Predigten und Beichtreden

Predigten und Beichtreden – Johann Tobias Beck

Einen großen Einfluß, weit über den Kreis der Anhänger seiner Theologie hinaus, hatten die Predigten des württembergischen Theologen Beck, die er unter dem Titel “Christliche Reden” in einer Reihe von “Sammlungen” veröffentlichte. Die Bezeichnung “Predigten” wurde geflissentlich vermieden, denn in der Form und auch im Inhalt der Reden prägt sich die völlige Unabhängigkeit nicht allein von der homiletischen Ueberlieferung, sondern gleicher Weise auch von allem aus, was an homiletische Kunstregeln erinnern kann. Im schärfsten Gegensatz gegen Schleiermacher und die von ihm beeinflußte Homiletik erkennt Beck christliche Gemeinden, die ihren Namen mit Recht tragen könnten, nicht an. Sie sind ihm Scharen von Katechumenen, ein großes Missionsgebiet, sei es als Nachbildung der alttestamentlichen Gesetzeskirche, sei es als Arbeitsfeld neutestamentlicher Evangelisten, innerhalb dessen das Amt des Gesetzes und der Propheten oder der neutestamentlichen Lehrer und Hirten seines Berufes zu warten hat, Jünger Jesu zu sammeln und die gesammelten zu weiden. Mit den pietistischen Gemeinschaften stand daher der Autor in inniger Verbindung, obgleich er selbst keiner solchen Gemeinschaft angehörte und die Gefahren derartiger Vereinigungen keineswegs verkannte. Johannes der Täufer und der Herr Christus in seinen synoptischen Reden blieben ihm unbedingtes Vorbild für den evangelischen Verkündiger des Wortes. Dennoch sucht man aggressive und strafende Gesetzespredigt bei ihm vergebens. Dieses Werk umfasst eine Auswahl seiner Predigten und Beichtreden.

Predigten und Beichtreden

Predigten und Beichtreden.

Format: Paperback, eBook

Predigten und Beichtreden.

ISBN: 9783849666095 (Paperback)
ISBN: 9783849662127  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

Aus der Abschiedspredigt zu Waldthann den 6. September 1829.

Zum letztenmal also stehe ich auf dieser Kanzel, in Jesu Christo Geliebte, auf der ich mich so oft mit euch in Gottes Gnadenwort erbauet habe, denn – wir scheiden von einander. Hier, Freunde, gab ich euch den ersten Gruß in Christo dem Herrn, hier nehme ich auch Abschied von euch in demselben Herrn.

Erwartet keine studierte Worte, keine Künsteleien und Feierlichkeiten – ihr wisset, es war mir immer hoher Ernst mit dem, was ich hier sagte; es ist’s mir heute besonders; ich wollte euch nie Wasser aus den Augen locken oder treiben; an euer Herz, an euer Gewissen, euren Verstand und euer Christenthum wandte ich mich immer, und ließ dann die walten, was sie bei euch zu Stande brächten. Ich gehe nicht mit hohen Worten von euch – anfangs kam ich mit solchen, denn ich mußte selbst erst gemeinen Leuten predigen lernen; ich befließ mich aber immer einfältiger zu euch zu reden, daß ihr mich fassen konntet, und so sey auch meine letzte Rede an euch.

Ich sagte euch oft: wir sind hier als Brüder in Christo bei einander; wir brauchen uns nicht fremd gegen einander zu gebärden, wir kennen einander. Lasset auch also unbefangen, wie es mir im Herzen liegt, vor Gott mit euch reden – ich redete immer am liebsten mit euch als ein Gehilfe eures Glaubens, als euer Seelsorger und Beichtvater, und nur wo ich mit Bosheit, Schalkheit, mit Verstocktheit gegen Gottes Wort und mit öffentlichen Aergernissen es zu thun hatte, wo man trotzen und pochen wollte auf sein eigenes sündliches Wesen: da redete ich mit brennendem Eifer, mit Schärfe, mit züchtigenden Worten. Ich kann heute noch nicht anders und werde es auch nicht anders lernen, denn ich halte es für keine Sünde, sondern für Schuldigkeit vor dem, dessen Wort gar oft ein zweischneidiges Schwert sein muß, den der Eifer um sein Haus gefressen hat. Gott helfe mir!

Es wäre mir ein Leichtes gewesen, mich bei euch einzuschmeicheln und mir bessere Tage unter euch zu machen als ich hatte – ich kannte wohl eure empfindliche Seite, ich wußte wohl den faulen Fleck, wo das Hauptübel saß: den hätte ich nur unangetastet lassen dürfen; ich habe diejenigen wohl durchschaut, die der pharisäische Sauerteig in der Gemeinde sind, in deren Herzen die alte Bosheit und Gewissenlosigkeit und allerlei Unordnung sich eingefressen hat wie Rost: ich hätte dieser nur schonen, sie laufen und handthieren lassen dürfen, und es wäre prächtig unter uns gegangen. Aber solchen Frieden hatte ich nicht zu bringen, sondern das Schwert, wie der Heiland sagt, zum Streite wider Welt und Sünde; ich kam nicht, um gute Tage bei euch zu suchen, sondern eure Bekehrung zum lebendigen Gott, eure Besserung, eure Heiligung in allen Stücken, eurer Seelen Seligkeit; ich will und wollte nicht Miethling sein, der vor dem Wolfe flieht, sondern ein Hirte der Seelen derer, die durch Christum wollten zu Gott kommen, und ein Zuchtmeister auf Christum für die, die vom Gesetz Gottes Nichts wissen wollten.

Allein warum gehe ich denn nun doch von euch? – die Frage liegt so nahe und ich bin mir und euch darauf Antwort schuldig! euch bin ich eine solche schuldig, weil Viele von euch mein Abschied betrübt; mir bin ich sie schuldig, weil Manche meynen, ich gehe darum so bald von dieser Gemeinde, weil ich nicht genug hatte an der Besoldung, und gerne mehr einnehmen möchte; das würfe denn nicht nur einen Schein des Geizes auf mich, sondern könnte auch diesen und jenen von euch ein Aergerniß geben, und manches Wort, das ich gepredigt habe, unkräftig machen. Dem ist aber gewiß nicht also, liebe Freunde! Gott weiß es und ihr selbst habt es oft aus meinem Munde gehört, daß ich mich hätte begnügen lassen mit dem, was mir mein Amt darreichte, denn ich begehre nicht Reichthum, nicht Wohlleben, nicht Hoffart, mir mein täglich Brod, und das hätte ich mit Gottes Gnade für jetzt noch gehabt. Aber ein Anderes ist es, was Einem das Leben mehr verbittert als Armuth und Darben, was Einen aus dem Paradies treiben könnte, das ist – Unfriede und Streit. Die Schrift sagt, daß Weniges mit Frieden viel besser sey, als groß Gut mit Unfrieden – und dazu sagt mein Herz vollkommen Ja. Aber wie meint ihr, Geliebte, wenn groß Gut mit Unfrieden schon ein Jammer ist nach der Schrift, wie es vollends ist bei gering Gut mit Unfrieden! Und den habe ich reichlich gehabt – ich rede jetzt nicht von dem, den mir mein Amt einbrachte, weil ich es recht versehen wollte; davon sagte ich euch vorhin schon, daß ich mich in meinem Herrn darüber zu trösten wisse und daß ich in dem Stück keinen Frieden wolle, so lange die Menschen mit Gott selbst streiten! Aber von dem Unfrieden und den Streitigkeiten sage ich, den Gewisse unter euch über das, von dem ich mich nach menschlichem und göttlichem Rechte als berufener Prediger des Evangeliums nähren sollte, mit mir führten, daß sie gerade das Widerspiel von dem thaten, was Gottes Wort in den Sprüchen befiehlt: „habt eure Lehrer desto lieber um ihres Werks willen, und seyd friedsam mit ihnen, daß sie ihr Amt nicht mit Seufzen thun, denn das ist euch nicht gut. Der aber unterrichtet wird mit dem Worte, der theile mit allerlei Gutes dem, der ihn unterrichtet; denn der Herr hat befohlen, daß, die das Evangelium verkündigen, sollen sich vom Evangelium nähren; und so wir euch das Geistliche säen, ist es ein großes Ding, ob wir von euch Leibliches ärndten.“ So sagt Gottes Wort, und ich kann heute um so ernster darauf hinweisen, da nun Keiner mehr mich im Verdacht haben kann, ich rede aus Eigennutz, denn mein Aerndten und Säen unter euch ist vorbei.

Sehet Geliebte, das ist es, was meine so frühe Trennung von euch herbeiführte, dieses und nichts Anderes; hättet ihr mir auch noch so viel Besoldung gegeben als ich schon hatte, es hätte mich nicht gehalten, wohl aber das einzige aufrichtige Versprechen vor Gott aus dem Munde jener Unruhigen: wir wollen Friede halten und im Frieden dein Weniges dich genießen lassen. Ich sage dieses Alles nicht, Geliebte, um der ganzen Gemeinde damit Vorwürfe zu machen; ich weiß wohl jene Wenigen zu unterscheiden und kenne sie; ihr habt ihnen aber nie gewehret noch ihnen widersprochen. Ich möchte auch nicht, daß ihr Groll und Feindschaft gegen sie auslasset, denn ich selbst habe keinen Haß gegen ihre Person, so wenig ich ihr Bitteres süß, ihr Böses gut jemals werde nennen; das aber bitte ich euch Alle, liebe Freunde, so wahr die oben angeführten Worte in der Schrift stehen, so wahr ihr im Gerichte Gottes zusammenstehen müsset: in’s Künftige bietet doch Allem auf im Wege der Ordnung und des Rechts, daß solche Streitigkeiten, solche Händel mit eurem Seelsorger, wer er auch sey, nicht mehr vorkommen dürfen; stehet zusammen und duldet sie nicht, denn ihr kennet den, der da sagt, im Ernst und nicht zum Scheine: was ihr diesen meinen Boten thut, zur Freude oder zu Leid, das habt ihr mir gethan. Dürfte ich hören, auch in der Ferne noch, daß diese meine letzte Bitte nicht vergeblich gewesen: gerne wollte ich all’ das Bittere durchgemacht haben, das mir aus jener bitteren Wurzel der Streitsucht erwachsen ist. –

Aber nun noch eine andere Hauptfrage, Geliebte! Wie gehe ich von euch? Es ließe sich Vieles antworten auf dieses Wie? man hat so Manches auf dem Herzen, das man sich zum Abschiede noch sagen möchte, das letzte Wort ist oft noch von besonderem Segen für Herz und Leben, und was muß ein Seelsorger mehr suchen als dieses, das Beste seiner Anvertrauten; aber eben, Geliebte, damit wir das Beste finden, und ob dem Vielen das Nothwendigste nicht verlieren: wollen wir uns Raths erholen in dem Worte Gottes, das uns noch nie verlassen hat, und einmal hören, wie ein Apostel scheidet von einer Gemeine, bei der er längere Zeit das Evangelium geprediget, Paulus von den Ephesern, wie dieß erzählt wird Apostelgeschichte 20, 18 ff.

Dort sagt er unter Anderem also: „Ihr wisset, wie ich nichts verhalten habe, das da nützlich ist, das ich euch nicht verkündiget hätte und euch gelehret öffentlich und sonderlich, und habe bezeuget die Buße zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesum Christum. Darum zeuge ich euch an diesem heutigen Tage, daß ich rein bin von Aller Blut, denn ich habe euch Nichts verhalten, daß ich nicht verkündiget hätte alle den Rath Gottes. So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Heerde, und seyd wacker! Und nun, liebe Brüder, ich befehle euch Gott und dem Wort seiner Gnaden, der da mächtig ist euch zu erbauen und zu geben das Erbe unter Allen, die geheiliget werden.“

Glaubet nicht, Geliebte, ich wolle das, was der Apostel von seinem Werke sagt, völlig auch von mir sagen; o nein, ich bin nicht so verliebt in mich selber und mein Thun, daß ich mit einem Apostel mich vergleichen möchte; ich selbst fühle nur zu tief das Stückwerk meiner Amtsversehung, und habe oft deßhalb vor Gott mich gedemüthiget und zu Ihm gefleht. Das aber ist Sache zwischen mir und meinem Gott; hier rede ich zwar vor Ihm, aber mit euch, meiner Gemeinde, und da fragt es sich: bin ich treu gewesen in meinem Dienste, habe ich gethan an euch, was ihr von mir, als eurem Seelsorger, fordern konntet, oder war ich ein lässiger Arbeiter im Dienste des Herrn an euch? Und auch was ich da sage, sage ich gewiß nicht, mich zu rühmen, sondern daß ich unsre Herzen richtig stelle, und wir wissen vor unsrem Abschiede, wie wir mit einander daran sind.

Ihr wisset wohl, wir Prediger dürfen nicht in den Tag hineinpredigen, was wir wollen, noch verschweigen, was wir nicht gerne sagen; wir dürfen nicht erst mit uns oder anderen Menschen Rath halten, was den Christen zu verkündigen sey: der Rath Gottes hat schon lange es geoffenbart und befohlen, was die Boten Christi alle Menschen in Dörfern und Städten, Hohe und Niedere, Bauern und Könige lehren sollen, lehren müssen, wenn sie Evangelium predigen und vor Gott bestehen wollen. In diesem Rathe Gottes ist Alles enthalten, was da nützlich ist einem Jeden zur Seligkeit; da ist Lehre und Ermahnung, Trost und Stärkung, Warnung, Gewissensweckung, Strafe, Züchtigung, wie es die menschliche Seele bedarf, um für das Reich Gottes erzogen zu werden; da ist Eifer und Majestät Gottes, Gnade und Liebe Gottes, Güte und Barmherzigkeit; da ist Heiligkeit und Gerechtigkeit, Vergeltung, Gericht, Drohung und Zorn Gottes, da ist für Jeden, was er nöthig hat, ein reicher, mannigfaltiger Schatz. Von diesem Allem nun sollen wir Prediger Jedes an seinen Mann bringen, Alles in der rechten Ordnung und Kraft austheilen, dem Schwachen und Starken, dem Unverständigen und Klugen, dem Niedergeschlagenen und Hoffärtigen, dem Kleinsinnigen und Leichtsinnigen, dem Aengstlichen und dem Rohen, dem Gebeugten und dem Trotzigen, dem Gotteskinde und dem Weltkinde, dem Frommen und dem Sündenknechte, jedem aus diesem mannigfaltigen Schatze den ihn besonders treffenden Theil zu geben – sehet Freunde, das haben die Boten Christi zu thun, die als Haushalter die mancherlei Gnade und Gabe Gottes verwalten und vertheilen sollen, das haben sie vor Allem öffentlich und auch bei besonderen Gelegenheiten zu lehren; und dieß mit Treue unter euch zu thun, d. h. mit redlichem Herzen und so viel ich konnte, war immer mein Dichten und Trachten. Ich traf ein wildes Feld unter euch an, ihr mögt es gestehen oder nicht, aber wahr ist es; da that denn Schärfe Noth von Anfang und gute Schneide, um die ärgsten wilden Auswüchse erst abzuschneiden und das Unkraut zu lichten, ehe ich an das Säen und Bauen der himmlischen Früchte denken konnte. Daß euer alter Mensch viel dagegen einzuwenden hatte, gewaltig sich sträubte, wunderte mich nie; also gehet es, wo das Reich Gottes an den Menschen kommt; Fleisch und Blut streiten dagegen. Die Gnade Gottes aber war mit uns, und ich durfte immer weniger von der Schärfe Gebrauch machen; der Boden eures Herzens wurde milder, die Meisten unter euch williger, verständiger, anhänglicher an das wahre Christenthum, das Wort Gottes fand besseren Eingang, manches Alte danktet ihr ab und setztet etwas Besseres an seine Stelle.

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