Jüdische Altertümer, Band 2

Jüdische Altertümer, Band 2 – Flavis Josephus

Eines der Hauptwerke des Flavius Josephus sind seine zwanzig Bände der “Jüdischen Altertümer”, die im letzten Jahr der Herrschaft des Kaisers Flavius Domitian, etwa 93 oder 94 n. Chr., fertiggestellt wurden. Indem er die jüdische Geschichte, das Gesetz und die Sitten darlegt, nimmt er Anteil an vielen philosophischen Debatten , die zu dieser Zeit in Rom geführt wurden. Wiederum bietet er eine Apologie für die Antike und die universelle Bedeutung des jüdischen Volkes. Josephus behauptet, er schreibe diese Geschichte, weil er “sah, dass andere die Wahrheit in ihren Schriften verdrehten”. Zu einigen seiner Quellen sagt er, dass er aus den hebräischen Schriften schöpfte und diese auslegte, und dass er Augenzeuge der Kriege zwischen den Juden und den Römern war. Flavius skizziert die jüdische Geschichte, beginnend mit der Schöpfung, wie sie durch die jüdische historische Tradition überliefert wurde. Abraham lehrte die Ägypter die Wissenschaft, die ihrerseits die Griechen unterrichteten. Moses gründete eine senatorische Priesteraristokratie, die sich wie die römische der Monarchie widersetzte. Die großen Gestalten des Tanach werden als ideale Philosophen-Führer dargestellt. In einem autobiografischen Anhang verteidigt er sein Verhalten am Ende des Krieges, als er mit den römischen Truppen zusammenarbeitete. Der Text folgt der Übersetzung von Heinrich Clementz, die Paragraphenzählung des Benedikt Niese wurde eingearbeitet. Dies ist Band zwei von zwei.

Jüdische Altertümer, Band 2

Jüdische Altertümer, Band 2.

Format: Paperback, eBook

Jüdische Altertümer, Band 2.

ISBN: 9783849665845 (Paperback)
ISBN: 9783849662356 (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Erstes Kapitel.

Wie der Perserkönig Cyrus die Juden aus Babylon in ihre Heimat entliess, ihnen den Tempel wieder aufzubauen gestattete und ihnen Geldmittel dazu gab.

(1.) 1 Im ersten Jahre der Regierung des Cyrus, dem siebzigsten seit der Überführung unseres Volkes nach Babylon, erbarmte sich Gott der Gefangenschaft und der Drangsal, welche jene Unglücklichen ertragen mussten, wie er ihnen durch den Seher Jeremias vorhergesagt hatte, ehe die Stadt zerstört wurde: 2 nachdem sie Nabuchodonosor und seinen Nachfolgern als Knechte gedient und diese Sklaverei siebzig Jahre lang erduldet hätten, werde er sie wieder in ihr Heimatland zurückführen, damit sie den Tempel aufbauen und ihr früheres Glück wiedergewinnen könnten. 3 Dieser Verheissung getreu bewog Gott den Cyrus, in ganz Asien ein Rundschreiben zu erlassen folgenden Inhalts: „Also spricht der König Cyrus: Da mich der allmächtige Gott zum Könige des Erdkreises gemacht hat, glaube ich, dass er es ist, den das Volk der Israëliten anbetet. 4 Er hat durch die Propheten meinen Namen vorhersagen und verkündigen lassen, dass ich seinen Tempel zu Jerusalem im Lande Judaea wieder aufbauen würde.“

(2.) 5 Das hatte der König erfahren bei der Lesung des Buches der Weissagungen, welches Esaïas zweihundertzehn Jahre früher geschrieben hatte. Dieser verkündete nämlich, Gott habe ihm insgeheim offenbart: „Ich will, dass Cyrus, den ich zum Könige über viele und grosse Völkerschaften gemacht habe, mein Volk in sein Heimatland zurücksende und meinen Tempel wieder aufrichte.“ 6 So prophezeite Esaïas einhundertvierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels. Als Cyrus es gelesen hatte, bewunderte er Gottes Vorsehung und ward von regem Eifer erfüllt, dasjenige auszuführen, was geschrieben stand. Er liess daher die vornehmsten Juden in Babylon zusammenkommen und sagte ihnen, er gebe ihnen die Erlaubnis, in ihr Vaterland zurückzukehren, um die Stadt Jerusalem und den Tempel Gottes wieder aufzubauen. 7 Gott selbst werde sie dabei unterstützen; er aber wolle seinen Beamten und Satrapen in den an das Land der Juden grenzenden Provinzen schreiben, dass sie ihnen Gold und Silber zum Tempelbau wie auch Vieh zu den Opfern lieferten.

(3.) 8 Als Cyrus den Israëliten diese Erlaubnis gegeben, machten sich die Oberhäupter der beiden Stämme Judas und Benjamin sowie die Leviten und Priester sogleich auf den Weg nach Jerusalem. Viele jedoch blieben in Babylon, weil sie ihr Besitztum nicht verlassen wollten. 9 Als nun die vorerwähnten Juden in Jerusalem ankamen, leisteten ihnen alle Freunde des Königs Hilfe und lieferten ihnen zur Erbauung des Tempels teils Gold und Silber, teils eine ungeheure Anzahl Pferde und anderes Vieh. Da brachten sie Gott ihre Gebete dar und schlachteten nach alter Gewohnheit Opfertiere, als wenn die Stadt schon wieder aufgebaut wäre und die alte Pracht des Gottesdienstes wieder aufleben sollte. 10 Cyrus sandte ihnen hierauf auch die heiligen Geräte zurück, die der König Nabuchodonosor aus dem geplünderten Tempel nach Babylon gebracht hatte. 11 Diese übergab er seinem Schatzmeister Mithradates mit dem Auftrage, sie an Abassar auszuliefern, der sie bis zur Vollendung des Tempels aufbewahren und dann den Priestern und Vorstehern des Volkes zur Aufstellung im Tempel aushändigen sollte. 12 Ferner sandte Cyrus an seine Satrapen in Syrien ein Schreiben folgenden Inhalts: „Der König Cyrus an Sisinas und Sarabasanas. Ich habe den Juden, welche dazu Lust tragen, gestattet, in ihr Vaterland zurückzukehren und ihre Stadt sowie den Tempel Gottes zu Jerusalem auf derselben Stelle wieder aufzubauen, wo er früher gestanden hat. 13 Meinen Schatzmeister Mithradates und den Vorsteher der Juden Zorobabel habe ich entsandt, um die Fundamente zum Tempel zu legen und ihn in der Höhe und Breite von sechzig Ellen zu erbauen, indem sie je drei Lagen von geglättetem Marmor und eine Lage Holz von Bäumen des Landes selbst aufschichten, sowie auch den Altar zur Darbringung von Opfern zu errichten. 14 Die gesamten Baukosten will ich aus meinen Mitteln bestreiten. Die Geräte, welche der König Nabuchodonosor einst aus dem Tempel geraubt hat, habe ich meinen Schatzmeister Mithradates und dem Vorsteher der Juden, Zorobabel, übergeben, um sie nach Jerusalem zu bringen und im Tempel Gottes wieder aufzustellen. 15 Deren Anzahl ist folgende: Fünfzig goldene und fünfhundert silberne Schüsseln, vierzig goldene und fünfhundert silberne Becher, fünfzig goldene und fünfhundert silberne Krüge, dreissig goldene und dreihundert silberne Opferschalen, dreissig goldene und zweitausendvierhundert silberne Opferteller, sowie eintausend andere Gefässe. 16 Auch bewillige ich den Juden dieselben Rechte, welche ihre Vorfahren hatten. Für Vieh, Wein und Oel gewähre ich ihnen zweihundertfünftausendfünfhundert Drachmen, ferner zwanzigtausendfünfhundert Artaben[1] Weizenmehl, und befehle, dass alles dies aus dem Steueramte in Samaria zu entnehmen ist. 17 Die Opfer sollen die Priester zu Jerusalem nach moysaischem Ceremoniell darbringen und beim Opfer für das Heil des Königs und seines Hauses zu Gott flehen, damit das Reich der Perser lange bestehen möge. Wer diesem meinem Befehle nicht Folge leistet und ihn übertritt, der soll ans Kreuz geschlagen werden, und seine Besitzungen sollen dem königlichen Schatze verfallen sein.“ 18 Das war der Inhalt des Briefes. Derer aber, die nach Jerusalem zurückkehrten, waren zweiundvierzigtausendvierhundertzweiundsechzig.

 

Zweites Kapitel.

Wie die Chuthäer und Satrapen die Juden am Tempelbau hinderten, und wie nach Cyrus’ Tod Kambyses denselben ganz untersagte.

(1.) 19 Während man nun die Fundamente zum Tempel legte und allen Eifer auf den Bau verwandte, baten die benachbarten Völkerschaften und besonders die Chuthäer, die der Assyrierkönig Salmanasar nach Wegführung des Volkes der Israëliten in die Gefangenschaft aus Persien und Medien nach Samaria verpflanzt hatte, die Satrapen und die Bauleiter, sie möchten die Juden an der Wiederaufrichtung der Stadt und des Tempels hindern. 20 Diese liessen sich auch durch Bestechung mit Geldgeschenken dazu verleiten, den Chuthäern zu Gefallen die Juden mit Gleichgiltigkeit zu behandeln und den Tempelbau sehr nachlässig zu betreiben. Cyrus hatte davon keine Kenntnis, da er mit Feldzügen beschäftigt war. Auf einem derselben, den er gegen die Massageten unternahm, fand er seinen Tod. 21 Als nun sein Sohn Kambyses den Thron bestiegen hatte, schrieben die Syrer, Phoeniker, Ammaniter, Moabiter und Samariter einen Brief folgenden Inhalts an ihn: 22 „Deine Knechte, o Herr, Rathymus der Kanzler, Semelius der Schreiber, und die Vorsteher des phoenicischen und syrischen Rates. Du musst wissen, o König, dass die Juden, welche nach Babylon weggeführt waren, in unser Land gekommen sind, um die verräterische und ruchlose Stadt wieder aufzubauen, ihre Plätze wiederherzustellen, die Mauer wieder zu errichten und den Tempel zu bauen. 23 Wenn das alles vollendet ist, werden sie dir weder Tribut zahlen noch deinen Befehlen Folge leisten, sondern sich zum Widerstand rüsten und lieber selbst herrschen, als dienen. 24 Da nun der Tempelbau bereits im Gange ist, haben wir es für gut gehalten, an dich zu schreiben, o König, und es nicht unterlassen wollen, dich zu bitten, die Geschichte deiner Vorfahren nachzusehen. Du wirst darin finden, dass die Juden wie auch ihre Stadt, die ebendeswegen zerstört worden ist, aufrührerisch und gegen die Könige höchst feindselig sich benahmen. 25 Auch wollen wir dir nicht verhehlen, dass, wenn die Stadt wieder aufgebaut und mit Mauern umgeben ist, du von Coelesyrien und Phoenicien abgeschnitten sein wirst.“

(2.) 26 Als Kambyses den Brief gelesen hatte, geriet er, da er von Charakter jähzornig war, über dessen Inhalt in Wut und schrieb also zurück: „Der König Kambyses an den Kanzler Rathymus, an Belsemus, an den Schreiber Semelius und Genossen, sowie an alle Einwohner von Samaria und Phoenicien. 27 Nachdem ich euren Brief gelesen, habe ich die Geschichte meiner Vorfahren durchsehen lassen und gefunden, dass diese Stadt stets gegen die Könige feindlich gesinnt gewesen ist, dass ihre Bewohner Aufruhr und Krieg angezettelt, und dass ihre Herrscher mächtige und strenge Könige waren, die von Coelesyrien und Phoenicien Tribut erhoben haben. 28 Ich befehle daher, den Juden die Erbauung der Stadt zu wehren, damit ihre empörerische Gesinnung, die sie bisher stets zum Schaden der Könige bewiesen haben, nicht noch grösser werde.“ 29 Als der Inhalt dieses Briefes vorgelesen war, stiegen Rathymus, der Schreiber Semelius und deren Amtsgenossen zu Pferde, eilten nach Jerusalem, versammelten dort das Volk und wehrten den Juden den Bau des Tempels und der Stadt. 30 So wurde der Bau neun Jahre lang unterbrochen bis zum zweiten Jahre der Regierung des Perserkönigs Darius. Kambyses starb nach sechsjähriger Regierung, als er von einem Kriegszuge gegen Aegypten, das er unterjocht, zurückkehrte, in Damaskus.

 

Drittes Kapitel.

Wie nach dem Tode des Kambyses Darius zur Regierung kam, und wie Zorobabel, weil er in der Lösung schwieriger Fragen seine Genossen übertraf, von ihm die Erlaubnis zum Wiederaufbau des Tempels erhielt.

(1.) 31 Nachdem die Mager, welcher nach dem Tode des Kambyses ein Jahr lang die Herrschaft innehatten, aus dem Wege geräumt waren, erwählten die Oberhäupter der sogenannten sieben Häuser der Perser Darius, den Sohn des Hystaspes, zum Könige. Als dieser noch Privatmann war, hatte er Gott gelobt, wenn er die Königswürde erhielte, alle heiligen Gefässe, die sich noch in Babylon befänden, an den Tempel zu Jerusalem zurücksenden zu wollen. 32 Um diese Zeit kam aus Jerusalem zu Darius Zorobabel, der zum Vorsteher der Juden in der Gefangenschaft ernannt worden war. Diesen verband mit dem Könige eine alte Freundschaft, und so kam es, dass er nebst zwei anderen die Ehrenstelle eines königlichen Leibwächters erhielt.

(2.) 33 Im ersten Jahre seiner Regierung lud Darius seine nähere Umgebung, die Beamten seines Hauses, die Fürsten der Meder, die persischen Satrapen, die Statthalter von Indien bis nach Aethiopien hin und die militärischen Befehlshaber der hundertsiebenundzwanzig Satrapien zu einem glänzenden Prunkmahle ein. 34 Als man nach reichlichem Schmause sich trennte und jeder sein Quartier aufgesucht hatte, begab sich auch Darius zu Bett, wachte aber nach kurzem Schlummer auf und fing, da er keinen Schlaf mehr finden konnte, mit seinen drei Leibwächtern ein Gespräch an. 35 Dabei versprach er, er wolle demjenigen von ihnen, der ihm die beste und scharfsinnigste Antwort auf eine Frage geben würde, zum Lohne die Erlaubnis erteilen, dass er ein Purpurgewand tragen, aus goldenem Becher trinken, in goldenem Bette schlafen, in goldgeschirrtem Wagen fahren, eine Kopfbedeckung von Byssus und eine goldene Halskette tragen, und um seiner Weisheit willen neben ihm sitzen dürfe. Auch wolle er ihn als seinen Verwandten betrachten. 36 Nachdem er ihnen solche Belohnungen in Aussicht gestellt hatte, fragte er den ersten, ob der Wein am gewaltigsten sei, den zweiten, ob die Könige, den dritten, ob die Weiber die meiste Macht hätten, oder ob die Wahrheit gewaltiger sei als alle drei. 37 Alsdann begab er sich zur Ruhe. Am Morgen liess er seine Grossen, die Satrapen und die Statthalter von Persien und Medien zusammenkommen, nahm auf seinem Throne Platz und befahl jedem seiner Leibwächter, vor versammeltem Hofstaat über die ihm vorgelegte Frage seine Meinung zu äussern.

(3.) 38 Da begann der erste von der Gewalt des Weines zu reden und lobte ihn folgendermassen: „Ihr Männer, ich soll die Macht des Weines schildern, und ich beweise euch, dass er alles übertrifft. 39 Er umnebelt und bethört nämlich den Sinn derer, die ihn trinken, macht die Könige den Waisen und Dürftigen gleich, löst die Zunge des Knechtes dem Freien gegenüber und stellt den Armen mit dem Reichen auf eine Stufe. 40 Die Seele wandelt er um und verleiht ihr neue Kraft. Den Unglücklichen nimmt er ihre Traurigkeit, lässt den Schuldner seine Schuld vergessen und macht, dass er sich für den reichsten Menschen hält, sodass er nicht mehr von Kleinigkeiten, sondern nur noch von Talenten und allem anderen, was glückselig macht, redet. 41 Er lässt Fürsten und Könige ihre Würde vergessen und tilgt selbst das Andenken an Freunde und Verwandte. Den Menschen bringt er auf gegen seine Lieben, als wenn sie ihm wildfremd wären. 42 Ist man aber nüchtern geworden und hat man den Weinrausch in der Nacht verschlafen, so erhebt man sich, ohne noch etwas von dem zu wissen, was man im Taumel gethan. Daraus ziehe ich den Schluss, dass der Wein der allmächtigste Herrscher ist, und nichts ihn an Gewalt übertrifft.“

 

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