Adams von Bremen Hamburgische Kirchengeschichte
Adam von Bremen war ein deutscher Historiker und Geograph des elften Jahrhunderts. Die genauen Daten seiner Geburt und seines Todes sind unbekannt. Er schrieb die “Gesta Hammaburgensis Ecclesiae Pontificum”, eine Geschichte der Hamburger Kirche und der christlichen Missionen im Norden von 788 bis 1072 n. Chr.. Es ist unsere wichtigste Wissensquelle über die Geschichte und Ethnographie der nördlichen Regionen vor dem dreizehnten Jahrhundert. Über das Leben des Autors ist wenig bekannt; er selbst gibt uns nur sehr spärliche Informationen. Die Vorrede zu seiner Geschichte unterzeichnet er lediglich mit seinem Anfangsbuchstaben A. Dass dies für Adam steht, wissen wir aus Helmolds Slawischer Chronik, die Adam eindeutig als Verfasser einer Geschichte der Hamburger Kirche bezeichnet. Dass er aus Sachsen, genauer gesagt aus Meißen, stammte, ist eine bloße Vermutung, die sich auf dialektische Spuren im Werk stützt. Sein Werk ist in vier Bücher unterteilt, von denen die ersten drei hauptsächlich historisch sind, während das letzte rein geographisch ist. Das erste Buch berichtet über die Bremer Kirche, ihre ersten Bischöfe und die Ausbreitung des Christentums im Norden. Das zweite Buch setzt diese Erzählung fort und befasst sich auch weitgehend mit den deutschen Angelegenheiten zwischen 940 und 1045. Es berichtet von den Kriegen, die die Deutschen gegen die Slawen und Skandinavier führten. Das dritte Buch ist den Taten des Erzbischofs Adalbert gewidmet. Das vierte Buch ist ein geographischer Anhang mit dem Titel “Descriptio insularum Aquilonis” und beschreibt die Länder und Inseln in den nördlichen Meeren. Es enthält die früheste Erwähnung Amerikas in einem geografischen Werk.
Format: Paperback, eBook
Adams von Bremen Hamburgische Kirchengeschichte.
ISBN: 9783849665166 (Paperback)
ISBN: 9783849662974 (eBook)
Auszug aus dem Text:
Erstes Buch.
1. Im Begriffe, die Geschichte der hammaburgischen Kirche zu schreiben, halte ich, da Hammaburg einst die angesehenste Stadt der Sachsen war, dafür, daß es weder unpassend, noch zwecklos sein wird, wenn ich vorher von dem Volke der Sachsen und der Natur dieser Provinz das hersetze, was der hochgelahrte Mann,SCH. 1. Einhard,[1] und andere nicht unbekannte Schriftsteller darüber in ihren Schriften hinterlassen haben. „Sachsen, sagen sie, ist kein geringer Theil Deutschlands und wird für doppelt so breit gehalten, als der von Franken bewohnte, dem es an Länge wohl gleichkommen kann.“ Die Gestalt desselben erscheint denen, die richtig messen, als eine dreieckige, so nämlich, das der erste Winkel sich nach Süden bis zum Rheinfluß hin erstreckt, der zweite aber, von der Küstenseite des Landes Hadeloha [2] an beginnend, in einer langen Strecke längst des Elbeflusses nach Osten sich hinzieht bis zum Saalefluß, wo der dritte Winkel liegt. So hat man denn von Winkel zu Winkel einen Weg von acht Tagen, wobei noch der Theil Sachsens, der jenseits der Elbe oberhalb von Soraben, unterhalb aber von Nordelbingern bewohnt wird, nicht mitgerechnet ist. Sachsen ist berühmt wegen seiner Männer und deren Tapferkeit und wegen seiner Fruchtbarkeit. Es erscheint fast ganz als Flachland, außer daß hin und wieder einige Hügel sich erheben. Nur des süßen Weines entbehrt es, sonst bringt es alles, was zum Lebensbedarf gehört, selbst hervor. Das Land ist überall fruchtbar, reich an Wald und Weide; wo es nach Thüringen hin oder an die Saale und den Rhein sich erstreckt, ist der Boden überaus fett. Nur nach Friesland zu, wo er sumpfig, und an der Elbe, wo er sandig ist, fällt der Boden etwas schlechter aus. Ueberall benetzt eine Menge ebenso lieblicher, wie günstig gelegener Ströme die Landschaft.
2. Die angesehensten Flüsse Sachsens sind die Elbe, die Saale, die Wisara, die jetzt Wissula[3] oder Wirraha genannt wird. Diese entspringt, wie auch die Saale, im Thüringer Walde, geht dann in ihrem Laufe durch die Mitte von Sachsen hindurch, und mündet in der Nähe von Friesland. Als der bedeutendste dieser Flüsse aber wird auch nach dem Zeugnisse der Römer[4] der Albis genannt, welcher jetzt den Namen Albia führt. Sie soll jenseits Böhmens entspringen, und trennt darauf die Sclaven von den Sachsen. Bei Magdeburg nimmt sie den Saalefluß in sich auf und nicht weit von Hammaburg mündet sie selbst in den Ocean. [Der[5] vierte von den großen Flüssen Sachsens ist die Emisa, welche die Westphalen von den übrigen Völkern dieser Provinz trennt. Diese entsteht im Patherburner[6] Wald, und fließt mitten durch das Gebiet der Friesen in den britannischen Ocean.]
3. Fragt man nun, welche Sterbliche von Anfang an Sachsen bewohnt haben, oder von welchem Lande diese Völkerschaft zuerst ausgegangen sei, so hat sich mir aus vielfachem Lesen der Alten ergeben, daß dies Volk, wie beinahe alle Nationen, die auf der Welt sind, nach dem geheimen Rathschlusse Gottes, mehr als einmal seine Herrschaft auf ein anderes übertragen hat, und daß nach den Namen der Sieger auch die eroberten Lande umgenannt wurden. Wenn man nämlich den römischen Schriftstellern glauben darf, so wohnten zuerst an beiden Ufern der Elbe und im übrigen Germanien Sweven, deren Grenznachbaren jene Völker waren, die man Driaden, Barden,[7] Sicambern, Hunen, Wandalen, Sarmaten, Longobarden, Heruler, Daker, Markomannen, Gothen, Nordmannen und Sclaven nennt. Diese verließen wegen der Armuth ihres heimischen Bodens und wegen innerer Zwistigkeiten, oder, wie es heißt, um die Volksmenge zu vermindern, ihr Vaterland und überströmten zugleich ganz Europa und Afrika. Des Alterthums der Sachsen aber gedenken Orosius und Gregor von Tours folgendermaßen: „Die Sachsen, sagt er, ein sehr wildes Volk, furchtbar durch seine Tapferkeit und Behendigkeit, wohnen am Gestade des Oceans, unnahbar ob seiner pfadlosen Sümpfe. Sie wurden, als sie einen, den römischen Grenzen Gefahr drohenden Einfall beabsichtigten, vom Kaiser Valentinian überwunden.[8] Darnach als die Sachsen Gallien besetzten, wurden sie vom Syagrius, dem römischen Feldherrn, besiegt und ihre Inseln erobert.“ Die Sachsen hatten also zuerst ihre Sitze an beiden Seiten des Rheins [und[9] wurden Angeln genannt.] Ein Theil derselben kam von da nach Britannien und vertrieb die Römer von jener Insel; ein anderer Theil eroberte Thüringen und behauptete diesen Landstrich. Dies in kurzem schildernd, beginnt Einhard also seine Geschichte:[10]
4. „Das Volk der Sachsen, sagt er, ging, wie die Geschichte alter Zeiten überliefert, von den Britannien bewohnenden Angeln aus, durchschiffte den Ocean und landete, von der Noth getrieben, in der Absicht, sich Wohnsitze zu suchen, an einem Orte Namens Hadoloha[11] zu der Zeit, wo Theoderich, der Frankenkönig, im Kampfe gegen Hirminfrid, den Herzog der Thüringer, seinen Schwiegersohn, das Thüringerland mit Feuer und Schwert verwüstete. Und als sie nun bereits in zwei Schlachten ohne Entscheidung, ohne Gewißheit des Sieges, nur mit bejammernswerther Hinopferung der Ihrigen gestritten hatten, da sandte Theoderich, in seiner Siegeshoffnung getäuscht, Gesandte an die Sachsen, deren Herzog Hadugato war, und als er vernahm, warum sie gekommen waren, warb er sie, indem er ihnen für den Sieg Wohnsitze versprach, zu seiner Hülfe an. Da sie nun mit ihm gleichwie schon für ihre eigene Freiheit und ihr Vaterland tapfer stritten, überwältigte er seine Feinde und überwies, nachdem er die Eingebornen geplündert und beinahe gänzlich ausgerottet hatte, ihr Land seinem Versprechen gemäß den Siegern. Diese theilten sich in dasselbe nach dem Loose, und da viele von ihnen im Kriege gefallen waren und deshalb wegen ihrer geringen Anzahl das ganze Gebiet von ihnen nicht besetzt werden konnte, so übergaben sie einen Theil desselben, der nach Osten zu liegt, einzelnen Ansiedlern, um es statt ihrer gegen einen Zins zu bebauen, die übrigen Ländereien aber nahmen sie selbst in Besitz.“
5. „Im Süden grenzten die Sachsen an die Franken und den Theil der Thüringer, welchen die vorerwähnte feindliche Bewegung nicht berührt hatte. Von diesen waren sie durch die Unstrote[12] geschieden. Im Norden aber hatten sie zu Grenznachbaren die Nordmannen, sehr wilde Völker; im Osten die Obodriten und im Westen die Friesen. Diese Volker waren ununterbrochen gezwungen, entweder durch Verträge, oder durch unabwendbare Kämpfe die Grenzen ihrer Lande zu schützen;[13] denn die Sachsen waren sehr unruhig und zu Einfällen in die Nachbarlande geneigt, obwohl sie zu Hause friedfertig waren und mit milder Güte für das Wohl ihrer Bürger sorgten.“
6. „Auch für ihre Abkunft und ihren Geburtsadel trugen sie auf das umsichtigste Sorge, ließen sich nicht leicht irgend durch Eheverbindungen mit anderen Völkern oder geringeren Personen die Reinheit ihres Geblütes verderben, und strebten darnach, ein eigenthümliches, unvermischtes, nur sich selbst ähnliches Volk zu bilden. Daher ist auch das Aeußere, die Größe der Körper und die Farbe der Haare, soweit das bei einer so großen Menschenmenge möglich ist, beinah bei Allen derselben Art. Jenes Volk nun besteht aus vier verschiedenen Ständen: aus Adlichen, Freien, Freigelassenen und Knechten. Es ist durch die Gesetze bestimmt, daß kein Theil der Bevölkerung durch Heirathsbündnisse die Grenzen seiner eigenen Lebensverhältnisse verschieben darf, sondern daß ein Adlicher immer eine Adliche ehelichen muß und ein Freier eine Freie, ein Freigelassener aber nur mit einer Freigelassenen und ein Leibeigner nur mit einer Leibeigenen sich verbinden kann. Wenn aber einer von diesen eine Frau heimführt, die ihm nicht zukommt und von höherem Stande ist, als er, so muß er dafür mit Verlust des Lebens büßen. Auch hatten sie die besten Gesetze zur Bestrafung von Missethaten, und waren bemüht, viel Heilsames und nach dem Gesetze der Natur Geziemendes in der Trefflichkeit ihrer Sitten sich anzueignen; was sie zur wahren Glückseligkeit hätte befördern können, wären sie nicht in Unwissenheit über ihren Schöpfer seinem, als dem wahren Dienste fremd gewesen.“
7. „Denn sie verehrten Götter, die ihrem Wesen nach nichtig waren;[14] darunter besonders den Mercur, dem sie an bestimmten Tagen sogar Menschenopfer darzubringen pflegten. Ihre Götter weder in Tempel einzuschließen, noch sie durch irgend ein Abbild menschlicher Gestalt darzustellen, hielten sie der Größe und Würde der Himmlischen für angemessen. Haine und Wälder weiheten sie und bezeichneten sie mit Götternamen, und beschaueten so jenes Geheimniß der göttlichen Macht allein durch ihre Andacht. Vögelzeichen und Loose beachteten sie gar sehr. Der Gebrauch des Looses war ein einfacher. Sie zertheilten einen von einem Fruchtbaume abgeschnittenen Zweig in einzelne Stückchen, die sie durch gewisse Zeichen von einander unterschieden und sie dann ganz aufs Gerathewohl hin über ein weißes Gewand ausstreuten. Darnach betete, wenn die Befragung eine öffentliche war, der Priester des Volkes, wenn eine häusliche, der Vater der Familie selbst zu den Göttern, und indem er zum Himmel schauete, hob er die einzelnen Stückchen dreimal empor und deutete die emporgehobenen dann nach der vorher darauf eingedrückten Zeichnung. Verboten es nun die Zeichen, so war an dem Tage keine Befragung weiter; war sie aber vergönnt, so war es noch erst erforderlich, daß man in Bezug auf den Ausgang der Ereignisse Vertrauen gewinnen mußte.“
8. „Die Stimmen und den Flug der Vögel zu befragen, war jenem Volke eigenthümlich; ebenso die Anzeichen und Bewegungen der Rosse zu erkunden und das Wiehern und Schnauben derselben zu beobachten; und zwar wurde diesen Zeichendeutungen vor allen Glauben geschenkt, nicht allein vom geringen Volke, sondern auch von den Vornehmen. Auch gab es noch eine andere Beobachtung von Anzeichen, wodurch sie den Ausgang großer Kriege zu erforschen bemüht waren. Sie suchten nämlich von dem Volke, dem der Krieg galt, auf irgend eine Weise einen Gefangenen zu erlangen, und ließen denselben dann mit einem aus ihrem Volke Erwählten, jeden mit seinen heimischen Waffen, im Zweikampfe sich messen; den Sieg des Einen oder des Anderen aber hielten sie für einen Urtheilspruch. Wie sie aber an gewissen Tagen, sobald der Mond zuzunehmen beginnt oder voll ist, das Beginnen zu unternehmender Dinge für das am meisten Glück verheißende erachteten, und andere unzählbare Arten von abergläubischen Meinungen, in denen sie befangen waren, befolgten, das alles übergehe ich. Das bisher bemerkte aber habe ich darum aufgezeichnet, damit der verständige Leser erkenne, von wie großer Finsterniß des Irrwahns sie durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit befreiet sind, da er sie durch das Licht des wahren Glaubens zur Erkenntniß seines Namens zu führen gewürdigt hat. Denn sie waren, wie beinahe alle Bewohner Germaniens, von Natur wild und dem Götzendienste ergeben und widerstrebten dem wahren Glauben, hielten es auch nicht für unerlaubt, göttliche und menschliche Gesetze zu verunehren und zu überschreiten. Denn selbst laubreichen Bäumen und Quellen erwiesen sie Anbetung. Auch verehrten sie einen hölzernen Pfahl von nicht geringer Höhe, der unter freiem Himmel aufgerichtet war, und den sie in ihrer Landessprache Irminsul nannten, das heißt Allsäule, welche gleichsam Alles trägt.“
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