Tartuffe (Deutsche Neuübersetzung)

Tartuffe (Deutsche Neuübersetzung) – Molière.

Obwohl “Tartuffe”, eines der bekanntesten und beliebtesten Werke des Franzosen Molière, beim Publikum und sogar bei Ludwig XIV. gut ankam, löste es sofort einen Konflikt zwischen verschiedensten Gruppen aus, die sich an der Darstellung einer Person störten, die nach außen hin fromm, aber im Grunde genommen aber geldgierig, lüstern und betrügerisch ist und ihr Bekenntnis zur Frömmigkeit ausnutzt, um andere auszubeuten. Zu den Gegnern von Molières Werk gehörten Teile der Hierarchie der französischen römisch-katholischen Kirche, Mitglieder der französischen Oberschicht und die illegale Untergrundorganisation Compagnie du Saint-Sacrement. “Tartuffe”s Popularität wurde jäh gemindert, als der Erzbischof von Paris Péréfixe ein Edikt erließ, in dem er jedem, der das Stück sah, aufführte oder las, die Exkommunikation androhte. Das Werk wurde nicht nur neu übersetzt, sondern auch in eine gut lesbare Prosaform übertragen.

Tartuffe (Deutsche Neuübersetzung)

Tartuffe (Deutsche Neuübersetzung).

Format: Taschenbuch/ISBN.

Tartuffe (Deutsche Neuübersetzung).

ISBN Taschenbuch: 9783849666439

ISBN eBook: 9783849661571

 

Auszug aus dem Text:

1. Auftritt

Madame Pernelle und Flipotte, ihr Dienstmädchen; Elmire, Mariane, Cleante, Damis, Dorine

Madame Pernelle. Komm schon, Flipotte, wir müssen endlich los.

Elmire. Du hast es so eilig, dass ich dich kaum hinausgeleiten kann.

Madame Pernelle. Dann lass es sein, meine Schwiegertochter. Bleib einfach hier. Ich kann auf deine höflichen Aufmerksamkeiten sehr gut verzichten.

Elmire. Wir zollen dir nur, was dir zusteht, Mutter. Aber warum diese Eile?

Madame Pernelle. Weil ich dein Gehabe nicht mehr ertragen kann und sich niemand auch nur die geringste Mühe gibt, mir gefällig zu sein. Ich muss dir sagen, dass ich dieses Haus gerne verlasse, es widert mich geradezu an; egal, was ich sage, alle tun das genaue Gegenteil; ihr habt keinen Respekt vor nichts; jeder hat hier irgendwas zu sagen, es ist das reinste Chaos.

Dorine. Wenn ––– .

Madame Pernelle.  Sie sind eine Zofe, mein Mädchen, und darüber hinaus viel zu geschwätzig, viel zu unverfroren. Und bei jeder Gelegenheit geben Sie Ihren Senf dazu.

Damis. Aber ––– .

Madame Pernelle. Du bist ein Idiot, mein Junge – I-d-i-o-t. So buchstabiert man deinen Namen. Lass dir von Oma sagen, dass ich meinem armen Sohn, deinem Vater, schon hundertmal gesagt habe, dass aus dir nie etwas werden wird und du ihm immer nur Scherereien bereiten wirst.

Mariane. Ich glaube ––– .

Madame Pernelle. Ach du meine Güte, nun auch noch seine kleine Schwester! Du bist ja so sittsam – wenn man dich so ansieht, sollte man meinen, dass in deinem Mund nicht einmal Butter schmelzen würde. Stille Wasser aber, so sagt man – nun ja, du kennst ja das Sprichwort. Und deine Hinterhältigkeit, die mag ich gar nicht.

Elmire. Aber, Mutter ––– .

Madame Pernelle. Töchterchen, mit Verlaub, dein Benehmen ist schlicht und ergreifend nicht akzeptabel. Du solltest den Kindern eigentlich ein gutes Beispiel sein – ihre liebe, verstorbene Mutter war eines. Du bist zu verschwenderisch, und es beleidigt meine Augen, dass du dich immer wie eine Prinzessin herausputzt. Eine Frau, die nur ihres Mannes Augen erfreuen will, muss sich nicht so auftakeln.

Cleante. Aber, Madame, nichtsdestotrotz ––– .

Madame Pernelle. Und mein Herr, was Sie betrifft, den Bruder dieser Dame, so schätze ich Sie, liebe Sie sogar und achte Sie. Aber wäre ich an der Stelle meines Sohnes, ihres Mannes, würde ich Sie bitten, uns nicht mehr zu besuchen. Sie vertreten eine Lebensweise, die anständige Menschen nicht tolerieren können. Ich spreche gerade ziemlich offen zu Ihnen, aber das ist nun mal meine Art. Ich nehme kein Blatt vor den Mund, wenn es mir ernst ist.

Damis. Dein Freund, dieser Monsieur Tartuffe, hat großes Glück — .

Madame Pernelle. Er ist ein ehrenwerter Mann und über jeden Zweifel erhaben; ich kann es nicht im Mindesten ertragen, zu hören, wenn ein Wirrkopf wie du schlecht über ihn redet.

Damis. Was! Soll ich etwa tatenlos zusehen, wie ein frömmelnder Nörgler sich hier zum Tyrannen aufspielt? Und dürfen wir es nie wieder wagen, uns zu amüsieren, bis dieser feine Herr sich herablässt, es gutzuheißen?

Dorine. Wenn wir auf ihn und seine Lebensweisheiten hören und alles beherzigen, was er sagt, ist alles, was wir tun, irgendwie ein Verbrechen. Er verurteilt alles, dieser pflichteifrige Kritteler.

Madame Pernelle. Alles, was er verurteilt, verurteilt er zu Recht. Er will euch den Weg in den Himmel zeigen. Mein Sohn sollte euch lehren, ihn zu lieben.

Damis. Nein, Oma, nichts und niemand – weder mein Vater noch sonst irgendwer – kann mich dazu bringen, ihn zu ertragen. Ich würde gegen meine Überzeugungen handeln, wenn es jemals dazu kommen sollte. Sein Tun erregt meinen Zorn auf Schritt und Tritt, und ich weiß jetzt schon, dass es irgendwann zum offenen Bruch mit diesem heimtückischen Schurken kommen wird.

Dorine. Darüber hinaus ist es geradezu skandalös, mit anzusehen, wie dieser unbekannte Emporkömmling sich zum Herrn des Hauses aufgeschwungen hat – dieser Vagabund, der, als er kam, weder Schuhe an den Füßen noch Kleidung im Wert von sechs Hellern trug, und der seine gesellschaftliche Stellung soweit vergessen hat, dass er sich nun anmaßt, alles zu verurteilen und die ganze Schar herumzukommandieren!

Madame Pernelle. Der Himmel sei mein Zeuge, dass vieles hier besser laufen würde, wenn alle seinen frommen Weisungen folgen würden.

Dorine. Für Sie ist er ein Heiliger. In Wirklichkeit ist er nichts als ein Heuchler.

Madame Pernelle. Hüten Sie Ihre Zunge!

Dorine. Ich würde weder ihm noch seinem Lawrence über den Weg trauen, selbst, wenn mir jemand für sie bürgen würde.

Madame Pernelle. Ich kann leider nichts über den Charakter seines Dieners sagen; aber ich garantiere dafür, dass sein Herr ein gottgefälliger Mann ist. Ihr hasst ihn und widersetzt euch ihm, weil er euch allen den Spiegel der Wahrheit vorhält. Es ist die Sünde, die sein Herz zornig werden lässt, und seine einzigen Beweggründe sind die Interessen des Himmels.

Dorine. Gewiss. Doch warum lässt er, besonders in letzter Zeit, niemanden in unser Haus? Ist der Himmel schon beleidigt, wenn ein anständiger Besucher vorbeikommt, und muss man gleich so viel Aufhebens darum machen? Wenn’s beliebt, sage ich euch allen, was ich denke. [Deutet auf Elmire] Auf mein Wort, er ist eifersüchtig auf unsere Herrin.

Madame Pernelle. Sie halten jetzt den Mund und denken einmal darüber nach, was Sie da behaupten. Er ist nicht der Einzige, der Besuche tadelt; der Tumult, den Leute eurer Art mit sich bringen, ihre Kutschen, die immer vor der Tür stehen, und all die lärmenden Lakaien, die in Scharen zusammenstehen, ärgern die Nachbarschaft und sind eine Schande für unser Haus. Ich möchte gern glauben, dass sich daran nichts Schlimmes finden lässt, aber es hat Gerede zur Folge, und das ist nicht gut.

Cleante. Ach! Madame, glauben Sie wirklich, Sie können die Zungen der Leute vom Schwatzen abhalten? Es wäre schlimm, wenn wir aus Angst vor Gerüchten über uns unsere Vergnügungen opfern müssten. Nein, nein. Selbst wenn wir uns dazu durchringen könnten, glauben Sie, dass das Gerede dann aufhören würde? Gegen Verleumdung gibt es keinen Schutz. Lasst uns versuchen, in Unschuld zu leben und dem dummen Geschwätz keine Beachtung zu schenken. Sollen die Klatschbasen doch weiter ihre Frechheiten verbreiten.

Dorine. Ich denke, dass unsere Nachbarin Daphne und ihr kleiner Mann diejenigen sind, die uns verleumden. Die Menschen, deren eigenes Benehmen am lächerlichsten ist, sind immer am schnellsten dabei, schlecht über andere zu reden; ihnen entgeht nicht die kleinste Andeutung einer Liebesaffäre. Danach verbreiten sie die Nachricht mit Freude und geben ihr den Charakter, an den sie die Welt glauben lassen wollen. Indem sie die Taten anderer in ihren eigenen Farben ausmalen, hoffen sie, ihre eigenen zu rechtfertigen; in der falschen Hoffnung auf irgendeine Ähnlichkeit glauben sie damit entweder ihre eigenen Intrigen harmlos erscheinen, oder aber ihren Nachbarn die Schuld zuteilwerden zu lassen, die ihnen selbst gebührt.

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