Kleinere Schriften

Kleinere Schriften – Francis Bacon

Francis Bacon, auch bekannt als Lord Verulam, war ein englischer Philosoph und Staatsmann, der seinem Land als Justizminister und Lordkanzler diente. Seine Werke gelten als Beitrag zur wissenschaftlichen Methodik und blieben auch in den späteren Phasen der wissenschaftlichen Revolution einflussreich. Er war gegen die Zersplitterung des Christentums, da er glaubte, dass diese letztlich zur Entstehung des Atheismus als vorherrschende Weltanschauung führen würde. In diesem Werk finden sich nicht nur seine achtundfünfzig Essays, die wohl jeder Engländer mindestens einmal in seinem Leben gelesen haben dürfte, sondern auch das Werk “Die Weisheit der Alten”, in denen Bacon einunddreißig uralte Fabeln neu erzählt und davon ausgeht, dass sie verborgene Lehren zu verschiedenen Themen wie Moral, Philosophie, Religion, Zivilisation, Politik, Wissenschaft und Kunst enthalten. Abgerundet wird das Werk durch seine “Apophthegmata”, einer Sammlung neuer und alter Anekdoten.

Kleinere Schriften

Kleinere Schriften.

Format: eBook/Taschenbuch.

Kleinere Schriften.

ISBN eBook: 9783849662189

ISBN Print: 9783849665678

 

Auszug aus dem Text:

 

Lord Bacons Leben und Wirken.

 

Dem Umstande, dass der Name Francis Bacon nicht an irgendeine folgenreiche Erfindung oder glänzende Entdeckung auf einem besonderen wissenschaftlichen Gebiete geknüpft ist, muss es zugeschrieben werden, dass bis heute noch das Gedächtnis dieses großen Mannes mehr auf die Gelehrtenkreise beschränkt geblieben, als in die weiteren Schichten der gebildeten Welt eingedrungen ist. Und doch sind seine Verdienste um die Nachwelt von solchem Umfange, sein Wirken im Reiche des Geistes von solcher Tragweite, dass wir wohl berechtigt sind, ihn den größten Wohltätern der Menschheit beizuzählen; denn er ist es, der zuerst der Welt die Notwendigkeit zur Erkenntnis brachte, und die Arbeit seines ganzen Lebens für die Verbreitung dieser Erkenntnis einsetzte, dass das unabsehbare Feld der Wissenschaften, welches zu seiner Zeit bereits in eine öde Wildnis maß- und inhaltlosester Disputierkunst ausgeartet war, in einen fruchtbaren Acker umgewandelt werden müsse, dessen voraussichtlich unerschöpflicher Ertrag dem Dienste der Menschheit nutzbar zu machen sei, sollte diese nicht in einen Zustand völliger Barbarei zurückversinken. Es war freilich eine glorreiche Zeit, da die großen Denker des Altertums die Welt mit jener unendlichen Fülle erhabenster Geisteswerke beschenkten, welche noch heutzutage das Staunen und die Bewunderung jedes denkenden Lesers erwecken, und in der Tat unvergänglich fortleben müssen, solange gebildete Völker die Erde bewohnen werden; aber welche Früchte waren nach einem Zeitraum von zweitausend Jahren aus allen jenen vielverheißenden Blüten zur Reife gelangt, welcher Nutzen war der Menschheit aus allen ihren philosophischen Systemen, ihren moralischen und politischen Lehren erwachsen? Hatte das Studium ihrer Werke die Menschen gebildeter und besser, die Könige weiser und gerechter, die Untertanen glücklicher gemacht? Keineswegs: nach dem Untergange der alten Welt hatten Mönchs- und Priestertum sich ihres Wissens bemächtigt, und wie deren beschauliche Lebens- und Denkweise und ihre Abgeschiedenheit von der Welt sie vorzugsweise auf abstrakte Spekulationen hinwies, so war Nichts natürlicher, als dass sie gerade dieser Seite der alten Weltweisheit eine ausschließliche Ausbildung widmeten. Denn das Ziel und Streben der Philosophien des Altertums, auf deren Grundlage nunmehr alle spätere Philosophie sich weiter entwickelte, war lediglich auf die Vervollkommnung des menschlichen Geistes, die Verherrlichung der Tugend und die verschiedenartigen Wege zu ihrer Aneignung gerichtet gewesen, während die Erforschung der Natur nicht allein kaum einige Berücksichtigung erfuhr, sondern sogar von Vielen für eine des wahren Philosophen unwürdige Beschäftigung galt. Nur in das Innere des Menschen zu blicken verlohnte sich der Mühe; die Dinge außer ihm, und die Erkenntnis seiner Beziehung zu ihnen lagen außer dem Bereich der Betrachtung eines Weisen. Man glaubte, durch die Vollkommenheit des geistigen Ichs, welches als der Angelpunkt des Weltalls angesehen ward, die äußere Natur bezwingen, sich, so zu sagen, über sie hinwegsetzen zu können, wie z. B. die Stoiker den körperlichen Schmerz für kein wirkliches Übel hielten: kein Wunder also, dass diese Überhebung endlich dahin führen musste, dass die abstrakten Philosophien der alten Zeit, so sehr sie auch geeignet waren, einzelne Menschen zu einer bewundernswerten geistigen Größe emporzuheben, sich doch als gänzlich unfähig erwiesen, zur Veredlung und Verschönerung der materiellen Genüsse des Daseins durch die Beherrschung und Nutzbarmachung der Naturkräfte irgend Etwas beizutragen.

Jene idealste Philosophie Platos, welche sich zwar in die höchsten Regionen menschlichen Denkens aufzuschwingen verstand, vermochte doch Nichts zur Verwirklichung eines Staats, dessen Zweck er in der Gemeinschaft tugendhafter, von den Weisesten (Philosophen) regierten Menschen erkannte. Ja, selbst sein größter Schüler und späterer Gegner, der bei weitem kenntnisreichere und praktischere Aristoteles, der die geheimen Triebfedern menschlichen Handelns weit besser ans Licht zu ziehen und zu beurteilen wusste als sein Vorgänger, und dessen Autorität noch bis ins späteste Mittelalter unerschütterlich feststand, hielt die Bildung der damaligen Welt für so weit vorgeschritten, dass ihm die Möglichkeit fernerer Erfindungen fast ausgeschlossen erschien. Mit welchem Staunen sähe er wohl die Riesenfortschritte der Neuzeit auf dem Gesamtgebiete der Industrie, die täglich sich mehrenden großartigen Entdeckungen in allen möglichen Zweigen der Naturwissenschaften, denen kein Stillstand mehr geboten, kein Ziel mehr gesetzt werden kann! So groß und weitreichend aber auch sein Einfluss auf die Denkrichtung aller späteren Jahrhunderte gewesen ist, so war es doch endlich notwendig geworden, der Wissenschaft einen neuen Ausgangspunkt anzuweisen, den alten Autoritätsglauben zu stürzen, und den Schatz aller erworbenen Kenntnisse wieder auf seine Urquellen zurückzuführen. Denn die strahlende Weisheit der Griechen, welche sich, wie bemerkt, aus den Trümmern der alten Welt in die Mönchsklöster des Mittelalters gerettet hatte, unter deren Pflege sie sich allmählich zu einem Chaos abgeschmacktester Streitfragen und spitzfindigster Disputationen der Scholastiker ausgebildet hatte, trug endlich nur noch die unbrauchbarsten Früchte, wie wir sie in der Alchemie, der Astrologie, dem Stein der Weisen, dem Lebenselixier und ähnlichen phantastischen Ausgeburten wiedererkennen, und so sehen wir denn auch den ganzen langen Zeitraum zweier Jahrtausende fast leer an nützlichen Erfindungen, und nur hier und da durchdringt meteorgleich der Stern eines großen Genius die allgemeine geistige Finsternis.

Aber schon hat die Verbreitung der Buchdruckerkunst begonnen mehr Licht in weitere Kreise zu bringen; die trägen Völkermassen erwachen und regen sich zu einem neuen Leben; die Reformation tritt ein, um den Druck, der auf den Geistern so schwer gelastet, zu heben. Bald fehlte es nicht mehr an bedeutenden Männern, deren hellerem Blick das fruchtlose Abmühen der damaligen Gelehrtenwelt nicht entging; häufigere und eindringlichere Stimmen erhoben sich nach einer Umgestaltung der herrschenden Zustände. Aber es hatte doch Niemand bis jetzt eine Methode zu einem neuen bessern Verfahren angegeben oder den richtigen Weg gezeigt, auf welchem wissenschaftliche Untersuchungen unternommen werden müssten, um zu praktischen Resultaten führen zu können. Dieses große Werk war Francis Bacon vorbehalten; ihm vor Allen haben wir es zu danken, dass die Naturwissenschaften in diejenigen Bahnen gelenkt worden sind, welche sie befähigten, die Höhe zu erreichen, die sie heute einnehmen, und in Wahrheit das Gemeingut der Menschheit genannt zu werden.

„Es ist nicht meine Meinung“, sagt er, „wie es von Sokrates hieß, die Philosophie vom Himmel auf die Erde herab zu holen, d. h. die Naturwissenschaft bei Seite zu setzen und alle Kenntnis nur auf Ethik und Politik anzuwenden. Da aber Himmel und Erde sich zum Nutzen und Wohle der Menschheit vereinigen und dazu beitragen, so sollte auch ihr Ziel sein, aus beiden Philosophien alle eitlen Spekulationen und was sonst darin inhaltlos und nichtig ist auszuscheiden und zu entfernen, dagegen das Wesentliche und Fruchtbare zu bewahren und zu vermehren.“

Man mag sich in der Tat darüber wundern, dass ein an und für sich so einfacher Weg, wie er ihn vorzeigte, nicht schon längst von scharfsinnigen und gelehrten Männern, deren es ohne Zweifel viele vor ihm gab, eingeschlagen worden war, denn sein Verfahren bestand eigentlich nur in der Einführung des empirischen Elements in alle Zweige der Wissenschaften, war lediglich auf die Anwendung des Grundsatzes, sowohl in der physischen als auch in der moralischen und sozialen Welt gebaut, dass die Erforschung und Erkenntnis der Natur nicht durch trügerische Deduktionen von ungeprüften Sätzen und Annahmen herrschender Autoritäten, sondern einzig und allein auf dem Wege zahlreicher, gründlicher und mit Verstand geleiteter und verfolgter Experimente, mittels deren sorgfältiger Vergleichung der Natur ihre Gesetze abgelauscht werden müssten, zu erreichen sei. Erwägt man jedoch nur die Macht alter festgewurzelter Vorurteile, mit denen selbst unser aufgeklärtes Zeitalter noch tagtäglich, und häufig genug vergebens, zu kämpfen hat, so wird man einräumen müssen, dass zu einer Zeit, wo die Naturwissenschaften, noch allzu sehr von religiösen oder biblischen Anschauungen durchdrungen, kaum etwas Anderes als einen Wust von Aberglauben und Unkenntnis genannt werden konnten; wo man gewohnt war, die überlieferten Autoritäten, je älter sie waren, mit desto größerer Ehrfurcht zu betrachten; wo jeder Versuch einer Neuerung Gefahr lief, als Ketzerei verschrien, und mit Gefängnis, Tortur, wenn nicht gar mit dem Tode bestraft zu werden; — dass, sage ich, zu solcher Zeit und unter solchen Verhältnissen es unendlich viel schwieriger war, und einen außerordentlichen Mut erforderte, an den alten Systemen, die wie verzogene Kinder gehätschelt wurden, zu rütteln, geschweige sie zu Falle zu bringen. Bacon hatte den Mut dies Unternehmen zu wagen, und wenn es ihm auch nicht vergönnt war, die Früchte seines Schaffens reifen zu sehen, so hatte er doch die Genugtuung, die allgemeine Anerkennung seiner Werke im In- und Auslande noch zu erleben, und konnte im Bewusstsein aus der Welt scheiden, den Anstoß zu einer unausbleiblichen Verbesserung der Zustände gegeben, und so ein seinen Mitmenschen nützliches Leben beschlossen zu haben.

Auch währte es nicht lange, bis das träge Räderwerk der Wissenschaften, von seinem Geiste angetrieben, in lebhaftere Bewegung geriet; und waren auch schon vor seinem Auftreten Männer wie Galilei, Kopernikus, Kepler, Harvey, Gilbert und Andere, durch die gleiche Forschungsmethode zu ihren erstaunlichen Resultaten geführt worden, so hat dieselbe doch vor Allem die glänzendste Rechtfertigung erfahren durch Newtons großartige Entdeckungen, womit Dieser den Reigen anführte, dem die Nachwelt von nun an unentwegt zu folgen gezwungen war. Bacons eigene Meinung von der Wirkung, welche die Anwendung seiner Methode auf die Wissenschaften ausüben würde, war in der Tat eine so hohe, dass er dem menschlichen Geiste die Unsterblichkeit ausgenommen – Nichts für unerreichbar hielt, und sich das Menschendasein der Zukunft, vermöge ihrer Unterwerfung der Natur unter ihren Willen als einen Aufenthalt in einem irdischen Paradiese träumte. Soweit wir jedoch noch von einem so begehrenswerten Zustande entfernt sind, so wird doch nicht geleugnet werden können, dass wir uns ohne Bacons segensreiches Wirken diesem Ideale noch weit mehr entrückt finden würden, als wir es heute sind, wo wir übrigens, ungeachtet der bereits gemachten ungeheuren Fortschritte, doch vielleicht erst an der Grenze ungeahnter Vervollkommnung stehen.

Wenden wir uns nun von der Betrachtung seines geistigen Wirkungskreises zu derjenigen seines Privat- und politischen Lebens, so ist es eine Sache tiefsten Bedauerns, dass Dies nicht auch mit dem Gefühle ungetrübten Beifalls geschehen kann. Viele seiner Handlungen, von Einigen entschuldigt, ja sogar in beredtester Weise verteidigt, haben doch das Verdammungsurteil Anderer auf ihn herabgerufen, und mag auch das herbe, absprechende Verdikt Macaulays über seinen Charakter nicht in seiner ganzen Ausdehnung berechtigt sein, so ist er doch auf der andern Seite von Schuld gewiss nicht freizusprechen. Allein um seiner großen Verdienste willen geziemt es sich, in seiner Beurteilung als Mensch den Standpunkt einzunehmen, den er selber in den Worten angedeutet hat: Was meinen Namen und mein Andenken betrifft, so gebe ich dieselben dem wohlwollenden Urteil der Menschen, dem Auslande und dem kommenden Zeitalter anheim.“ Wohlwollen aber ist nicht immer eine Charakteristik seiner Biographen gewesen.

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