Die Oden Salomos

Die Oden Salomos

Die Oden Salomos werden bereits von Lactantius und der Pistis Sophia zum Alten Testament gerechnet, müssen daher schon früher für kanonisch gehalten worden sein. In der Überlieferung folgen die Oden Salomos immer hinter den Psalmen Salomos’ die aus der Zeit des Pompeius stammen. Damit ist die Entstehung des fraglichen Pseudepigraphs in die Zeit zwischen 50 v. Chr. und 200 n. Chr. festgelegt. Ob die Oden nun aber jüdischer oder christlicher Herkunft sind, kann nur durch den Inhalt entschieden werden. Die Texte sind ausgesprochen religiöse Lieder und zwar mystisch-gnostischer Richtung. Die Vergottung der Seele bildet das Hauptthema und den Zusammenhalt der Lieder, weshalb alle Textscheidungen bis jetzt wenig Erfolg gehabt haben.

Die Oden Salomos

Die Oden Salomos.

Format: eBook/Taschenbuch

Die Oden Salomos

ISBN eBook: 9783849659684

ISBN Taschenbuch: 9783849668518

 

Auszug aus dem Text:

 

1. Ode

[nur in der Pistis Sophia c. 59 erhalten.]

 Der Herr ist auf meinem Haupte wie ein Kranz, und nicht werde ich von ihm weichen. 2 Geflochten ist mir der wahre Kranz, und er hat deine Zweige in mir aufsproßen lassen. 3 Denn er gleichet nicht einem vertrockneten Kranz, der nicht aufsproßt, sondern du bist lebendig auf meinem Haupte, und du hast gesproßt auf mir. 4 Deine Früchte sind voll und vollkommen (reif), angefüllt mit deinem Heile . . . .

(Zu Ode 1)

[Forts.  ] 1. S. Jes. 28, 5: σται κύριος Σαβαθ  στέφανος τς λπίδος  πλεκες τς δόξης τ καταλειφθέντι το λαο. Das Bild vom Kranze findet sich in den Oden auch sonst (s. das Register), vgl. Proverb. 4, 9 u. N.T. 2. Der wahre Kranz, d. h. der echte Kranz, d. h. die Lebenskrone. „Deine“ Zweige — man erwartet „seine“ Zweige; allein schon der erste Vers und ebenso die folgenden zeigen, daß der Besitz des Kranzes mit dem Besitze Gottes selbst identificiert wird. Hier haben wir echte Mystik: „Du bist lebendig auf meinem Haupte, und du hast gesproßt auf mir“. 3. Der Besitz Gottes ist kein toter Besitz — ein lebendiger Kranz voll Blüten und Früchte. — Ob die Ode mit v. 4 geschlossen hat, wissen wir nicht. Für diese Ode sind in K die Originalworte ληθειαςκλαδουςλλα und καρποι erhalten.

2. Ode

[fehlt.]

3. Ode

. . . . ziehe ich an, 2 und seine Glieder1 sind bei ihm, und  an ihnen hänge ich, und er liebt mich; 3 denn nicht verstände ich den Herrn zu lieben, wenn er mich nicht lieben würde. 4 Wer vermag die Liebe zu beurteilen außer dem Geliebten? 5 Ich liebe den Geliebten, und meine Seele liebt ihn, 6 und wo seine Ruhe (ist), da bin ich auch; 7 und ich werde kein Fremdling sein, denn es gibt keinen Neid bei dem Herrn, dem Höchsten und Barmherzigen. 8 Ich bin vereint (mit ihm),2 weil der Liebende den Geliebten gefunden hat. 9 Weil ich ihn, den Sohn liebe, werde ich Sohn sein; 10 denn der, welcher jenem, der unsterblich ist, anhanget, der wird auch unsterblich sein, 11 und wer Wohlgefallen hat am Leben3, wird lebendig sein. 12 Das ist der Geist des Herrn ohne Falsch, der die Menschen lehrt, daß sie seine Wege erkennen. 13 Seid weise, erkennet und seid wachsam. Hallelujah.

(Zu Ode 3.)

[Forts.  ] Die erste Hälfte der Ode fehlt. 2. Ephes. 4, 15 f. — an ihnen] an ihm? Die Pronomina sind in der syrischen Übersetzung öfters vertauscht, s. v. 2a, wo aber die zweite Hand das Richtige bietet. Sollte „an ihnen“ richtig sein, so wäre der Sinn: „ich bin ein Glied wie sie“. 3. I Joh. 4, 19; Joh. 14, 21. 5 ff. Vgl. das Hohelied, das hier in allegorischem Verständnis anklingt (c. 1, 7 etc.). „Der Geliebte“ ist hier u. v. 8 (s. 5, 1) Gott selbst, nicht der Messias. 7. Fremdling] Schwerlich ist an Hiob 19, 27 zu denken. — Dem Höchsten] sehr häufig in den Oden, s. das Register. 8 f. Ich bin vermischt mit ihm] das ist der Höhepunkt der mystischen Aussagen (s. I Kor. 6, 17:  κολλώμενος τ κυρί ν πνεμά στιν); er wird erklärt durch v. 10: die Unsterblichkeit geht von Gott auf den über, der mit ihm vereint ist, und hierin beruht die „Vermischung“ (vgl. II Petr. 1, 4: κοινωνο θείας φύσεως). Schließt aber v. 10 enge an v. 8 an, so ist v. 9 eine Interpolation. Das zeigt aber auch der Inhalt des Verses selbst; denn während die Verse 2—8 unzweifelhaft von der Vereinigung mit Gott selbst sprechen, erscheint hier plötzlich „der Sohn“ als der Gegenstand der Liebe und die Sohnschaft (statt der Unsterblichkeit). Damit ist nicht nur der Zusammenhang gestört, sondern es ist auch ein Gedanke eingeführt, der in den Oden sonst keine Parallele hat. Ist die Interpolation an dieser Stelle erwiesen — und der Beweis ist m. E. stringent — so folgt, daß diese Ode jüdisch ist, aber christlich redigiert. 11. Harris übersetzt auf Grund einer Änderung des Textes: „and he who is accepted in the Living One, will become living“, und versteht unter dem „Living One“ Jesus Christus; allein da die Conjectur überflüssig ist — denn das Wort „Leben“ schließt sich enge an die „Unsterblichkeit“ in v. 10 an —, so ist die Beziehung auf Jesus Christus hinfällig. 12. Das ist der Geist des Herrn] d. h. diese Vereinigung in der Liebe lehrt dieser Geist. — ohne Falsch] d. h. Lüge, s. Hebr. 6, 18: δύνατον ψεύσασθαι τν θεόν, Tit. 1, 2:  ψευδς θεός und ATliche Stellen.

4. Ode

 Niemand verändert deinen heiligen Platz, mein Gott, 2 und keiner ist, der ihn vertauschte und an einen andern Platz stellte, weil er nicht die Macht (dazu) hat. 3 Denn dein Heiligtum hast du bestimmt, bevor du die Plätze machtest; 4 der ältere (Platz) soll nicht tauschen müssen4 mit denen, die jünger sind als er. 5 Du hast dein Herz, o Herr, deinen Gläubigen gegeben, nie wirst du müßig sein und wirst nicht ohne Frucht sein; 6 denn eine Stunde des Glaubens an dich ist mehr wert als alle Tage und Stunden. 7 Denn wer wird deine Güte anziehen und ungerecht handeln? 8 Denn dein Siegel ist bekannt, und deine Geschöpfe kennen5 es, und deine Heerscharen besitzen es, und  die auserwählten Erzengel sind damit angetan. 9 Du hast uns deine Gemeinschaft geschenkt, nicht weil du unser bedarfst, sondern wir bedürfen deiner. 10 Sprenge auf uns deine Tautropfen, und öffne deine reichen Quellen, die uns Milch und Honig fließen lassen. 11 Denn bei dir gibt es keine Reue, daß du bereutest, was du versprochen hast, 12 und das Ende war dir offenbar; denn was du gegeben hast, das hast du aus Gnaden gegeben, 13 so daß du es also nicht entziehen und (wieder) nehmen wirst. 14 Denn alles war dir als Gott offenbar und war von Anfang an fest bestimmt vor dir, und du, o Herr, hast alles gemacht. Hallelujah.

(Zu Ode 4.)

[Forts.  ] 1―4. Gewiß hat Harris Recht, daß es sich um den jerusalemischen Tempel handelt, und wahrscheinlich ist, daß zugleich an den Tempel von Leontopolis (auch Garizim?) als den Rivalen gedacht ist (bezw. auch an andere jüdische Opferstätten, die es, wie wir jetzt wissen, in der Diaspora gab). Aber dann folgt auch, daß beide Tempel noch stehen (gegen Harris). Der Tempel von Leontopolis hat von c. 160 v. Chr. bis 73 n. Chr. bestanden, also etwas länger als der jerusalemische. Unsere Ode ist mithin vor d. J. 70 n. Chr. gedichtet. Der Verf. verwirft den Tempel von Leontopolis nicht, behauptet aber seine Inferiorität gegenüber dem von Jerusalem und schützt dessen Superiorität gegenüber Herabsetzungen zu Gunsten des Onias-Tempels. Urteile der Palästinenser über diesen s. bei Schürer, Geschichte des jüd. Volkes Bd. III³ S. 97 ff. Die Verwahrung richtet sich wohl gegen ägyptische Juden (gegen Samaritaner?). Die Vorstellung (v. 3), daß der jerusalemische Tempel älter als die anderen Plätze d. h. als die Welt ist, war bei den Rabbinen sehr verbreitet. 5 ff. Die zweite größere Hälfte der Ode steht in keinem Zusammenhang mit der ersten, so daß man schwer glauben kann, daß die beiden Stücke ursprünglich eine Einheit gebildet haben. 5. „Deinen Gläubigen“] kann natürlich ebenso von einem Juden, wie von einem Christen geschrieben sein. — Der Zusammenhang von 5a und 5b ff. ist nicht ganz deutlich, aber doch vorhanden. 6. S. Ps. 84, 11, aber welche Fortschritte hat die Innerlichkeit der Religion gemacht! 8. „Dein Siegel“] S. 8, 16; Apoc. Joh. 5. 7, 2 ff.; II. Kor. 1, 22; Ephes. 1, 13; 4, 30; II. Tim. 2, 19. Über das „Siegel“ könnte man eine lange religionsgeschichtliche Abhandlung schreiben und zeigen, wie es das „Wort“ sakramental gemacht hat und wie es den Besitz Gottes anzeigt und das donum custodiae dei et perseverantiae einschließt. In diesem Sinn wird es auch hier gebraucht sein. 9. Gott ist προσδεής, die Menschen aber bedürfen seiner — ein jüdischer und christlicher Gemeinplatz. 10. „Milch und Honig“] öfters in den Oden, s. d. Register. 11 ff. Gott ist μεταμέλητος, s. Röm. 11, 29; II. Kor. 7, 10 und A.T. 14. Auch ein jüdischer und christlicher Gemeinplatz.

Dieser Beitrag wurde unter Die verlorenen Bücher der Bibel veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.