Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 4

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 4 – Albert Berg

Die preußische Ostasien-Expedition, auch als “Eulenburg-Expedition” bekannt, war eine diplomatische Mission, die Friedrich Albrecht zu Eulenburg im Auftrag Preußens und des Deutschen Zollvereins in den Jahren 1859-1862 durchführte. Ihr Ziel war es, diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu China, Japan und dem damaligen Siam aufzubauen. Die wichtigsten Teilnehmer der Expedition waren Friedrich Albrecht zu Eulenburg, Lucius von Ballhausen (Arzt), Max von Brandt (Attaché), Wilhelm Heine (Maler), Albert Berg (Künstler), Karl Eduard Heusner, Fritz von Hollmann, Werner von Reinhold, Ferdinand von Richthofen und Gustav Spiess. Der Expedition standen drei Kriegsschiffe des preußischen Ostasiengeschwaders zur Verfügung, die SMS Arcona, die SMS Thetis und die SMS Frauenlob. Dies ist Band vier von vier der Aufzeichnungen zu dieser Expedition. Der Text folgt den Originalausgaben, die zwischen 1864 und 1873 erschienen, wurde aber in wichtigen Wörtern und Begriffen der heute aktuellen Rechtschreibung angepasst.

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 4

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 4.

Format: Paperback, eBook

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 4.

ISBN: 9783849665784 (Paperback)
ISBN: 9783849662295 (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

XIV. REISE DER ARKONA VON WU-SON NACH DER PEI-HO-MÜNDUNG.

 

VOM 23. BIS 29. APRIL.

Am Morgen des 23. April lichtete Arkona bei milder Luft die Anker und dampfte langsam den Fluss hinab. Die Fregatte Svetlana, welche eben aus Nagasaki eingetroffen war, grüßten wir vorübergleitend mit der russischen Hymne; die an Deck aufgestellte Mannschaft dankte mit abgenommenen Mützen; vorn stand der Geistliche, eine hohe Gestalt mit langem weißem Bart und faltigem Talar. Der Fluss lag dicht voll Dschunken, großenteils mit Bambus beladen, der ihnen, in dicken Bündeln außenbords befestigt, große Breite gab. Mühsam wand Arkona sich durch, konnte aber nicht vermeiden, einem Chinesen den Vordermast wegzuputzen, der krachend ins Wasser fiel. Bald gelangten wir in den Jangtse und nun ging es schneller; die Mündung machen jedoch veränderliche Sandbänke gefährlich. Gegen drei passierte Arkona das auf der Barre liegende Leuchtschiff und konnte den chinesischen Lotsen entlassen; erst abends gelangte sie in klares Wasser und steuerte noch eine Weile östlich, dann nördlich. Um acht Uhr wurde die Schraube ausgehoben; wir segelten bei günstigem Südwest neun Knoten. Es war empfindlich kalt, so dass man Winterkleidung anlegen musste.

Am folgenden Morgen starb der Wind fort und wir dampften wieder. Es war Bußtag, der mit Gottesdienst begangen wurde. Das Wetter, morgens neblig, dann regnerisch, klärte sich später auf, und der 25. April war schön. Viele Dschunken belebten das Meer: die Sonne schied, durch Strahlenbrechung zu wunderlichem Gebilde verzerrt, in glühender Pracht.

Am 26. April kam bei Tagesgrauen Kap Šan-tun in Sicht, das wir, in den Golf von Pe-tši-li einbiegend, gegen fünf Uhr morgens umschifften. Die Fahrt ging westlich, die schroffe Felsküste entlang. Gegen zwei Uhr nachmittags gewahrte man nah dem Lande drei Schiffe: das französische Transportschiff Calvados, das Schanghai kurz vor der Arkona verließ, war hier gestrandet, von zwei Dampfern aber wieder flott gemacht worden, und hielt mit diesen jetzt gleich uns auf Tši-fu los. Wir hatten wegen der dunstigen Luft keine sichere Längen-Observation, der Meereshorizont zeigte die sonderbarsten Unebenheiten: bald wellenförmig, bald geradezu bergan laufend brach die Linie plötzlich senkrecht ab, um tiefer wieder anzusetzen; die Küsten reckten und hoben sich fratzenhaft in unruhig wechselnder Verschiebung. Das wunderlichste Phänomen der Strahlenbrechung gewährten aber jene drei Schiffe: sie verschwanden plötzlich vor unseren Augen und tauchten wieder auf; dann schob sich der Meereshorizont mit zwei Schiffen in die Höhe; sie standen wie auf einem Berge, während das dritte in der Tiefe blieb; dann senkte sich die Meereslinie wieder, die Masten blieben in der Luft stehen und der Rumpf der beiden Schiffe schwoll so ungeheuerlich, dass sie Türmen glichen, die allmählich einsanken, während nun die Untermasten wuchsen. Nach einigen Minuten hatte Alles seine natürliche Gestalt. 1)

Da die Reede von Ta-ku ein schlechter Ankerplatz für größere Kriegsschiffe, auch die Proviantierung unsicher ist, so lief Kapitän Sundewall Tši-fu an, um die Vorteile dieses Hafens kennen zu lernen. Der Namen bezeichnet streng genommen nur das Felsenkap, das, am Ende einer flachen Landzunge in schroffen Wänden aus dem Meere steigend, mit einigen Felsinseln die Bucht gegen Meeresschwall und nördliche Winde schützt. Die im Halbkreis gelagerte Stadt heißt bei den Chinesen Džen-tai; die Fremden haben jedoch den Namen Tši-fu auf die ganze Örtlichkeit übertragen und kennen auch die Stadt nur unter dieser Bezeichnung. Von den Kriegen und Aufständen der letzten zwanzig Jahre unberührt, genoss sie blühenden Wohlstandes; mehrere fremde Schiffe hatten ihre Ladung mit Vorteil gegen klingendes Silber verkauft, und der Handel bot so günstige Aussichten, dass die Fremden Tši-fu dem in der Nähe gelegenen Tan-tšau vorzogen, das in den Verträgen dem Handel freigegeben war. Die Bucht ist geräumig und sicher, der Ankergrund vortrefflich.

Nachdem Arkona gegen drei Uhr nachmittags Anker geworfen, fuhren Graf Eulenburg und seine Begleiter an das Land und erstiegen zunächst eine östlich der Stadt gelegene Höhe. Am Abhang blühten Veilchen und ein fliederartiger Strauch; die Spitze krönt burgartiges Gemäuer. Man blickte auf die am Strande gelagerte, von grünen Gefilden umgebene Stadt, vor welcher die Ebbe breite Wasserlachen stehen ließ; malerische Dschunken lagen kreuz und quer auf dem grünen Seetang wie auf einer Wiese gestrandet, im Hafen eine ganze Flotte von Chinesen und fremde Kriegs- und Handelsschiffe; dahinter die Klippeninseln, Kap Tši-fu und das hohe Meer, auf der Landseite ein duftiger Kranz steiler Felsgebirge.

Der Stadt, welche seit dem Kriege französische Garnison hatte, sah man ihren Wohlstand kaum an: breite öde Straßen fast ohne Kaufläden, die Häuser zwar massiv aus dem anstehenden Granit, aber so roh und ungeschickt gebaut, wie in China selten vorkommt. In offenen Buden hielten Krämer ihre Ware feil, unter der uns auch hier die bunten Wiener Streichholzbüchsen entgegen lachten. An Viktualien sah man Birnen, Wallnüsse, gutes Weizenbrot, lebende Waldschnepfen und Trappen. Einige Gassen sind mit Quadern gepflastert; am Hauptplatz steht ein reinlich gehaltener Tempel, gegenüber ein Theater, vielmehr eine Bühne mit geschnörkeltem Dachfirst, denn den Zuschauerraum bildet die Straße. Es war gerade Vorstellung. Die Musiker begleiteten, im Grunde der Szene sitzend, das Stück bald mit Becken und Zimbeln, bald auf einer Art Dudelsack. Die Schauspieler entwickelten das herrlichste Pathos und illustrierten ihre näselnde Rezitation mit mörderischen Fratzen und gymnastischer Action, wobei viel Fahnen und Schwerter geschwenkt wurden. In einer Szene hielten zwei Männer eine blaue durch weiße Markierung der Steinfugen zur Burgmauer gestempelte Leinwand. Dahinter traten die Handelnden auf Stühle: der schwerbedrängte Burgherr klagte sein Weh in schneidenden Trillertönen. Dann erschien vor der Mauer ein aufgeputzter Held mit Trabanten, der mit dem ganzen Leibe gestikulierte und in graziöser Wut seinen Bart strich. Er ließ sich einen Bogen reichen und schoss einen Pfeil nach der Burgmauer, worauf einer von der Besatzung herunterplumpte. Da warf der Burgherr einen Stein nach dem feindlichen Heere, das entsetzt von dannen floh. — Die chinesische Bühnenkunst hat den Vorzug, dass sie in keiner Richtung Nachahmung der Wirklichkeit, nicht einmal Wahrscheinlichkeit anstrebt: nicht nur Kostüm und Dekoration, sondern auch Mimik und Sprache, Alles ist Maske und Konvenienz. Gewiss lässt sich auch in diesem gemachten, durchweg übertriebenen Ausdruck der Affekte künstlerische Kraft entwickeln; dem Fremden aber, der die Sprache nicht versteht, muss Alles lächerlich scheinen.

Ein Spaziergang vor der Stadt führte uns durch üppige Getreidefelder; dort standen Kiefern, der Meerpinie ähnlich, und prächtige Weidenbäume, die eben die jungen Blätter aufrollten. — Gegen sechs Uhr kehrte der Gesandte an Bord zurück, wo der Kommandeur und einige Offiziere der französischen Fregatte Andromaque seinen mittagstisch teilten.

Am Morgen des 27. April salutierte die englische Korvette Odin den Kommodore aus der Ferne mit dreizehn, die Andromaque den Gesandten mit neunzehn Schüssen. Arkona erwiderte die Grüße, lichtete um halb zehn die Anker und dampfte der Pei-ho-Mündung zu. Die glatte See spiegelte warm den tiefblauen Himmel, als wir gegen vier Uhr nachmittags dem Admiral Sir James Hope auf der englischen Korvette Scout begegneten. Beide Schiffe drehten bei; Graf Eulenburg sandte dem Admiral seine Post, die er aus Schanghai mitgenommen hatte. Arkona salutierte und Scout antwortete; beide Schiffe lagen in dichten Pulverdampf gehüllt, bis sie weiter fuhren. Auf einem Vorgebirge standen Tausende Chinesen, die wohl eine Seeschlacht zu sehen glaubten. — abends wurde es neblig und sehr dunkel.

Am 28. April mittags ergaben die Lotungen, dass man sich der Küste näherte; um zwei Uhr wurde am westlichen Horizont durch das Fernrohr ein Streifen niedrigen Landes sichtbar, das eben so wenig wie eine Flotte davor ankernder Dschunken zur Orientierung dienen konnte. Da tauchten — auf einen Augenblick — nördlich die Masten europäischer Schiffe auf; im nächsten befanden wir uns in einer dichten Staubwolke. Die Luft färbte sich dunkelgelb, ins Rote spielend; die Sonne, eine glänzendblaue, strahlenlose Scheibe, warf silberne Glitzer auf die spitzen gelbgrünen Wellen. Es war einer der in dieser Jahreszeit so häufigen Staubstürme, ein Vorschmack der uns in Tientsin winkenden Genüsse. In wenig Minuten bedeckte sich das Schiff mit einer so dicken Kruste des feinsten Staubes, als wenn es Tage lang auf trockener Landstraße gefahren wäre. In dichte Wolken gehüllt warf man Anker vor der Pei-ho-Mündung, etwa zwölf Seemeilen vom Lande. Der Flaggenleutnant Graf Monts fuhr nachmittags mit dem russischen Fähnrich Herrn Markianowitsch nach dem Kanonenboot Rasboynik, welches Kommodore Likhatschoff dem Gesandten für die Fahrt auf dem Pei-ho zur Verfügung stellte.

Fußnoten:

1) Der Verfasser hat das sonderbare Phänomen auf dem Fleck beschrieben und von Minute zu Minute die Veränderungen gezeichnet.

 

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