Bomber über den Atlantik

Bomber über den Atlantik – Egar J. Wynn.

Captain Edward J. Wynn (geboren 1914) lernte mit 16 Jahren das Fliegen und flog bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Osten und Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Im Jahr 1940 trat er in die Royal Canadian Air Force ein, wo er als Ausbilder tätig war. Nach einigen Monaten gab Wynn jedoch seinen Dienst auf, um eine Stelle als ziviler Überführungspilot anzunehmen. Nach rund vierzig Flügen über den Nordatlantik wechselte er zu Pan American Airways, wo er Bomber auf der Südatlantikroute nach Afrika beförderte. Später ging er zur TWA, wo er das Privileg hatte, Eleanor Roosevelt zu fliegen, und wurde anschließend Kapitän im Air Transport Command. Er starb 1944 noch während des Zweiten Weltkriegs. In diesem Buch beschreibt er seine Karriere als Überführungspilot und was er dabei alles erlebt hat.

Bomber über den Atlantik

Bomber über den Atlantik.

Format: Taschenbuch/eBook

Bomber über den Atlantik.

ISBN Taschenbuch: 9783849665449

ISBN eBook: 9783849662868

 

Auszug aus dem Text:

 

Kapitel 1

Man könnte uns als die Freischärler des Zweiten Weltkriegs bezeichnen. Wir kämpften drei Jahre lang ohne jede Uniform, nur in ausgewaschenen Filzhüten, Cowboystiefeln, Geschäftsanzügen, verblichenen roten Hemden und ölverschmierten Lederjacken. Es gab keine Medaillen, Orden oder andere Arten von Ruhm zu erben. Es gab nur einen sich nie ändernden Tagesbefehl: die Kriegsflugzeuge aus Amerikas Fließbändern zu unseren Verbündeten in allen Teilen der Welt zu bringen.

Wir waren Überführungspiloten und deren Besatzungsmitglieder, und wir waren verdammt stolz darauf.

Bevor die Regierung 1942 Uniformen ausgab, konnten Eingeweihte einen Überführungspiloten überall erkennen. Er kam mit einer gewissen Überheblichkeit daher, einer Aura der Überlegenheit. Er kaufte immer irgendetwas –– einen Sternsaphir in Karatschi, Pakistan; ein stumpfes Messer von einem Eingeborenen in Lagos, an der Westküste Afrikas, ein Fußkissen aus Kamelhaar, das die Wohnung eines glücklichen Mädchens in Miami mit einem seltsamen Duft überzog. Der allgegenwärtige Überführungspilot war auf den Straßen von Chunking anzutreffen, verhandelte wütend mit einem arabischen Händler in Kairo, verfluchte das lauwarme Bier in einem Londoner Pub oder wartete nervös auf die Reparatur seines Flugzeugs auf einem australischen Flugplatz.

Ich hatte das Privileg, einer dieser Überführungspiloten zu sein. Ich flog Bomber nach Großbritannien, lange bevor die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten. Ich verbrachte lange und einsame Stunden mit der Ausbildung und Überprüfung grüner Besatzungen, die einen Ozean überfliegen sollten. Alles in allem war es ein unendlich faszinierendes Leben, voller Abenteuer und Kontraste. Wir erlebten wunderschöne, einsame Nächte unter tiefschwarzem Himmel, 20.000 Fuß über dem tosenden Atlantik, und Tage des Kampfes gegen die Wüstenhitze.

Überführungspiloten waren fast ständig unterwegs, von Montreal nach England, von Miami nach Chunking, San Francisco nach Port Darwin. Ihre Tage und Nächte verliefen immer nach demselben Muster: eintöniger Ozean, tödlicher Dschungel und Wüstensand.

Es war kein leichter Job. Einen flotten, widerspenstigen, mit Treibstoff vollgepumpten Bomber von einer sandigen Landebahn im afrikanischen Sudan oder von einem abschüssigen, windabgewandten Rollstreifen aus Metall bei vierzig Grad unter null in Grönland abheben zu lassen, erfordert mehr als das normale Maß an Geschicklichkeit –– gemischt mit ein wenig guter, alter Muskelkraft.

Die Überführungspiloten kamen aus allen Teilen der Welt. Unter ihnen befanden sich einige der besten Piloten der damaligen Zeit. Da war Scott, der Gewinner des berühmten Rennens London-Melbourne; “Duke” Schiller, der bekannte kanadische Arktisflieger; Joe Mackey, das internationale Kunstflug-Ass; ein holländischer Zivilflieger; ein ebensolcher aus Ägypten; und Clyde Pangborn, ein Amerikaner von Weltruhm. Einige trugen die staubige, blaue Uniform der Royal Air Force, und auch das D. F. C. (das “Distinguished Flying Cross” (deutsch etwa: „Kreuz für hervorragendes Fliegen“) ist eine Auszeichnung der US Air Force, die für heldenhafte und außergewöhnliche Leistungen während eines Fluges vergeben wird) war oft zu sehen.

Mit Ausnahme einiger weniger, die neu in dieser höchst gefährlichen Art der Fliegerei waren, gehörten alle Piloten zu den Besten ihres Fachs. Sie waren nicht nur erfahrene Flugzeugführer, sondern verfügten auch über ausgezeichnete Kenntnisse in Navigation, Meteorologie, Flugzeugtechnik, Motoren und der tausend kleinen Details, die den Unterschied ausmachen, ob ein teurer, dringend benötigter Bomber bei den kämpfenden Truppen eintrifft oder im Meer oder in den grünen Tiefen des Dschungels landet. Keine andere Art der Fliegerei auf der Welt erfordert so vielfältige Fähigkeiten, wie sie ein freiberuflicher Überführungspilot besitzt.

Der Beruf des Linienpiloten gilt seit jeher als Krönung des Fliegerberufs, ist aber mit dem des Überführungspiloten kaum zu vergleichen. Dessen Ausbildung beginnt dort, wo die des Linienpiloten endet. Ein Verkehrsflugzeug fliegt auf einer zehn Meilen breiten, von der zivilen Luftfahrtbehörde ausgewiesenen Flugroute hin und her –– immer dieselbe Strecke. Die Routen sind auf den Luftfahrtkarten der Vereinigten Staaten deutlich gekennzeichnet. Diese Flugrouten sind mit dem besten Beleuchtungssystem der Welt ausgestattet, einem System blinkender Lichter, das die Flugzeuge in der Dunkelheit leitet. Entlang der Mitte jeder Luftstraße wird ein Funkstrahl projiziert, der dem Piloten einen klaren und genau definierten Weg vorgibt, dem er folgen muss. Ein komplexes System der Funksteuerung ermöglicht es ihm, während des Fluges mit den Kontrollstationen am Boden hinter, unter und weit vor ihm zu sprechen. Wenn er sich seinem Ziel nähert, erhält er von einem dortigen Fluglotsen mündliche Landeanweisungen.

Hinter dem Piloten steht eine gut funktionierende Organisation. Ein großer Teil des Personals ist nur darauf ausgerichtet, ihn zu unterstützen. Die Flugzeuge, die er fliegt, erhalten die beste Wartung und die Funksysteme sind einzigartig. Er wird genauestens darüber informiert, in welcher Höhe er fliegen soll, wann er aufsteigen und wann er absteigen muss. Über Funk wird er jederzeit über andere Flugzeuge, deren Position in Bezug auf seine eigene und ähnliche Details informiert. Kurz gesagt, der Großteil des Denkens wird dem Piloten abgenommen. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Flugroute zu kennen und das zu tun, was ihm gesagt wird.

In krassem Gegensatz dazu steht der Überführungspilot. Er verfügt ebenso über all dieses Wissen, um in den Vereinigten Staaten fliegen zu können. Die meisten seiner Flüge finden jedoch dort statt, wo es keine Funkleitsysteme oder Bodenkontrollstationen gibt. Er muss sich nach den Sternen, der Sonne und anderen Himmelskörpern orientieren, weshalb Kartenkenntnisse und die Fähigkeit, sie schnell und genau zu interpretieren, unerlässlich sind. Die Karten, die ich in meiner Zeit als Überführungspilot benutzte, waren nicht die gut beschrifteten, präzisen Sektions- und Regionalkarten der Vereinigten Staaten, sondern Seekarten und Schaubilder, die vor Jahren gezeichnet wurden und oft in vielen wichtigen Details sehr ungenau waren.

Der Überführungspilot muss die Funktionsweise einer Funkpeilung exakt verstehen und wissen, wann man ihr vertrauen kann und wann nicht. Einige der Wüstenflughäfen, die er anfliegt, können nur mit Hilfe des Funkkompasses gefunden werden. Oftmals nähert er sich diesen Flugfeldern bei Nacht oder bei Sturm. Unter diesen Bedingungen kann sich ein wenig Wissen schlimmer erweisen als gar keins.

Oft sind die einzigen Wetterinformationen, die dem Überführungspiloten zur Verfügung stehen, die, welche er durch persönliche Beobachtung sammeln kann. Von seinem Wissen und seiner Fähigkeit, die Wetterzeichen um ihn herum richtig zu interpretieren, hängen das Leben seiner Besatzung und die Sicherheit seines Flugzeuges ab. Mehr als ein Bomber verließ die Küsten Neufundlands in Richtung der britischen Inseln, ohne dass man je wieder von ihm gehört hätte. Es ist sicher, dass einige dieser Verluste durch Eis verursacht wurden. Eis ist der gefürchtete Feind aller, die über den Nordatlantik fliegen. Es bildet sich auf den Tragflächen, zerstört deren Auftrieb oder krallt sich an den Vergasern der Motoren fest. Nur der Pilot, der über ein umfassendes Wissen über die Bedingungen verfügt, unter denen Vereisungen entstehen –– wo sie vorkommen, wie man sie vermeidet und was zu tun ist, wenn sie sich doch bilden –– kann darauf hoffen, einen Flug über die Nordroute im Herbst, Winter oder Frühjahr zu überleben.

Gute Kenntnisse über Flugzeuge und Motoren sind für den transatlantischen Überführungspiloten fast ein “Muss”. Die Maschinen, die er fliegt, sind neu. Die kleinen Probleme, die in den ersten hundert Flugstunden immer auftreten, passieren zwangsläufig auf den Überführungen, weit weg von Hangars und gut ausgestatteten Wartungsdepots. Es gibt sehr wenig, was ein Pilot tun kann, um seine Maschine während des Fluges zu reparieren, aber wenn er clever genug ist, mechanische Probleme zu erkennen, bevor es losgeht, kann er eine Katastrophe verhindern. Nur wer die Triebwerke wirklich versteht, kann mit demselben Schiffs- und Motortyp bei Temperaturen von zehn Grad unter und fünfzig Grad über Null sicher fliegen.

Immer wieder heben hoffnungslos überladene Flugzeuge erfolgreich von Flugfeldern in der Wüste oder im Dschungel ab. Der Überführungspilot war ein Pionier in dieser Entwicklung, allerdings eher notgedrungen als selbst erwünscht. Um einen kleinen zweimotorigen Bomber nonstop über den Ozean zu bringen, war es notwendig, zusätzliche Benzintanks einzubauen, was häufig Starts mit enormer Überladung bedeutete.

Das alte Sprichwort “Erfahrung ist durch nichts zu ersetzen” war nie zutreffender als in der Fliegerei. Man kann jemandem in ein paar Wochen das Fliegen beibringen, keine Frage; junge Burschen mit weniger als einem Jahr Erfahrung wurden als ausgebildete Piloten in den Kampf geschickt. Aber die bemerkenswerte Bilanz der Überführungspiloten rührt vor allem daher, dass fast alle jahrelange Flugerfahrung besaßen.

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