beinkleidertasche trug.

In dem kahlen Flur brannte eine Gaslampe mit halb zerbrochenem Stumpf. Links lief ein Gang nach dem Hofe zu, rechts führte eine verwahrloste Treppe in die oberen Stockwerke.

In den Gang mündeten ein paar Türen. Gelächter, Gläserklirren und die Töne eines nicht gerade erstklassigen Klaviers schalten aus den Erdgeschoßzimmern hervor.

  …

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