Die Briefe, Teil 3

Die Briefe, Teil 3 – Johannes Calvin

Johannes Calvin (10. Juli 1509 – 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden “Unterweisung in der christlichen Religion” schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. Das vorliegende Werk umfasst seinen mannigfaltigen Briefwechsel. Dies ist der dritte von drei Bänden.

Die Briefe, Teil 3

Die Briefe, Teil 3.

Format: Paperback, eBook

Die Briefe, Teil 3.

ISBN: 9783849665371 (Paperback)
ISBN: 9783849662783  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

1557

Nr. 516 – An Viret in Lausanne.

 

Weggelassen eine Notiz über die Besetzung einer Pfarrstelle in Paris. Antoine Calvin wohnte mit seiner Frau Anne, geb. Le Fert, bei seinem Bruder; der bucklige Pierre Daguet war der Famulus des Reformators.

Von häuslichem Leid.

– – – Mehr kann ich vor Betrübnis des Herzens nicht schreiben. Denn die Buhlerin, die in meinem Hause wohnte und meines Bruders Weib war, hat, wie wir entdeckt haben, mit dem buckligen Pierre Unzucht getrieben. Als Trost in unserm Kummer hoffen wir nur, dass mein Bruder wenigstens durch Scheidung von ihr frei werden kann. Lebwohl, liebster, bester Bruder. Grüße deine Kollegen von mir, auch deine Frau und deine Töchterlein. Der Herr behüte, leite und segne Euch alle.

Genf, 7. Januar 1557.

Dein Johannes Calvin.

 

Nr. 517 – An Farel in Neuchatel.

 

Bern erlaubte Perrin und den andern Verbannten, sich für die Beschlagnahme ihres Besitztums in Genf an den Genfer Gütern auf Berner Gebiet schadlos zu halten; die dadurch herbeigeführten Faustrechtszustände veranlassten beinahe einen Krieg zwischen den beiden Städten; über den Rechtshandel Antoine Calvins und de Normandies gegen Perrin ist nichts näheres bekannt. Zu Antoine Calvins Scheidungsprozess vgl. 516. Weggelassen eine Notiz über den nach Paris bestimmten Pfarrer Gaspard Carmel.

Kummer im persönlichen, kirchlichen und politischen Leben.

Lieber Farel, du glaubst gar nicht, mit welcher Hinterlist und wie vielen heimlichen Ränken uns Satan ganz abgesehen vom offenen Kampf täglich angreift. Damit die Lage des Ganzen ruhig bleibe, dürfen wohl nicht alle ihre persönliche Ruhe haben. Zudem dass in Genf selbst viel verborgene Gegner sind, von denen aber jetzt ein Teil sich zu zeigen beginnt, bedrohen uns die Berner Nachbarn furchtbar; ja wenn ihre Leidenschaft sich nur mit Drohungen begnügte! Aber wo sie Anlass finden, spritzen sie das Gift ihres Hasses aus; das haben kürzlich auch mein Bruder und de Normandie erfahren. Denn obwohl sie gegen Perrin genau nach einem Berner Mandat vorgingen, begnügte man sich nicht, ihnen ihr ganz klares Recht abzusprechen, sondern auferlegte ihnen dazu noch alle Prozesskosten. Es ist überhaupt unglaublich, wie schändlich sie alle Genfer schikanieren.

Gar sehr bekümmern uns auch die Übelstände im Innern; ich meine die im Innern der Stadt; denn die in meinem Haus erdrücken mich fast. Die Richter finden keinen Grund, meinen Bruder von dieser Ehe loszumachen! Ich erkläre mir diese ihre Blindheit als gerechte Strafe für unsere eigene Blindheit; denn zwei ganze Jahre hat der diebische Famulus mich ausgeplündert, ohne dass ich etwas sah; mein Bruder hat ebenfalls nicht gemerkt, dass er ein Dieb und Ehebrecher war. Findet die Sache nicht durch richterlichen Spruch einen Ausgang, so habe ich vor, auf anderem Weg einen zu erzwingen. Doch möchte ich nicht, dass du ein Wort darüber verlörest, ehe es unbedingt nötig ist. – – Weiteres erzählen dir die Überbringer besser selbst. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Grüße den Herrn Landvogt und die übrigen Freunde angelegentlichst von mir; bei den Kollegen werden die Überbringer selbst meine Grüße ausrichten. Der Herr behüte Euch stets; er halte Euch aufrecht; er leite Euch und stärke Euch bis ans Ende. Meine schweren Nöte empfehle ich Eurer Fürbitte.

Genf, 3. Februar 1557.

Dein Johannes Calvin.

Alle Unsern, die du grüßen ließest, erwidern ihrerseits deinen Gruß.

Nr. 518 – An Johann Kaspar von Nidbruck in Wien.

 

Nidbruck (vgl. 491) war ein Gönner des Magdeburger Theologen Flacius Illyricus, der in seinen „Centurien“ die Kirchengeschichte bearbeiten wollte; Nidbruck hatte Calvin den Plan dieses Unternehmens vorgelegt und ihn um Rat gebeten.

Über den Entwurf der Magdeburger Centurien.

Als ich letzten Herbst nach Frankfurt reiste, nahm ich, weil ich glaubte, dir von dieser Stadt bei Gelegenheit der Messe am ehesten einen Brief senden zu können, dein Schreiben mir, in dem du mir den Plan zur Abfassung einer Kirchengeschichte skizziert hattest. Dass du dann doch keinen Brief von mir erhieltest, das bitte ich dich, hochberühmter und von Herzen verehrter Mann, nicht nur den Geschäften, die dort beständig und ohne jeden Unterlass auf mir lagen, zuzuschreiben, sondern ich kann mich auch damit entschuldigen, dass die Nachricht, du seiest von Österreich abwesend und der Tag deiner Rückkehr sei unbestimmt, in mir eine gewisse Unlust zum Schreiben weckte, die mich bis zu meiner Abreise nicht verließ. Du wirst sagen, das sei doch kein genügender Grund, so zu zögern, und ich will es nicht einmal bestreiten; ich wollte vielmehr nur ehrlich berichten, was mich damals von meiner Pflicht abhielt. Nun, da mir ein zweites Exemplar des Planes zukommt, tut es mir leid, dass du doppelte Mühe gehabt, besonders weil es mir nicht möglich ist, deinen Wunsch ganz zu erfüllen. Du wünschest, ich möchte dir meine Ansicht über diese Frage ausführlich und genau mitteilen; nun glaube ich aber, weil die Aufgabe recht groß und schwer ist und ich mich nie damit befasst habe, kein geeigneter Beurteiler zu sein und wage keinen Spruch zu fällen, um mir nicht den Vorwurf der Unbedachtsamkeit zuzuziehen. In vertraulichem Gespräch wollte ich vielleicht schon einiges darüber äußern, aber auf eine schriftliche Darstellung verzichte ich, weil ich die Frage, die langes Studium erfordert, nicht reiflich genug überlegt habe, lieber, als dass ich eine Aufgabe übernehme, deren Anblick mich schon erschreckt.

Dazu kommt, dass der Entwurf, den du mir sandtest, die Hand erfahrener Künstler verrät, so dass ich fürchten müsste, ihn zu verhunzen, wenn ich etwas daran feilen und glätten wollte.

Damit du aber nicht meinst, ich schlage dir glattweg alles ab, so will ich nicht verhehlen, dass mir der Plan, einiges wenige ausgenommen, sehr gut gefällt. Wäre nur die Geschichte bereits in der Anordnung, wie du sie beschreibst, geschrieben, seine Zuverlässigkeit würde das Werk empfehlen und der geschickte Aufbau es schmücken! Obwohl es eine geradezu unglaubliche Arbeit sein wird, so freue ich mich doch schon sehr, auf ein so unvergleichlich wertvolles Werk hoffen zu dürfen. Übrigens, während ich in allem sonst dir beistimme, weiß ich nur nicht, ob es sich empfiehlt, je ein Jahrhundert in einem Buche zu behandeln; denn es kann geschehen, dass ein Jahrzehnt reicheren geschichtlichen Stoff bietet als ein ganzes Jahrhundert, und darum wird es sich, wenn ich mich nicht irre, als unpraktisch erweisen, zum voraus an eine bestimmte Zahl von Jahren in jedem Band gebunden zu sein; die größten Historiker haben sich schon die Freiheit genommen, ihre Bucheinteilung der gebotenen Fülle des Stoffes und nicht der Chronologie anzupassen. Du scheinst dies ja auch selbst bemerkt zu haben, da du für aus bestimmten Gründen herausgerissene Zeiträume eine Änderung beifügst; doch ist mein Wink vermutlich nicht überflüssig und unangebracht. Die Unterscheidung der Stoffgebiete, die du vorschlägst, ist zwar brauchbar, doch fürchte ich, sie zwingt zu Wiederholungen und ermüdet und langweilt dadurch die Leser. Denn man von der Ausbreitung der Kirche, von der Art ihrer Lehre und den Irrtümern nicht reden, ohne zugleich von den Hauptpersonen zu sprechen; auch von den Konzilien, die du in den zweiten Abschnitt verweisest, dabei zu schweigen, wäre widersinnig. So wird man zusehen müssen, dass sich nicht unangenehme Wiederholungen ergeben. Vielleicht wäre es die beste Art, dies zu vermeiden, wenn der Verfasser, wer er auch sei, zwar die Einleitung der Kapitel, die du klug und vorsichtig beachtet hast, stets vor Augen hat, aber doch den Lauf der Erzählung so disponiert und führt, dass er nicht unter sich natürlicher Weise zusammenhängende, so zu sagen miteinander sich ereignende, Geschehnisse allzu sklavisch trennt und dadurch die Leser langweilt und Finsternis verbreitet statt Licht. Denn bei deiner Klugheit weißt du wohl, dass sich zuweilen eine klarere Darstellung ergibt aus einer verborgenen oder scheinbar vernachlässigten Disposition als aus einer pedantisch gewählten und festgehaltenen. Weil übrigens doch die von dir aufgestellte Reihenfolge der Kapitel daraufhin angeordnet ist, dass daraus Meinung und Absicht des Geschichtsschreibers erhelle, so möchte ich, dass gerade diese Kapitel an den Anfang gestellt würden, als ein Ziel, das stets das Auge des Lesers auf sich zieht. Doch will ich nicht verlangen, dass du mir hierin beipflichtest; es genügt mir, wenigstens in gewisser Beziehung deinem Wunsche nachgekommen zu sein. Lebwohl, hochberühmter, sehr verehrter Mann. [Der Herr behüte und leite dich und] mache dich reich an allen seinen Segnungen.

Genf, 13. Februar 1557.

Dein Johannes Calvin.

Nr. 519 – An Bullinger in Zürich.

 

Weggelassen eine undurchsichtige Notiz. Zur politischen Lage vgl. 483. 488. Die drei Städte sind Zürich, Schaffhausen und Basel. Das unfertige Werk war Calvins Kommentar zu Hosea. P. M. Vermigli war als Pellikans Nachfolger Professor für altes Testament in Zürich.

Politisches und Literarisches.

– – – Kürzlich haben unsere Nachbarn [in Bern] uns wieder so fürchterlich gedroht, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass sie noch lange Ruhe und Frieden halten; schon jetzt sind alle ihre Schreiben voll von Schmähungen und Schreckworten. Weil nun die lange Frist die Genfer ängstlich macht und diese neuen Forderungen von Bern dazu kommen, so möchte ich dich, verehrter Bruder, wieder und wieder dringend bitten, mich doch wissen zu lassen, was die drei Städte unter sich beraten haben, was sie darauf für Bescheid erhalten haben, wie die Sache steht, auf welchen Ausgang man hoffen darf, und wie lange die Verhandlung noch hinausgezogen werden soll. Mehr braucht es bei dir ja nicht; du wirst schon dafür sorgen, dass der Bote nicht leer zurückkommt, dem ich ein noch unvollendetes Buch von mir aufgeladen habe, – nicht, um dich mit solcher Lektüre zu langweilen, sondern nur damit du siehst, wie wenig unsere Buchdrucker zu tun haben, dass sie solches Zeug herausgeben; zugleich kann auch Herr Pietro Martire daraus lernen, dass er seine reifen Geistesfrüchte herausgeben sollte, wenn er sieht, welche Frühgeburten ich ans Tageslicht bringen lasse. Ich weiß noch nicht, wann Ihr kommen wollt; doch bin ich überzeugt, dass Ihr kommt, und die Reisezeit naht schon, wenn Ihrs nicht etwa auf April verschieben wollt. Doch möchte ich nicht, dass Ihr diesen Monat auch vorübergehen ließet; dann werden wir auch allerlei von der Messe haben, worüber wir beraten können. Lebwohl, hochgeachteter, verehrter Bruder. Meine Kollegen und die übrigen Brüder lassen dich vielmals grüßen; richte auch deinen Kollegen viele Grüße von mir aus. Der Herr behüte, leite und stärke Euch alle.

Genf, 17. Februar 1557.

Dein Johannes Calvin.

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