Die Briefe, Teil 2

Die Briefe, Teil 2 – Johannes Calvin

Johannes Calvin (10. Juli 1509 – 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden “Unterweisung in der christlichen Religion” schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. Das vorliegende Werk umfasst seinen mannigfaltigen Briefwechsel. Dies ist der zweite von drei Bänden.

Die Briefe, Teil 2

Die Briefe, Teil 2.

Format: Paperback, eBook

Die Briefe, Teil 2.

ISBN: 9783849665364 (Paperback)
ISBN: 9783849662776  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

1549

Nr. 253 – An die Pfarrer von Montbeliard.

 

Toussaint und seine Kollegen hatten gemeldet, dass sie des Interims wegen ihr Amt niederlegen müssten, da sie dem Herzog Christoph nicht durch Widerstand Schwierigkeiten machen wollten.

Von der Vertreibung der Pfarrer zu Montbeliard.

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesu Christo. Liebste und von Herzen verehrte Brüder, so ist nun geschehen, was wir schon lange gefürchtet haben, dass auch bei Euch der Satan die von Gott eingerichtete Ordnung der Kirche durch seine Diener umstürzt. Doch hat uns Euer Brief, so weit dies bei einer so traurigen Sache möglich ist, getröstet, weil wir daraus ersahen, dass Ihr alle bis zuletzt Eurer Pflicht treu bliebt. Denn dass Ihr ernstlich bezeugt habt, Ihr missbilligt diese verderblichen Dinge, die zur Besudelung der reinen Lehre eingeführt wurden, das war Standhaftigkeit, würdig der Diener Christi; dass Ihr auch jetzt die Verbannung treuloser Heuchelei vorzieht, damit gebt Ihr ein leuchtendes Beispiel echten, wahren Glaubens. Denn da Euch der absetzt von Eurem Lehramt, der bisher die Kirche Christi in seinem Gebiet Gastfreundschaft geboten und Euch die freie Predigt von Christo gestattet hatte, so wäre es unseres Erachtens nicht gut, weiter zu gehen, zumal doch keine Aussicht auf Erfolg vorhanden zu sein scheint, um die Schafe, zu deren Hirten Euch Christus gemacht hatte, selbst Euer Wirken nicht weiter begehren. Denn wenn auch der ein Verräter ist, der willig weicht und von sich aus seinen Posten verlässt, so ist es andrerseits doch nicht unsere Pflicht, Widerstand zu leisten, wo man uns zwingt, wenn uns nicht etwa die Gemeinde besonders aufforderte, es zu wagen. Dann freilich wäre es hundertmal besser zu sterben, als die Erwartung derer zu täuschen, die bereit waren, Christo nachzufolgen. Eure Lage ist nun aber ganz anders: Solange Ihr Hirten waret, fehlte Eurer Herde Eure tätige Fürsorge nie. Jetzt, da es keinen Nutzen hätte, länger auszuharren, und Eure Schafe selbst, denen Ihr verpflichtet waret, es nicht einmal für nützlich halten, dass Ihr weiterhin widersteht, seid Ihr Eurer Pflicht entbunden. So bleibt Euch nichts übrig, als das Steuerruder, das Euch anvertraut war, Christo zu überlassen, dass er allein mit seinem Geist die Leitung übernehme, solange Eurem Wirken keine Statt gegeben wird. Übrigens bedenken wir wohl, welcher Kummer Euch drücken muss, da Ihr nichts vor Euch seht als Verbannung und Armut; aber der Hauptkummer liegt doch in der Niederlage der Kirche; dass Ihr die höher achtet als Euch selbst, habt Ihr bewiesen. Auch uns tut Euer Unglück leid, das allgemeine wie Euer persönliches Unglück, wie es nicht anders möglich ist. Könnten wir Euch doch hilfreiche Hand bieten! Nun bleibt uns nur übrig, Euch zu ermahnen, dass Ihr in der Bezeugung Eurer christlichen Wahrhaftigkeit fortfahrt bis ans Ende. Seliger ist Eure Lage, – so elend sie auch sein mag, – als wenn Ihr Posten und Titel behieltet, wo Gottes Sohn auswandern musste.

Freilich werden wir es bald spüren, dass, der im Himmel regiert, auch auf Erden seine Macht zeigen will. Wir müssen unterdessen zum Kriegsdienst bereit sein, da die Zeit zum Triumphieren noch nicht gekommen ist. Lebt wohl, beste trefflichste Brüder. Der Herr Jesus sei mit Euch, er tröste Euch und mache Euch stark zum heiligen Ausharren.

Genf, 16. Januar 1549.

Eure mit Euch im Herrn verbundenen Brüder

Die Diener der Kirche zu Genf

In aller Namen: J. Calvin.

Nr. 254 – An Viret in Lausanne.

 

Weggelassen sind ein paar Sätze über eine bevorstehende Synode in Bern.

Von Farels Übereifer.

Gestern nach dem Abendessen wurde mir Toussaints Brief gebracht. Er griff mein Gemüt so an, dass ich ein sehr schweres Kopfweh bekam. Doch ich habe in aller Eile heute früh geantwortet, weil Toussaint bat, man möge den Boten rasch entlassen. An Euch ist es nun, Abschriften davon herstellen zu lassen und sie den einzelnen Pfarrklassen zu senden. Wir wagten nicht, Euch dieser Mühe zu überheben, damit wir nicht wieder der Anmaßung einer neuen Machtstellung geziehen werden; weil ja unsere Gegner alles wenigstens benagen, wenn sie nicht beißen können. Zugleich erhältst du hier einen Brief unseres lieben Farel, der wieder in uns dringt, wir möchten ihm raten, wozu er wohl Haller mahnen solle. Aber der gute Mann ist wieder nach seiner Art übereifrig. Irgendjemand hat ihm erzählt, von Etienne, Fontaine, Charles [Damont], Maigret und jener ganzen Partei werde mit aller Religion Spott getrieben.

Er wundert sich, dass wir nichts täten; als ob in unserer Hand die Heilung läge! Und jetzt hat er an Haller die ganze Geschichte als Tatsache berichtet. So willig ich ihn auf diese gefährlichen Menschen heftig schelten lasse, so glaube ich doch, wir dürfen ihm nicht soweit nachgeben, dass wir um nichts unsere Glaubwürdigkeit gefährden lassen. –

Lebwohl, liebster Bruder im Herrn, samt deiner Frau, der du viele Grüße von der meinigen ausrichten kannst. Grüße auch alle Brüder angelegentlich.

16. Januar 1549.

Dein Johannes Calvin.

Nr. 255 – An Bullinger in Zürich.

 

Zur Anbahnung einer Einigung unter den Schweizer Theologen hatte ein Austausch von Thesen über das Abendmahl stattgefunden. Pfarrer Lecomte (Comes) in Grandson wurde von Calvin mehrfach der Briefunterschlagung beschuldigt. Der von Konstanz vertriebene Blaurer und Müslin (Musculus) von Ulm, beide z. Z. in Zürich, sollten nach Bern berufen werden.

Offene Aussprache mit Bullinger.

Drei Tage bevor dein zweiter Brief ankam, erhielt ich auch den ersten, den ich verloren glaubte. Denn als der Mann von Hoppers zweiter Schwester von Lecomte dessen Brief verlangte, sah er auch das andere Bündel und legte gleich die Hand darauf. Lecomte wagte nicht, es ihm zu entreißen, sei es aus Scham oder einem andern Grund. Deine Bemerkungen habe ich gelesen und daraus ersehen, was du an unserer Lehrart anders wünschst. Ich habe versucht, dir in Kürze genug zu tun, weil die Sache selbst ja keiner langen Auseinandersetzung bedarf. Was ich erreicht habe, wird mir deine Antwort zeigen. Nicht mit Unrecht möchte ich vor allem das bei dir durchsetzen, dass du keinen falschen Verdacht hegst. Denn in manchen Punkten, die sonst gar keine Schwierigkeit böten, sehe ich, dass du dich umsonst bemühst, bloß, weil du meist meine Ansichten anders wendest, als sie gemeint sind. Das ist die Folge deiner vorgefassten Meinung über mich, dass du mir Dinge andichtest, die mir nie in den Sinn kamen. Außerdem bist du so ganz darauf bedacht, deine Ansichten, sie mögen sein, wie sie wollen, bis aufs Äußerste festzuhalten, dass du mehr darauf schaust, ob etwas mit ihnen übereinstimmt, als ob es wahr ist. Wenn du Gefallen hast an der Einfachheit, – mir macht gewiss geziertes, umständliches Wesen auch kein Vergnügen. Wenn du ein freies Heraussagen der wahren Meinung liebst, – mir lag es nie im Sinn, was ich geschrieben habe, um Menschengunst willen zu ändern. Wenn manche Luther und anderen geschmeichelt haben, – ich gehörte nicht zu ihnen. Das weiß der liebe Müslin, dass, wo mutige Leute sich gefürchtet haben, ich stets meine Freiheit wahrte. Wenn bisher nicht grundloses Misstrauen im Wege gestanden hätte, so wäre schon längst nichts oder ganz wenig mehr zwischen uns strittig. Freilich bin ich manchmal anderer Meinung als Ihr, aber so, dass mein Herz Euch dadurch durchaus nicht entfremdet wird, wie ich auch mit Butzer so Freundschaft halte, dass ich in aller Freiheit manchmal anders denke als er. Jedenfalls ist das Wort in deinem Briefe zu hart, es werde alles gut werden, sobald Ihr einmal merket, dass man Euch nicht mehr für Feinde halte. Wie du zu dieser Vermutung kommst, weiß ich nicht. Das aber weiß ich, dass ich von Euch nur freundschaftlich denke und rede. Das ist auch den meisten bekannt, die mich haben reden hören. Es ist ja möglich, dass ich in meinen Privatbriefen an Freunde etwa einmal etwas getadelt habe, oder wenn sie etwas tadelten, ihrem Tadel das Recht nicht absprach.

Doch stets war auch ein Lob dabei, das der Sache die Schärfe nahm und Zeugnis ablegte für meine wahre Gesinnung. Mögen andere urteilen, wie sie wollen, mich reut meine Ehrlichkeit niemals.

Wenn der Herr Blaurer das ihm angetragene Amt übernimmt und Müslin als Professor der Theologie berufen wird, so kann ich nicht nur der Berner Kirche Glück wünschen, sondern so hoffe ich auch, es werde ein Band zu engerer Verbindung unter uns sein. Wenn es dir passt, so möchte ich dich bitten, mir von Euren Verhältnissen Bericht zu geben. Meine Kommentare zu den fünf Paulusbriefen hättest du längst erhalten, hätte ich nicht geglaubt, sie seien bei Euch im Handel zu haben. Weil aber nur selten Boten von hier nach Zürich gehen, so fürchtete ich, die Frachtkosten kämen für dich höher als der Kaufpreis. Ich sende nun den zum zweiten Korintherbrief und die vier folgenden. Zu Titus und den beiden Thessalonicherbriefen habe ich nichts herausgegeben. Ich schicke auch meine Antwort [aufs Interim], die Brenz sehr gefällt, was ich dir nicht anführe, um mich zu rühmen, sondern nur, damit du daraus den Schluss ziehen kannst, wie viel gemäßigter er jetzt in der Sakramentslehre ist als früher. Lebwohl, hochberühmter Mann und liebster Bruder im Herrn.

Der Herr Jesus leite stets dich und deine Kollegen, die ich dich alle von mir angelegentlich zu grüßen bitte. Meine Kollegen lassen dich ihrerseits grüßen, und einer von ihnen, des Gallars, überreicht dir ein kürzlich von ihm verfasstes Büchlein. Herrn Müslin und den andern frommen Brüdern viele Grüße.

Genf, 21. Januar 1549.

Dein Johannes Calvin.

Nr. 256 – An die Pfarrer von Montbeliard.

 

Vgl. 253. Toussaint war in Montbeliard des Interims wegen als Pfarrer abgesetzt, doch wünschte Herzog Christoph, er möge seine Lehrtätigkeit beibehalten.

Lehramt und Pfarramt.

Auf die Frage, die uns von dem treuen Knecht Christi, unserm lieben Amtsbruder Pierre Toussaint, vorgelegt wurde, haben wir nach gebührender Anrufung des heiligen Geistes folgende Antwort beschlossen. Erstlich sehen wir zwei Gründe, die Toussaint zur Auswanderung bewegen könnten. Denn weil ihm die Verwaltung der Sakramente, die doch ein Teil des Amtes ist, das er bisher in der Kirche zu Montbeliard bekleidet hat, genommen worden ist, so kann er als abgesetzt gelten. Da ferner die übrigen Brüder, seine bisherigen Kollegen, entlassen worden sind, muss er fürchten, durch das Behalten der Lehrstelle vielen Ärgernis zu bereiten, als ob er sich von denen trennte, die gemeinsam berufen waren, und es werden es viele so auslegen, als sorge er mehr für seine persönlichen Verhältnisse, als für das gemeine Wohl der Kirche. Als nun vor Monatsfrist alle Brüder [von Montbeliard] um Rat fragten, was sie tun sollten, antworteten wir folgendermaßen: „Wenn auch der ein Verräter ist, der willig weicht und seinen Posten verlässt, so ist es andrerseits doch nicht unsere Pflicht, Widerstand zu leisten, wo man uns zwingt, wenn uns nicht etwa die Gemeinde besonders aufforderte, es zu wagen. Eure Lage ist nun aber ganz anders. Solange Ihr Hirten waret, fehlte Eurer Herde Eure tätige Fürsorge nie. Jetzt, da es keinen Nutzen hätte, länger auszuharren, und Eure Schafe selbst, denen Ihr verpflichtet waret, es nicht einmal für nützlich halten, dass Ihr weiterhin widersteht, seid Ihr Eurer Pflicht entbunden.“ Wird die hier angeführte Ausnahme angenommen, so ist die erste Schwierigkeit gelöst. Denn Toussaints Weiterwirken wird gewünscht, sowohl von dem durchlauchtigsten Herzog Christoph, als vom Volk selbst.

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