Die Philosophen aus dem Uranus

Die Philosophen aus dem Uranus – Johann Gottfried Pahl

Zwei Philosophen vom Uranus verlassen auf Befehl ihres Königs den Planeten und machen eine Wanderung zur Erde, die sie gerade in der Mitte Deutschlands berühren. Sie durchstreifen das Land kreuz und quer und teilen ihre Beobachtungen ihrem Fürsten in diesem umfangreichen Bericht mit. Die Philosophen stoßen unglücklicherweise überall nur auf Unvernunft, Torheit, Aberglauben, Ungerechtigkeit und Despotismus und äußern ihre Empfindungen oft mit Laune und Naivität. Manchmal geraten sie auch in Eifer und schwingen die Peitsche auf den Rücken der Narren und Schurken, deren Herrschaft (leider) auf unserem Planeten immer noch weit verbreitet ist. Unsere militärische Verfassung, Aufklärung, Schriftstellerei, Orthodoxie, Diensthandel, Adelsvorurteile und vieles andere werden bald spottend, mitunter nicht ohne Witz, bald räsonierend abgefertigt. Man muss dem Verfasser lassen, dass er seinen Stoff aus dem wirklichen Leben aufgegriffen und ohne Übertreibung behandelt hat.

Die Philosophen aus dem Uranus

Die Philosophen aus dem Uranus.

Format: Paperback, eBook

Die Philosophen aus dem Uranus.

ISBN: 9783849665425 (Paperback)
ISBN: 9783849662837  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

An Kalefa, König auf dem Uranus.

Wir haben uns des Auftrags entledigt, den du, groser Kalefa! uns ertheilet hast. Wir legen hier die Beobachtungen, die wir in einem der grösten, volkreichsten, und mächtigsten Länder der neuentdekten Planeten gemacht haben, in tiefster Ehrfurcht vor deinem Throne nieder. Nichts ist uns schmeichelhafter als dein Beifall, und das Zeugniß – wenn es dein Mund ausspräche – daß durch unsre geringen Bemühungen, die Kenntniß des unermeßlichen Reiches der Schöpfung etwas gewonnen habe. Zwar war es uns, bei der Kürze der Zeit, die uns zu dieser Entdekungsreise eingeraumt ward, unmöglich, etwas mehr als blose Bruchstücke zu liefern. Denn tiefe, und umfaßende Blike aufs Ganze, erfordern einen anhaltendern Fleiß, als wir, wenn wir deinem Befehl gehorsam seyn wollten, nicht anwenden konnten. Indeß haben auch fragmentarische Beoachtungen ihren grosen Werth, wenn sie nur richtig sind, und werden nicht selten die Veranlassung zur vollständigen Kenntniß der Sache, auf die sie sich beziehen. – Wir werden übrigens mit all’ der Freymüthigkeit erzählen, die Kalefa so sehr zu schätzen weiß, und die wir uns zur gedoppelten Pflicht machen, einem Fürsten gegen über, der zu weise und zu gerecht ist, als daß sich die Wahrheit vor ihm in einen Schleyer verhüllen dürfte. Zwar kann es an sich keinen Fürsten auf dem Uranus beleidigen, wenn man ihm die Widersprüche, die Inkonsequenzien, und die Thorheiten erzählt, die dem Beobachter so haufenweise auf der Erde aufstoßen. Aber auf dem indirekten Wege, könnte doch der Erzähler für seine Ehrlichkeit und Treue den peinlichsten Lohn erndten, wenn seinen Nachrichten der Stempel der Aehnlichkeit mit den Begebenheiten in seinem eignen Kraise zu deutlich aufgedrukt wäre. Doch dieser Fall mag überall eintreffen, nur in dem Reiche des Kalefa nicht.

I.

Wir kamen gerade im schönsten Monate des Jahres, wo die Natur in ihrem lachendsten Gewande erscheint, und mit aller Schönheit pranget, die ihr der Schöpfer gegeben hat, auf der Erde an. Wir überließen die Richtung unsers Zuges ganz dem Zufall, und dieser führte uns denn in dasjenige Land, dessen Bewohner seit Jahrhunderten immer eine der ersten Rollen auf dem Erdtheater gespielt haben, – nach Deutschland. So ziemlich im Mittelpunkte dieses grosen und schönen Landes mochten wir die Erde berührt haben. Es war ein schöner heitrer Morgen, als wir aus unserm Kahn traten, und eine ziemlich grose Stadt lag vor unsern Augen. Die Gegend umher, war mit allem Reize der Natur und der Kunst geschmückt, und die Straßen waren auf allen Seiten mit Menschen und Thieren besäet. Wir mischten uns unter sie, und zogen mit ihnen durch die Thore ein.

Es wäre unmöglich – und zugleich auch unserm Zwecke zuwider – die mannigfaltigen Eindrücke, die so viele neue Gegenstände auf uns machten, zu beschreiben. Wir befanden uns hier im eigentlichsten Sinn in einer andern Welt, wo beynahe alles mit den Sitten und Gebräuchen unsers Planeten im auffallendsten Kontraste stand. Wir waren kaum zu dem Thore hineingegangen, als sich uns sogleich die angenehme Bemerkung darbot, daß wir uns unter einem thätigen, industriösen und gewerbsamen Volke befinden. Denn alles war in Bewegung und geschäftig; unter dem Menschengewühle begegneten uns sehr viele Leute mit Werkzeugen zur Verfertigung der mannigfaltigsten Kunstprodukte, Lastträger und Verkäufer, und auf allen Straßen tönte das Geräusch der Wägen, auf denen Kaufmannsgüter hin und her geführt wurden. Ueberall fielen uns die Zeichen des Reichthums, des Ueberflusses, und des Luxus auf – stolze Palläste, schöne Brücken, geschmakvolle Karossen, und ein auf dem Uranus ungewöhnlicher Pracht an Kleidern und Schmuck. – Eine Art von Verzierung des Kopfes fiel uns als äuserst sonderbar auf, indem Männer und Weiber die Hare in krause Locken wickeln, und dergestalt mit Meel bestreuen, daß die natürliche Farbe derselben ganz verdeckt wird. Diese Beobachtung veranlaßte zwischen uns beyden einen sehr lebhaften Streit. Denn Elafu hielt diese weise Farbe der Hare für natürlich; Atabu aber für erkünstelt, und letztrer hatte das Vergnügen, von einem Erdbewohner selbst, bei dem wir über diese wichtige Angelegenheit Erkundigung einzogen, den Streit zu seinem Vortheil entschieden zu sehen.

Wir stellten uns auf dem Marktplatze der Stadt, auf die Stufen, die zum Hauptthore eines alten, grosen Tempels führen, und fuhren auf diesem erhabenen Standpunkte fort, das Menschengewühl zu unsern Füsen zu beobachten. Hier erst – und das war in der That sonderbar – fiel uns die kleine Statur der Erdbewohner auf. Zwar sind ihre Körper in Absicht auf die Form, genau so gebaut, wie die unsrigen, aber so schwächlich und zusammen geschrumpft, wie die Körper unsrer Zwerge. So sehr wir ihre Schwäche bewunderten, so sehr bewunderten sie unsre Gröse, und wir hörten sie hie und da zu einander sagen: „sehet, zween Riesen aus einem fremden Lande!“ – Die mannigfaltigsten Gestalten giengen vor dem Standpunkte, den wir gewählt hatten, vorüber. Da kamen Männer in schwarzen Talaren mit weissen Rädern um den Hals, und ungeheuren Harlocken, die bis auf die Hälfte des Rükens hinunter hiengen; – andere mit schwarzen Mänteln und kleinen Schwerdtchen an der Seite, und einem ähnlichen Kopfputz, nur daß die Hare hinten in kleine schwarze Beutelchen zusammen gebunden waren; – junge Herrn mit runden Hütchen, im leichten Gewande, und, in dieser schönen Jahrszeit, mit Handschuhen gegen die Kälte geschützt; – Damen, deren Kopfputz genau die Form und die Gröse eines Bienenkorbes hatte, und die mit ihren langen Röcken, bei jedem Schritte eine Staubwolke hinter sich erhuben; – ja einige Leute wurden gar in kleinen ledernen Häuschen getragen, eine Bequemlichkeit, die so sonderbar läßt, daß wir beide in lautes Lachen darüber ausbrachen. – Ein ganzer Trupp bewaffneter Männer kam über den Platz herangezogen. Sie waren sehr niedlich gekleidet, und schienen nach einem festen Takt einher zu schreiten. Auch ihre Hare waren mit Meel bestreut, und auf ihrem Anzuge herrschte eine Pünktlichkeit und eine Reinigkeit, wie man sie kaum an den Gallatägen der Höfe auf dem Uranus findet. Ein Knabe, eben so gekleidet wie sie, trat stolz vor diesen Männern her, und schien ihr Befehlshaber zu seyn: „Das sind unsre Helden!“ – raunte dem Atabu ein neben ihm stehender Bürger ins Ohr. – Helden? – erwiederte Atabu, und – ließ es gut seyn. Auf dem Markte liefen viele eckelhafte, schmuzige, und ärmlich aussehende Leute mit langen Bärten umher, und zeigten sich in allerhand Arten von Handlungsgeschäften äuserst thätig. Etliche von ihnen kamen zu uns auf die Treppe, und drangen mit der ungestimmsten Unverschämtheit in uns, daß wir ihnen allerhand Kleinigkeiten abkaufen sollten. Wir mochten ihnen sagen, was wir wollten, sie liessen nicht ab; und giengen diese, so kamen immer wieder andere. – Noch zudringlicher als sie, war eine andre Art Menschen in zerlumpten Kleidern, welche schlechterdings Geschenke von uns haben wollten. Auch diese achteten all’ unsrer Demonstrationen nicht, und setzten uns in so grose Verlegenheit, daß wir die Stufen des Tempels verliesen, und uns in das Haus begaben, in dem wir durch die Vermittlung eines der obgenanten Helden, der sich uns – wie sonderbar? – zum Lehnlakay anbot, Herberge gefunden hatten.

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