Die Briefe, Teil 1

Die Briefe, Teil 1 – Johannes Calvin

Johannes Calvin (10. Juli 1509 – 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden “Unterweisung in der christlichen Religion” schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. Das vorliegende Werk umfasst seinen mannigfaltigen Briefwechsel. Dies ist der erste von drei Bänden.

Die Briefe, Teil 1

Die Briefe, Teil 1.

Format: Paperback, eBook

Die Briefe, Teil 1.

ISBN: 9783849665357 (Paperback)
ISBN: 9783849662769  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

1531

Nr. 1 – An Francois de Connan in Orleans.

 

Die Juristen Alciato, Professor zu Bourges, und Pierre de l’Estoile (Stella), Professor zu Orleans, standen in wissenschaftlicher Fehde. Calvin hat seinem älteren Freund Nicolas Du Chemin (Chemynus) Beihilfe geleistet bei einer Schutzschrift für de l’Estoile und rechtfertigt dies vor seinem Freund Francois de Connan (1508 – 1551). Zasius war ein deutscher Rechtsgelehrter, mit dem de l’Estoile in Fehde stand.

Calvin nimmt als Korrektor an einer juristischen Fehde teil.

Endlich erscheint die Verteidigungsschrift unseres Du Chemin und versucht ihr Glück wie alle Bücher, obwohl sie eigentlich nicht in der Absicht geschrieben wurde, einmal in die Öffentlichkeit hinaus zu treten. Doch war es Recht, auch das, was dieser Mann nur spielend geschrieben, um seinen Geist anzuregen und zu üben, zu veröffentlichen, damit seine Verteidigung dem de l’Estoile nicht fehle, und nicht irgendein unbekannter Albucius Siegeslieder anstimme, ohne Blut oder auch nur Schweiß vergossen zu haben. Wenn einer lieber Alciato setzt für Albucius, – zu bejahen wag ichs nicht und verneinen will ichs nicht -, aber einige besonders Scharfsinnige wittern, Alciato habe unter dem geborgten Namen versteckt bleiben wollen, damit nicht der übermäßig bissigen Beredsamkeit einer ungeduldigen Zunge Gleiches mit Gleichem vergolten werde. Es darf auch niemand meinen, de l’Estoile sei selbst hilflos gewesen, und sein Schweigen darf nicht als ein Bekenntnis aufgefasst werden, als hätte sich Albucius bis jetzt des Sieges rühmen dürfen, sondern man muss bedenken, dass ein Mann, der mit ernsten Dingen beschäftigt ist und auch in dieser Sache auf die Wahrheit sich stützt und ihr vertraut, mit so ganz unwichtigen Dingen keine Zeit verlieren wollte, da die Sache ja genügend für sich selbst spricht. Sonst hätte er schon gegen tausend Gegner wie Albucius die Feder gezückt, da er ja mit solcher Geistesschärfe begabt ist, mit solchem Fleiß und endlich mit solcher Rechtskenntnis, dass er darin in unsern Tagen über jeden andern unstreitig die Meisterschaft davon trägt.

Diese Überzeugung hegte auch Du Chemin und hätte seine Gedanken gar nicht auf die Herausgabe eines solchen Werkchens richten können, wenn er nicht von einigen Andern mit stichhaltigen Gründen dazu gebracht worden wäre, die ihm zeigten, wie dem de l’Estoile sein geduldiges Schweigen Schaden bringe. Denn einige Erzzänker argumentieren so: er hätte sich selbst in dieser Sache nicht im Stich gelassen, wenn er irgendwie sich hätte verteidigen können, da er doch dem Zasius immer Widerstand geleistet habe. Dadurch notwendiger Weise gezwungen, änderte unser Du Chemin seinen Plan und legt nun öffentlich dar, was er fast zwei Jahre lang hatte unveröffentlicht lassen wollen, um die Verleumdung dieser Leute zu vernichten. Er wollte aber in erster Linie dafür gesorgt haben, dass es unverstümmelt und unverderbt dem Publikum in die Hände komme. Deshalb hat er, als er hörte, dass ich mich zur Reise nach Paris rüste, mir unserer vertrauten Freundschaft wegen den Teil der Arbeit anvertraut, fleißig dafür zu sorgen, dass sich keine Druckfehler einschlichen. Ich übernahm dieses Amt gerne, aber nur unter der Bedingung, dass ich für keine andere Schuld als die der Nachlässigkeit haften sollte. Dann scheint mir, habe ich mein Amt gut verwaltet, wenn ich die Sorgfalt angewendet habe, die er wünscht. Auch Alciato darf es nicht übel nehmen, wenn er einsieht, dass er vor allem rechtmäßig bekämpft wird, aber auch bescheiden und ehrerbietig und nicht ohne ein seiner Ehre geziemendes Einleitungswort. Ich meine, er sei so sehr fürs Gemeinwohl eingenommen, so der Wahrheit ergeben, dass er nicht über ihr stehen wollte seines persönlichen Ansehens wegen. Nun er also einsieht, dass die Wahrheit in der Tiefe versunken ist, wird er auch zugeben, dass man sie wieder suchen muss in Rede und Widerrede, wenn nur dafür gesorgt wird, dass die Wahrheit, die man sucht, nicht über dem Zanken erst recht verloren geht. Das wollte ich gelegentlich gesagt haben, um mich zugleich vor Alciato und dir zu verteidigen; denn ich fürchte, du seist auch der Sache des Gegners zugetan, weil du ihn persönlich liebst, und werdest auch mir zum Vorwurf machen, dass ich nicht auf Alciatos Seite stehe. Ich weiß wohl, wie sehr dir sein Lob zur Gewohnheit geworden ist, dir, dem für den ausgezeichneten Lehrer in der Tat dankbarsten Schüler. Dass du aber auch von de l’Estoile, den du ja auch gehört hast, die beste Meinung hast und mit Ehrerbietung redest, das hab ich neulich aus unserm Gespräch und auch oft aus deinen früheren Briefen erfahren, so dass ich eigentlich gar nicht denken dürfte, du trügest in diesen Streit irgendein Vorurteil hinein. Besonders da dir ja der zur Genüge bekannt ist, der sich anschickt, diese ganze Sache nach seinem Urteil zu behandeln, unser Du Chemin, den du ja kennst als einen Mann, wohl erfahren in strenger Arbeit, durchdringenden Verstandes, und, was das Wichtigste ist, peinlich genauen Urteils. In seinem literarischen Wissen bis zur Vollkommenheit durchgebildet, beschäftigt er sich jetzt mit Glück, und hat sich auch vorher schon lange beschäftigt, mit juristischen Studien. Was nun unsere Sache angeht, so sollen die Leser darüber ihr freies Urteil haben, natürlich nicht die Laien, sondern solche, die etwas tiefer in die Geheimnisse der Rechtswissenschaft eingedrungen sind. So kannst auch du, hochgelehrter de Connan, es beurteilen, nicht als einer aus der Masse, sondern wirklich durch tiefere Erkenntnis aus der großen Zahl ausgeschieden. Freilich wie es nun liegt, glaub ich, dass diese Streitschrift der Art ist, dass ihr leicht und gewiss ein günstiges Urteil auch von dir, wie übrigens von einem jeden ernsthaften Leser, den sie sich erringt, gebührt. Lebe wohl.

Paris, 6. März 1531.

Nr. 2 – An Francois Daniel in Orleans.

 

Gespräch mit Daniels Schwester über ihren Eintritt ins Kloster. Vom Quartiersuchen.

Am Tag nach unsrer Ankunft hier konnte ich vor Reisemüdigkeit keinen Fuß vor die Haustür setzen. Die nächsten vier Tage, in denen mir immer noch unwohl war, habe ich ganz dazu gebraucht, meine Freunde zu begrüßen. Am Sonntag ging im zum Kloster mit Cop, der sich mir als Begleiter anbot, um nach Euerm Wunsch mit den Nonnen einen Tag festzusetzen, an dem deine Schwester sich zum Klosterleben verurteilen könne. Man antwortete mir, sie habe mit einigen Altersgenossinnen nach Klosterbrauch vom Schwesternkonvent die Erlaubnis erhalten, das Gelübde zu tun. Unter ihnen ist auch die Tochter eines Geldwechslers in Orleans, der deines Bruders Lehrherr ist. Während Cop mit der Äbtissin davon redete, versuchte ich die Sinnesart deiner Schwester zu erforschen, ob sie jetzt, eher gebrochen als gebeugt, ihren Nacken dem Joch willig darbiete. Ich sprach ihr immer wieder zu, mir alles frei heraus anzuvertrauen, was sie auf dem Herzen habe. Nie habe ich jemand bereitwilliger und entschlossener gesehen, so dass es schien, ihr Wunsch könne nicht rasch genug erfüllt werden. Man hätte meinen können, es handle sich für sie um Puppenspiel, wenn sie vom Gelübde hörte. Ich wollte sie davon nicht abbringen, denn dazu war ich ja nicht gekommen; aber ich ermahnte sie mit ein paar Worten, sie solle sich doch nicht überheben im Vertrauen auf die eigene Kraft, dass sie nicht zu kühn ein Gelübde für sich ablege, sondern alles abstellen auf die Kraft Gottes, in dem wir leben und sind. Während dieses Gespräches gab mir die Äbtissin die Erlaubnis einer nochmaligen Zusammenkunft. Als ich sie bat, einen Tag festzusetzen, gab sie mir die Wahl frei, nur sollte Pylades dabei sein, der in den nächsten acht Tagen nach Orleans kommen wird. Da also ein bestimmter Beschluss nicht anging, überließen wir die Entscheidung dem Pylades. Handelt nun im Einverständnis mit ihm, wie Euch gut scheint, da ich Euch hier nicht weiterhelfen kann. Von mir ist zu berichten, dass ich noch keine feste Wohnung habe, obwohl viele vorhanden sind, wenn ich hätte mieten wollen, und andere mir von Freunden angeboten wurden, wenn ich von ihrer Gefälligkeit hätte Gebrauch machen wollen. Der Vater unseres Freundes Coiffart bot mir sein Haus an mit einem Gesicht, dem nichts erwünschter schien, als mich bei seinem Sohn zu haben. Coiffart selbst drang oft und warm in mich, sein Stubengenosse zu werden. Ich hätte das Angebot des Freundes am liebsten mit offenen Armen angenommen, da du weißt, wie angenehm und fördernd der Umgang mit ihm ist. Und ich hätte ihm sofort die Hand drauf gegeben, wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, dies Jahr vor allem bei Danesius zu hören, dessen Schule von Coiffarts Haus zu weit entfernt ist. Alle hiesigen Freunde lassen grüßen, besonders Coiffart und Viermaeus, mit denen ich eben ausreiten will. Grüße deine Mutter, deine Frau und deine Schwester Francisca. Lebwohl.

Paris, 27. Juni.

 

1532

Nr. 3 – An Du Chemin in Paris.

 

In Geldnöten.

Ungern, lieber Nicolas, falle ich dir beschwerlich, zumal wie ich fürchte, zu ungelegener Zeit.

Aber da ich glaube, dir mich vertraulich erklären zu können, so verlasse ich mich, wie ich deine Liebe zu mir auffasse, ganz auf dich. Mein Bruder, der (wie ich weiß) von meinen Schuldnern Geld für mich bekommen hat, hat in seiner gewöhnlichen Nachlässigkeit mich umsonst drauf warten lassen. Nun drängt mich die Not, die keinen Tag, keine Stunde länger dauern kann. Wenn du ihr abhilfst, befreist du mich aus einer Verlegenheit, die du dir nicht vorstellen kannst, wenn du sie nicht selbst spürst. Zwei Kronen brauche ich, die mir Cop vorgestreckt hätte, wenn sein Beutel selbst nicht eben durch den Ankauf von allerlei Zimmergerätschaften erschöpft wäre. Andere wohnen zu weit von uns weg, als dass ich in dem mir dringlichen Geschäft Zeit hätte, hin und wieder heim zu gehen. Leb wohl.

Es soll nicht lange sein. Ende der Woche kannst du mich hoffentlich wieder aus der Liste deiner Schuldner streichen.

[Paris 1532.]

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