Port Tarascon

Port Tarascon – Alphonse Daudet.

In der Satire “Port Tarascon”, der letzten Folge der Tartarin-Trilogie, beschreibt Daudet weitere Abenteuer seines Titelhelden, einer Mixtur aus Sancho Pansa und Don Quijote.

Port Tarascon

Port Tarascon

Format: eBook

Port Tarascon.

ISBN:  9783849652920

 

Auszug aus dem ersten Kapitel:

 

Es war ein Septembertag vor fünf oder sechs Jahren, ein Septembertag der Provence, und die Winzer kehrten von der Weinlese heim.

Von dem großen, mit zwei Camarguern bespannten Break aus, in dem wir, der Dichter Mistral, der älteste meiner Söhne und ich, in raschem Trabe auf den Expreßzug nach Tarascon fuhren, erschien uns dieser Abend göttlich schön, der in seiner blassen Glut mit seinem matten, fahlen, fieberhaften, leidenschaftlichen Licht an ein schönes Frauenangesicht aus der Provence erinnerte.

Kein Lüftchen rührt sich trotz unsrer raschen Fahrt. Der Straße entlang steht starr und steif das spanische Rohr mit seinen flachen, bandförmigen Blättern, und auf all diesen Feldwegen in ihrem schneeigen, fast gespenstischen Weiß, deren unbeweglicher Staub unter den Rädern knirscht, ziehen mit schwarzen – lauter schwarzen – Trauben beladene, zweiräderige Karren daher; – stumm und ernst schreiten die Burschen und Mädchen hinterdrein; alle groß, kräftig und schlank, mit langen Beinen und schwarzen Augen.

Schwarze Augen und schwarze Weinbeeren überall; man sah nichts andres in den Kufen und Bütten, unter den umgekrempelten Filzhüten der Winzer und unter den Kopftüchern, deren Zipfel die Mädchen mit den Zähnen festhielten.

Hier und dort erhebt sich am Wegrand ein Kreuz gegen den hellen Himmel, das an jedem seiner Arme eine schwere, schwarze, als Weihegeschenk aufgehängte Traube trägt.

»Sieh!« warf Mistral hin und wies gerührt, mit beinahe mütterlich stolzem Lächeln auf diese naiv heidnischen Kundgebungen seines provençalischen Volkes; dann nahm er seine Erzählung wieder auf, eines jener duftigen, goldschimmernden Märchen vom Ufer der Rhone, wie sie der Goethe der Provence ausstreut mit immer offenen Händen, deren eine voll Poesie, und deren andre voll Wirklichkeit ist.

O, der Zauber der Rede, o, die magische Uebereinstimmung der Stunde, der Umgebung und der stolzen, ländlichen Sage, die der Dichter vor uns entfaltete während der langen Fahrt auf dem schmalen, zwischen Olivenfeldern und Weinbergen dahinführenden Weg! Wie wohl war es mir zu Mute, wie hell und leicht schien mir das Leben!

Plötzlich umschleierten sich meine Augen, ein Angstgefühl schnürte mir das Herz zusammen. »Vater, wie blaß du bist!« sagte mein Sohn zu mir, und ich fand kaum noch die Kraft, auf das Schloß König Renés zu deuten, dessen vier Türme mir aus dem Hintergrund der Ebene entgegensahen, und zu flüstern: »Das ist Tarascon!«

Denn wir hatten eine furchtbare Rechnung miteinander auszugleichen, die Tarasconer und ich. Ich wußte, daß sie sehr zornig waren und einen bitteren Groll gegen mich nährten wegen meiner Spässe über ihre Stadt und deren großen Mann, den berühmten, den köstlichen Tartarin. Anonyme Briefe und Drohungen hatten mich oft gewarnt.

»Wenn du jemals nach Tarascon kommst, so hüte dich!« Andre bedrohten mein Haupt mit der Rache des Helden.

»Zittere! Noch hat der alte Löwe Schnabel und Krallen!«

Ein Löwe mit Schnabel – den Teufel auch!

Und noch Schlimmeres: Von einem Gendarmerieobersten des Bezirkes hatte ich erfahren, daß ein Pariser Geschäftsreisender, der sich, sei es aus einfacher Prahlhanserei, oder weil er verhängnisvollerweise ein Namensvetter von mir war, als »Alphonse Daudet« ins Fremdenbuch eingeschrieben hatte, unter der Thür eines Kaffeehauses aufs rohste überfallen und mit einem Bad in der Rhone bedroht worden war, ganz im Sinn der lokalen Ueberlieferung: …..

 

 

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