Die Offenbarung des Johannes

Die Offenbarung des Johannes – Wilhelm Bousset.

Der 1920 in Gießen verstorbene evangelische Theologe Wilhelm Bousset gehörte schon zu Lebzeiten zu den größten Koryphäen für neutestamentliche Theologie. Sein Kommentar zur Offenbarung des Johannes gehört nach Meinung führender Experten zu den umfassendsten und materialreichsten Werken dieses Genres.

Die Offenbarung des Johannes

Die Offenbarung des Johannes.

Format: Paperback, eBook

Die Offenbarung des Johannes.

ISBN: 9783849666385 (Paperback)
ISBN: 9783849661526  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Einleitung 1,1-8.

1,1-3 die Überschrift des Buches. Mit großer Energie wird der prophetische Charakter des Buches betont (beachte die Stufenleiter der Autoritäten: Gott, Christus der Engel, Johannes), und dieses den (kirchlichen) Vorlesern und den Hörern empfohlen; vgl. die Bucheingänge Jes 1,1; Jer 1,1ff.; Prv 1ff. 1,1.ποκάλυψις ησο Χριστο (ist nicht Gen. Obj.: die Enthüllung Jesu in messianischer Herrlichkeit, sondern Gen. Subj., doch nicht Gen. des Besitzers, sondern des Urhebers in der nachfolgenden Beschränkung) ν δωκεν ατ  θεςδεξαι τος δούλοις ατο. Vgl. Amos 3,7: ο μ ποιήσ κ θπργμαἐὰν μ ποκαλύψ παιδείαν πρς τος δούλους ατο τος προφήταςδείκνυμι in dieser Bedeutung der Mitteilung göttlicher Offenbarung durch die Vision gehört zum Sprachbestand des Apokalyptikers (s. o. S. 178). Unter „seinen Knechten“ versteht der Apok. speziell die Propheten (s. o. S. 177). Züllig übersetzt in richtiger Absicht: seinen Huldknechten (vgl. seine Ausführungen I 242ff.). Das ατο ist nach 22,6 auf Gott, nicht auf Christus zu beziehen (anders Dstd.) – δε γενέσθαι ν τάχει (zu ν τάχει Dtn 9,3; Ez. 29,5; Ps 2,12; B. Weiß). Es soll geschehen nach göttlicher (absoluter) Willensbestimmung (δε) und zwar im Kürze, nicht in rascher Entwicklung der Dinge, – die Überzeugung aller lebendigen eschatologischen Erwartung. Vgl. Dan 2,28.29:  δε γενέσθαι π’ σχάτων τν μερν. (Theod.: τί δε γενέσθαι μετ τατα). Der Unterschied, der zwischen der Apk und der jüdischen Apokalyptik besteht, und der darauf beruht, daß in ersterer kein Zeuge aus urgrauer Zeit redet, tritt durch diese Parallele klar hervor, vgl. noch Dan 12,4.9 u. o. S. 151. κα σήμανεν (ein Wort des johanneischen Schriftkreises s. o. S. 179) ποστείλας δι το γγέλου ατο. Und „er hat angezeigt“ oder „Kunde gebracht“. Das Subjekt zu σήμανεν ist wahrscheinlich nicht Gott, sondern Christus, dem ja nach dem Vorhergehenden eben das δεξαι τος δούλοις anvertraut ist. Die Worte gehören also nicht mehr zum Relativsatz und man hat zu übersetzen: welche Gott ihm gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, und er (sc. Christus) hat sie kundgemacht (wörtlich: angezeigt, vgl. Weizs’. Übersetzung). – Oder man müßte mit Pr. (significavit nuntianda) σήμανεν ποστελαι lesen und übersetzen: welche Gott gegeben hat zu zeigen … und geboten hat zu entsenden. (σημαίνω ist in dieser Bedeutung im NT nicht nachweisbar, doch findet es sich LXX I Esr 2,4: κα σήμηνέν μοι οκοδομσαι, und oft in klassischer Gräzität; auch ποστέλλω mit dem Akk. einer Sache ist nachweisbar). – Bei der gewöhnlichen Lesart steht ποστελαι absolut = hinsenden vgl. Ex 4,13 שָׁלַח בְיַד. Wenn dagegen eingewandt ist, daß ποστείλας im NT immer mit dem Akk. der Person stehe, so lesen Mt 11,2 BℵCZ 33 D it. πέμψας διά. – Die Vorstellung, daß Jesus durch seinen Engel die Offenbarung gesandt, bereitet Schwierigkeiten. Die Idee eines besonderen Offenbarungsengels ist in der jüdischen Apokalyptik weit verbreitet und stammt sicher daher (s. o. S. 6f.). Sie will aber nicht recht zu der sonst in der Apk vorliegenden Anschauung stimmen. In den unmittelbar folgenden Kapiteln ist der Menschensohn Träger der Weissagung 1,10ff.; 4,1. Der Engel 10,1ff. hat nur eine vorübergehende Rolle (vgl. 7,2.13; 18,1). Erst zum Schluß tritt der Schutzengel, der dem Apok. die große Hure und das himmlische Jerusalem zeigt, stärker hervor 17,1.7.15; 19,9ff.; 21,9; 22,1. Man begreift, wenn in Rückblick hierauf der Apok. zum Schluß 22,6 sagt, daß Gott seinen Engel geschickt habe, seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen solle (22,16). Man wird daher annehmen müssen, daß der Apok. das Prooemium erst nachträglich geschrieben hat, nachdem er sein Buch beendigt hatte. Da waren ihm vor allem die letzten Kapitel im Gedächtnis. Dieselbe Hand, die 22,16 (im Rückblick auf die vorhergehenden Kapitel) schrieb: γ ησος πεμψα τν γγελόν μου μαρτυρσαι μν τατα π τας κκλησίαις, hat nachträglich im Prooemium geschrieben: σήμανεν ποστείλας δι το γγέλου ατο. – τ δούλ ατο ωάν. Man beachte, wie hier wiederum δολος Ehrenprädikat des Johannes ist.

1,2. ς μαρτύρησεν (22,16.18.20, das Wort gehört dem johanneischen Schriftenkreis an) τν λόγον το θεο κα τν μαρτυρίαν ησο Χριστο. Der Aor. ist gewählt, weil der Schreiber sich auf den Standpunkt seiner Leser versetzt. Veraltet ist die Deutung auf das Johannesevangelium und die Briefe. Die Wendung: „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ kommt in der Apk sehr häufig vor und ist ein plerophorischer Ausdruck für christliche Offenbarung überhaupt vgl. 1,9; 6,9; 12(,17); (19,10); 20,4; hier wird der allgemeine Ausdruck durch das folgende σα εδεν näher bestimmt als die speziell in diesem Buch vorliegende Offenbarung. μαρτυρία ησο ist Zeugnis Jesu (nicht von Jesus). μαρτυρία gehört wie μαρτυρεν dem johanneischen Schriftenkreis an (s. o. S. 179). σα εδεν[1]: so viel er schaute.

1,3. μακάριος (s. o. S. 176f.)  ναγινώσκων. Die Wendung erinnert an synoptischen Sprachgebrauch (Mt 5,3ff.; Lk 6,21f.; Joh 20,49; Jak 1,12). Grund der Seligpreisung ist die Anwartschaft auf das Leben im messianischen Reich. Der „Lesende“ ist der Vorleser im öffentlichen Gottesdienst (Justin, Apol. I 67; Weyland 119). Das beweist der wechselnde Numerus in den Partizipien. Der Apok. bestimmt sein Buch von vornherein als heiliges und prophetisches zur gottesdienstlichen Verlesung. κα ο κούοντες τος λόγους[2] τς προφητείας[3] (22,9; über die der Apk eigentümliche besondere Hochschätzung der προφητεία s. o. S. 138) κα τηροντες (gehört dem johanneischen Sprachgut an s. o. S. 179) τ ν ατ γεγραμμένα. Die Ermahnung, das in der Apk Geschriebene zu halten, hat einen ganz bestimmten Sinn. Dieselbe bezieht sich nicht in erster Linie auf die in den Sendschreiben enthaltenen einzelnen Mahnungen (Dstd.). Die ganze Schrift will eine mächtige Mahnung an die Christen sein, in der letzten Zeit der bittersten Not und des heißen Kampfes getreu auszuharren.  γρ καιρς (11,18) γγύς. 22,10. Vgl. Mt 24,33; 26,18 und das oben zu ν τάχει (1,1) Bemerkte, zu γγύς Joh 2,13; 6,4; 7,2; 11,55 (B. Weiß).

Exkurs zu 1–3. Das Prooemium hat seiner Stellung vor dem eigentlichem Eingang 4 – 6 mannigfache kritische Bedenken hervorgerufen. Völter² 8 erklärte die Verse für spätere Zutat des Redaktors. Ebenso schreibt J. Weiß die Verse dem vom Apok. zu unterscheidenden Redaktor zu.

Nach Sp. 11, Sabatier, Schön liegt hier eine Überschrift vor, wie sie später in den Manuskripten öfter den neutestamentlichen Schriften vorgesetzt worden sei. Es ist aber kein Grund gegen die Annahme vorhanden, daß der Apok. selbst seinem Werk diesen Titel vorgesetzt hätte. Dafür, daß das erst nachträglich nach Vollendung des Buches geschehen ist (vgl. Hirscht), spricht auch das an 22,16 direkt anlehnende δι το γγέλου (s. o.). Auffällig ist die johanneische Sprachfärbung dieser Verse; man vgl. die Ausdrücke σημαίνεινμαρτυρενμαρτυρίατηρεν. Das Prooemium empfiehlt die Schrift in feierlicher Weise als heiliges prophetisches Vorlesungsbuch.

1,4-6 Adresse und Segen.4. ωάνης τας πτ κκλησίαις τας ν τ σί. Besondere Schwierigkeit macht hier der bestimmte Artikel. Völter (vgl. ²12, ³441, ⁴49), der die Verse 4-6 ganz aus ihrem Zusammenhang mit V. 9 löst, nimmt an, daß sein Urapokalyptiker, dem er V. 4 – 6 zuspricht, in einer Zeit geschrieben habe, in der es nur sieben kleinasiatische Gemeinden gegeben habe. Diese Meinung steht und fällt mit dem Recht der Völterschen Quellenscheidungen. Wenn dagegen Spitta, der den V. 4 in seinem Zusammenhang mit V. 9 beläßt, ebenfalls der Meinung ist (S. 19), die genannten Städte hätten gleichsam eine Heptapolis in Kleinasien gebildet, (vgl. die Dekapolis im Ostjordanland), so ist dagegen einzuwenden, daß dann so wichtige altchristliche Zentren, wie Colossae und Hierapolis u. a., nicht fehlen durften. — Man wird daher bei der Annahme bleiben müssen, daß der bestimmte Artikel hier im voraus auf 1,11 verweist (vgl. S. 174), wo die sieben Städte genannt werden. Dann ist es freilich von vornherein klar, daß wir es nicht mit wirklichen Briefen in den Sendschreiben zu tun haben, die Briefform ist nur fingiert. Der Apokalyptiker richtet seine Ermahnungen an eine heilige Siebenzahl von Städten, und welche er meint, sagt er erst nachher. So verfährt niemand in einem wirklichen Sendschreiben. Gerade an sieben Gemeinden schreibt er wegen der Heiligkeit der Siebenzahl. — Unter σία ist natürlich das prokonsularische Asien zu verstehen. Man bemerke noch, daß die genannten sieben Städte sämtlich Gerichtsstädte waren (Holtzmann. Marquardt, römische Staatsverwaltung I 340 – 42).

χάρις μν κα ερήνη π [4] ν κα  ν κα  ρχόμενος 1,8; 4,8. Bemerkenswert ist, daß in dem Friedensgruß, den man übrigens kaum paulinisch nennen darf (Sp., Vlt.) noch nicht λεος vorkommt, wie I II Tim. II Joh. π  ν (vgl. namentlich noch  ν, was nicht in ς ν umzudeuten ist) ist vielleicht beabsichtigte grammatische Härte. Es liegt eine erhabene Feierlichkeit in dem undeklinierten Gottesnamen. — Vgl. LXX Ex 3,14 γώ εμι  ν Jes. 41,4. Vielleicht liegt hier eine sonst schon geläufige Ausdeutung des Jahwenamens vor. Targum Hierosol. zu Ex 3,14: qui fuit, est et erit, dixit mundo; Targum Jonathan zu Dtn 32,39: ego ille, qui est et qui fuit et qui erit; Schemoth Rabba III 105b; Midrasch Tehillim 117b; Bereschith Rabba LXXXI (s. Wtst). Stellen aus griechischen Autoren, in welchen Zeus, Athena, Asklepios mit denselben Prädikaten bedacht sind s. bei Wtst. — Unerwartet kommt gegenüber sämtlichen Parallelen der Ausdruck  ρχόμενος (Mt 11,3; Hbr 10,37), er ist nicht gleichbedeutend mit  σόμενος, sondern mit bestimmter Beziehung auf den Inhalt der Apk gewählt (Dstd.).

Dieser Beitrag wurde unter Religionen der Welt veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.