Betrachtungen zum Neuen Testament

Betrachtungen zum Neuen Testament – Samuel Keller

Der 1924 in Freiburg im Breisgau verstorbene Samuel Keller, der auch unter dem Pseudonym Ernst Schrill veröffentlichte, war ein Schweizer evangelischer Theologe und Schriftsteller. 1902 gründete er mit anderen Theologen den “Eisenacher Bund”, der die Pietismus-Bewegung unterstützte. Später zeichnete er als Herausgeber für die Monatszeitschrift “Auf Dein Wort” verantwortlich. In diesem Werk hat er seine Betrachtungen und Überlegungen zum Neuen Testament gesammelt.

Betrachtungen zum Neuen Testament

Betrachtungen zum Neuen Testament.

Betrachtungen zum Neuen Testament.

Format: Paperback/eBook.

ISBN: 9783849664404 (Paperback)
ISBN: 9783849663537  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

Matthäus

Kapitel 3

 

„Der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“

Mat. 3, 11

Johannes hat’s versprochen – Jesus hat’s erfüllt. Die für solche Gabe innerlich Zugerüsteten empfingen sie damals zu Pfingsten als eine erschütternde, belebende, sie erfüllende Kraft. Merkwürdig, daß heute so viel Christen verlegen schweigen, wenn man sie fragt, ob sie den Heiligen Geist haben. Brennt denn in ihren Seelen nicht das Feuer, das sie scheiden will von der Sünde? Wirkt denn in ihnen nicht der Geist den Glauben an Jesus, den Sohn Gottes und ihren Heiland? Aber es mag daran liegen, daß man irgendwas für außerordentliche Erscheinungen und Kräfte vermißt und meint, so müsse der Geist sein Kommen bekunden, wie beim ersten Pfingsten. Das ist falsch. Man kann ihm, wie Gott, nur nachsehen: an seinen Wirkungen offenbart es sich, ob er da ist. Aber diese Wirkungen müssen heute sittlicher und religiöser Art sein – nicht in sinnfälligen Zeichen. Niemand kann Jesus einen Herrn heißen ohne durch den Heiligen Geist. Das ist die Hauptsache, daß der Geist unsere Stellung zu Jesus neu und lebendig und wirksam macht. Mehr will er nicht, als daß Jesus recht erkannt und geliebt und angesehen werde. Und das kannst du doch freudig bejahen, der du Jesum liebst und keinen Tag mehr leben kannst ohne ihn.

Wir danken dir, Herr Jesu, daß dein Feuer brennt, daß dein Geist wirkt, daß wir an dich glauben dürfen und dich lieben können. Werde du uns immer mehr und erfülle uns mit deiner Art zu deiner Ehre. Amen.

Kapitel 4

 

„Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen.“

Mat. 4, 16

Die kleinen Lichter verlöschen alle! Menschen, für die wir schwärmten; Freuden der Erde, die wir genossen; Lehren und Gedanken, die uns geblendet; alle Schönheit und Herrlichkeit des Fleisches, die uns gefangen nahm – alle diese verlöschen früher oder später und lassen uns im Dunkel allein. Jesus allein löscht nie mehr aus! Das ist das große Licht, das ewige Licht, dessen süßer Schein in unsere Finsternis fällt, wie in den Hochalpen plötzlich die schon hochstehende Sonne über den scharfen Felsengrat kommt und das schmale tiefe Tal mit ihrer starken Helligkeit erfüllt. Jesus ist sittliches Licht; er kann unerbittlich wahr und herbe unsere Flecken aus der Zeit der Finsternis beleuchten, daß man darüber aufschreien möchte. Jesus vertreibt die Finsternis und hilft uns erst recht selbst ans Licht zu kommen. Er nimmt die dunklen Geschichten ab und hüllt uns in das warme, wonnige Licht der Gemeinschaft mit ihm. Jetzt brauchen wir uns vor keiner Entdeckung zu fürchten; denn er, der Arzt, heilt die Schäden, die er aufgedeckt hat. Alles halten wir ihm hin und sehen zu, wie er uns durch den Glauben reinigt. Er ist das große Licht, in dem wir Gott sehen und das goldene Tor der Ewigkeit.

Herr Jesu, nimm alle Scheu von uns und alle Liebe zur Finsternis, daß wir nichts festhalten, was zu deinem Lichte nicht stimmt. Erleuchte Leib und Seele ganz, du starker Himmelsglanz. Wir wollen hell sein und sonnig wie du. Amen.

Kapitel 5

 

„Also lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“

Mat. 5, 16

Wenn der Heiland nach „sehen“ einen Punkt gemacht hätte oder fortgefahren wäre: „und euer Christentum und euren Eifer preisen“ – dann hätten alle Pharisäer ihm Beifall gezollt. Und du, mein Herz, auch! Dann hätte er sich die Mahnung vom Licht-leuchten-lassen ganz sparen können. Denn darauf sind wir prahlerischen, eitlen Leute sowieso, ganz von Natur, schon sehr erpicht, uns im hellsten Lichte zu zeigen, damit man uns preise. Ist aber des Vaters Lob das Ziel, dann wird das stärkste, sündige Motiv für viele Edeltaten urplötzlich ausgeschaltet. Wie wohl tut eine Anerkennung unserer Person! Haben wir unser Teil an Lob eingestrichen, dann lassen wir gern auch ein Stückchen Kleingeld für Gottes Ehre nach. Aber, wenn man uns und unserer Anstrengung kein Wort sagt, dann ärgern wir uns sogar über das Lob, das unserer Begabung gezollt wird. Ist des Vaters Ehre allein das Ziel, allein der Punkt, auf den es herauskommen wird, dann fühlen wir uns zu solcher Arbeit nicht berufen. Und dann wollen wir uns noch brüsten, daß wir Gottes liebe Kinder und Jesu Nachfolger sind!

Herr Jesus, und du schämst dich nicht, uns deine Brüder zu heißen? Erbarme dich über uns und mache uns von unserer Eitelkeit, in christlichen Werken zu glänzen, los. Gib uns von deinen reinen demütigen Gedanken, die nur des Vaters Ehre suchen, und heile uns von dem geheimen Schaden unserer Seele. Amen.

 

„wende dich nicht von dem, der dir abborgen will.“

Mat. 5, 42

Im Morgenland und zur Zeit Jesu spielte das Geld noch nicht die Rolle wie heute bei uns, und darum kann ich mir wohl denken, daß hier das bedingungslose Borgen von Gegenständen gemeint sein mag, deren Versagen mehr eine engherzige Unfreundlichkeit war. Ein Pfarrer schrieb mir vor vielen Jahren, als ihm sein Haus mit allem Zubehör durch Blitzschlag verbrannt war, so daß keine Stecknadel gerettet wurde: „Mir taten am meisten die mancherlei Nebensachen leid, die wir nicht zum täglichen Bedarf brauchen. Wieviel Freude hätte man damit machen können, wenn man sie sich vorher vom Herzen gerissen hätte! Manches davon hätten wir armen, notleidenden Gemeindegliedern nicht borgen wollen, obschon die der Sachen bedurften. Jetzt hielt uns der Herr eine Predigt über das großherzige Weggeben und Leihen von Sachen, die wir nicht nötig hatten!“ Das wäre mal ein gewaltiger „Hausputz“, wenn man nur die zurückgestellten, etwas schadhaft gewordenen Gegenstände kurzerhand an arme Familien verteilen wollte. Dabei brauchten wir auf unsere Bequemlichkeit noch gar nicht zu verzichten, sondern würden nur Dinge los, die außer dem wirklichen Gebrauch ständen! Los von Sachen, gebunden an Jesus!

Du bist unseres Herzens geheime Lust, Herr Jesu! Dann mache du uns los von Dingen, die andern noch eine Freude machen oder einen wichtigen Dienst tun können. Erziehe uns von der Enge zur Weite! Amen.

Kapitel 6

 

„Führe uns nicht in Versuchung!“

Mat. 6, 13

Gemeint sind hier nicht jene Erprobungen unseres Glaubens, die notwendig zur christlichen Charakterbildung gehören, sondern die aus besonders ernsten Gründen zugelassene satanische Versuchung. Hier zielt alles auf Fallen und Verzweiflung ab. Das setzt voraus eine Vorgeschichte der Untreue von Seiten des Menschen, in der er auf Gottes Wort und Führung schon nicht mehr geachtet hatte, so daß kein anderes Mittel blieb als solche Operation auf Leben und Tod. Dann bedeutet diese Bitte: wir fürchten uns vor solchen gefährlichen Stunden und versprechen, treuer zu achten auf dein Wort. Wir wollen uns durch kleinere Mittel schon ziehen lassen und nicht ungehorsam sein gegen das Wirken des Heiligen Geistes. – Wenn aber doch jene dunklen Stunden kommen, dann bitten wir: Herr, laß unsern Glauben nicht aufhören! Erhalte du die Lebensader unserer Beziehungen mit dir unversehrt, wie uns sonst auch geschehen mag! Daß wir nur dann nicht irre werden an der Treue und Liebe Gottes, der uns auch in solchen Augenblicken nicht verworfen hat, sondern nur auf den Sieg des Glaubens über den Augenschein wartet, um der Versuchung ein Ende zu machen!

Vater im Himmel, wir bitten dich, erbarme dich über unsere Schwachheit und halte du uns fest in deinen treuen Händen, daß wir in dir geborgen seien und der Arge uns nicht antasten kann um deiner Liebe willen! Amen.

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