Der 1. Petrusbrief

Der 1. Petrusbrief – Ludwig Harms

Georg Ludwig Detlef Theodor Harms (1808-1865) war ein deutscher lutherischer Pastor, der den Spitznamen “Erwecker der Heide” trug. Er gehörte zu den bedeutendsten christlichen Predigern des 19. Jahrhunderts und machte das kleine Dorf Hermannsburg in der Lüneburger Heide zum wichtigsten Zentrum der Erweckungsbewegung in Niedersachsen. In diesem Werk betrachtet Harms den Petrusbrief und dessen Bedeutung.

Der 1. Petrusbrief

Der 1. Petrusbrief.

Format: Paperback, eBook

Der 1. Petrusbrief.

ISBN: 9783849665128 (Paperback)
ISBN: 9783849663421  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

Das 1. Capitel.

Vers 1-2.

 

Petrus, ein Apostel Jesu Christi, den erwählten Fremdlingen hin und her, in Ponto, Galatien, Cappadocien, Asien und Bithynien. Nach der Vorsehung Gottes des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung des Blutes Jesu Christi. Gott gebe euch viel Gnade und Frieden!

Unser Text hebt an mit den Worten: Petrus, ein Apostel Jesu Christi, den erwählten Fremdlingen hin und her, in Ponto, Galatien, Cappadocien, Asien und Bithynien. Als der heilige Apostel Petrus diese Epistel schrieb, befand er sich in der großen Stadt Babylon, wo er eine große Christengemeinde gesammelt hatte, wie wir aus Cap. 5,13 sehen; und von Babylon aus schreibt er an die Gemeinden zu Ponto, Galatien, Cappadocien, Asien und Bithynien. Das sind alles Länder in Kleinasien zwischen dem schwarzen und Mittelmeere. In diesen Ländern hatte der Apostel Paulus zahlreiche Gemeinden gestiftet, welche ein blühendes Glaubensleben führten, daß man wohl Ursache hat, sich daran zu erfreuen. An diese Gemeinden schreibt der Apostel Petrus seinen Brief. Daraus könnt ihr sehen, in welchem Verhältniß die Apostel zu einander standen, nämlich in dem der innigsten Liebe. Sie sehen sich nicht an als Viele, sondern als Einer, das Werk, was sie treiben, betrachten sie nicht als das ihrige, sondern als das des heiligen Geistes. Es war unter ihnen kein Neid, Zank, Streit, Eifersucht. Es fiel Petrus gar nicht ein, daß Paulus das übel nehmen konnte, wenn er an die von ihm gestifteten Gemeinden schrieb, und Paulus hat nichts anders darüber empfunden, als die innigste, herzlichste Freude, daß Petrus ihm ein Mithelfer werde am Reiche Gottes. Das ist in unserer betrübten Zeit ganz anders geworden, wo man von einem solchen gemeinschaftlichen Liebeswerke nichts mehr weiß. Jetzt ist es vielmehr so: der eine Pastor beneidet den andern und der eine sieht den andern scheel an. Besucht Jetzt z. B. ein Pastor ein Glied aus einer andern Gemeinde, dann heißt es in der Regel: der fällt mir in meine Gemeinde und in mein Amt. So herrscht Neid und Eifersucht allenthalben. Daß das Predigtamt Gottes Wert ist, woran alle gemeinsam arbeiten sollen, daß weiß beinah Keiner mehr. Der Grund davon liegt in der herrschenden Selbstsucht unserer Zeit. Nicht bloß in den Herzen der Gemeindeglieder und Ungläubigen ist diese Selbstsucht zu Hause, sondern auch in den Herzen der Prediger und Gläubigen. Unterschied findet sich nur wenig zwischen den Frommen und Gottlosen; die meisten Frommen schnacken fromm und sind gottlos, die Ungläubigen aber schnacken gottlos und sind auch gottlos, das ist der ganze Unterschied. Alle suchen für sich die Ehre, beinah keiner gibt sie dem Herrn. Darum geht es auch mit dem Christenthum so schlecht vorwärts. Die Ungläubigen sagen: Was sollen wir fromm werden, die Frommen sind kein haarbreit besser als wir. Und sie haben leider gar oft Recht. Wird der ganze Mensch nicht anders durch die Bekehrung, so ist die Bekehrung dem gleich, als ob Einer einen andern Rock anzieht und bleibt doch derselbe. Petrus nennt sich einen Apostel Jesu Christi. Seht daraus die merkwürdige Uebereinstimmung mit dem, wie Paulus seine Episteln beginnt. Da heißt es z. B. in der Epistel an die Galater: Paulus, ein Apostel, nicht von Menschen, auch nicht durch Menschen, sondern durch Jesum Christum. Von wem hat Petrus sein Amt? Etwa von Menschen oder durch Menschen? Nein, ein Apostel Jesu Christi ist er. Nicht von der Erde aus ist ihm dieses Amt gegeben, sondern vom Himmel, nicht von Menschen, sondern von Gott; darum nennt er sich einen Apostel Jesu Christi. Der theure Apostel hat Recht. Ein jeder rechte Prediger wolle doch sein Amt nicht anders ansehen, als ihm von Gott gegeben, sonst kann er es nicht recht verwalten. Wenn er predigt, wenn er die Sacramente verwaltet, muß er sich deß bewußt sein: Ich stehe hier in Jesu Namen, mein Herr Jesus hat mich gesandt, ich stehe hier als ein Diener Gottes und als ein Haushalter über Gottes Geheimnisse. Das ist ein unglücklicher Prediger, der sich deß nicht bewußt ist. Denn nur in solchem Bewußtsein kann Einer sagen: Nehmt ihr mein Wort an, so nehmt ihr Gottes Wort an, verachtet ihr mein Wort, so verachtet ihr Gottes Wort; wie unser Herr Jesus auch sagt: Wer euch hört, der hört Mich, und wer euch verachtet, der verachtet Mich. Darum nennt sich Petrus einen Apostel Jesu Christi, weil er sein Amt von Jesu bekommen hat und es in Jesu Namen führt. Solche Leute, die wissen und glauben, daß sie von Gott gesandt sind, das sind die einzigen, die nicht fragen nach Menschenfurcht und Menschengefälligkeit, die nicht darnach fragen, ob Menschen sie verfolgen oder ihnen wohl reden; sie können sagen: Nehmt ihr mich an, so nehmt ihr den Herrn Jesum an, verwerft ihr mich, so verwerft ihr den Herrn Jesum. Entweder ich bin Christi Knecht oder ich bin der Menschen Knecht. Bin ich aber Christi Knecht, so brauche ich der Menschen Knecht nicht zu sein. Ist darum ein Prediger wahrhaftig Christi Knecht, so fragt er nicht in der Predigt: Was beliebt der Gemeinde und was nicht? sondern was gefällt meinem Herrn? Was dem gefällt, das predigt er, was dem mißfällt, das bleibt aus seiner Predigt weg. Es zeigt sich dann aber auch bald, ob die Gemeinde eine gottselige oder eine gottlose ist. Eine gottselige Gemeinde will Gottes Wort hören und nicht Menschen Wort; eine gottlose Gemeinde will hören, wonach ihr die Ohren jucken und nicht was Gott gefällt. So wie sich ein Prediger dadurch als ein gottseliger zeigt, daß er der Gemeinde die lautere Predigt und die reinen Sakramente bringt, so zeigt sich die gottselige Gemeinde darin, daß sie die reine Predigt und die unverfälschten Sakramente verlangt. An wen schreibt der Apostel Petrus diesen Brief? An die erwählten Fremdlinge hin und her in Pontus rc. Wer sind die? Die Gelehrten haben viele Künste; und so haben sie sich auch mit ihren Künsten über dies Wort Fremdlinge her gemacht. Die einen sagen, der Apostel habe diesen Brief an die bekehrten Juden geschrieben, denn die seien Fremdlinge in den V. 1 genannten Ländern gewesen. Die andern sagen: Petrus hat diese Epistel nicht an die bekehrten Juden, sondern an die bekehrten Heiden geschrieben. Sie schließen das aus Joh. 7,35, wo es heißt: Da sprachen die Juden unter einander: Wo will dieser hingehen, daß wir Ihn nicht finden sollen? Will Er unter die Griechen gehen, die hin und her zerstreut liegen, und die Griechen lehren? So haben nun beide ihre Sachen recht gemacht. Das verstehn überhaupt die Gelehrten so schön, ihre Sachen immer recht zu machen. Ich rathe euch, glaubt nicht einem Gelehrten, weil er ein Gelehrter ist. Luther sagt schon: Die Gelehrtesten sind oft die Verkehrtesten. Fragt ihr mich: Was sagst du denn von den Fremdlingen? so antworte ich nicht als ein Gelehrter, sondern als ein Christ, und da habe ich die Erfahrung gemacht: Die Fremdlinge sind die Gläubigen. Sie stehen als die Fremdlinge mitten unter dem unschlachtigen Geschlechte dieser Welt, hie ein Häuflein und da ein Häuflein, als die, die nicht mit dazu gehören, als die Sonderlinge, als die Ausgeschiedenen, die wirklich in der That und Wahrheit nicht anders angesehen werden können. Als Fremdlinge tragen sie das Merkzeichen an ihrer Stirn: Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern die zukünftige suchen wir. Sie fühlen sich hier nicht heimisch, ihre Heimath ist droben im Himmel. Luther sagt einmal: Die wahren Gläubigen wohnen hier in einer Herberge, die führt an einigen Orten den Schild „zum Teufel“ und an andern Orten „zur Welt“. Darin kann sich doch der Fremdling nicht wohl fühlen und deßhalb geht sein Sehnen darnach, daß er in die himmlische Heimath komme. Deshalb nennt sie der Apostel Fremdlinge. Ob aus Juden oder Heiden stammend, das ist ihm einerlei, was sie gewesen sind, darauf kommt es ihm nicht an, sondern auf das, was sie sind und sie sind Fremdlinge, die von der Welt, von dem Satan und von ihren eignen Hausgenossen ausgestoßen sind und verfolgt werden. Kannst du als ein wahrer Christ dich da wohl fühlen, wo die Welt und der Teufel ihr Wesen haben? Es widert dich an, du fühlst dich in der Fremdlingschaft und Pilgrimschaft so unwohl und sehnst dich nach der Heimath. Es heißt in jenem bekannten Gesang unsers Gesangbuchs:

Mit der Welt sich lustig machen,

Hat bei Christen keine Statt.

Fleischlich Reden, Thun und Lachen

Schwächt den Geist und macht ihn matt.

Unter Christi Kreuzesfahn,

Geht es nun und nimmer an,

Mit verwegnem, rohen Herzen s

Sicher leben, sicher scherzen.

So ist’s von jeher bei allen wahren Christen gewesen und so ist’s heute noch. Aber Petrus nennt sie auch erwählte Fremdlinge. Wir sehen daraus, daß nur Einzelne aus der großen Masse heraus gewählt werden und das sind die erwählten Fremdlinge. Es wird allen das Evangelium gepredigt und so können alle aus der Welt heraus kommen, aber die meisten wollen darin bleiben; so sind Viele berufen, aber Wenige auserwählt. Alle, welche die Predigt hören und die Sakramente gebrauchen, gehören zu den Berufenen, aber nur die gehören zu den Auserwählten, die das durch Wort und Sakrament dargebotene Heil im Glauben annehmen. So sind die auserwählten Fremdlinge die wahren Christen, zu denen der Ruf zur Seligkeit gekommen ist und die denselben angenommen haben. In dem Worte erwählt liegt, wie man zum Christenthum gekommen ist, in dem Wort Fremdling was man ist, nämlich daß man nicht mehr zu dieser Welt gehört, sondern Bürger eines andern Vaterlandes ist. Wie steht es mit euch, meine Lieben? Daß ihr zu den Berufenen gehört, das ist klar, denn ihr seid getauft, genießt das heilige Abendmahl, höret und leset Gottes Wort. Aber fragt euch doch, ob ihr auch zu den Auserwählten gehört? ob ihr euch bekehrt habt? ob ihr euch von der Welt ausscheidet? ob euer Wandel im Himmel ist? – Laßt uns nun weiter gehen: Nach der Vorsehung Gottes des Vaters, durch die Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung des Blutes Jesu Christi. Gott gebe euch viel Gnade und Frieden. Die Christen, an die Petrus schreibt, sind erwählte Fremdlinge, wahre, zum Glauben gekommene und dadurch von der Welt ausgeschiedene Christen. Wem haben sie diese Seligkeit zu verdanken? sind sie das aus sich selbst geworden, aus ihrem eigenen Ruhm? Der Apostel gibt die Antwort: Nach der Vorsehung Gottes des Vaters. Daraus sehet, wie keiner aus sich selbst ein Christ geworden ist. Bin ich ein wahrhaft bekehrter Christ, so bin ich es durch die Vorsehung Gottes des Vaters. Gott hatte von Ewigkeit her den Rathschluß zu unserer Erlösung gefaßt, daß Jesus Christus kommen sollte, die Sünder selig zu machen. Bist du nun ein Christ, so bist du’s nach der Vorsehung Gottes des Vaters, nach dem Rathschluß, wonach Er Seinen Sohn senden wollte zur Erlösung der Menschen. Denn von Ewigkeit her hat Gott es gewußt, daß die Menschen fallen würden durch den Betrug des Satans und deßhalb hat Er von Ewigkeit her den Rathschluß gefaßt, daß Jesus die Menschen erlösen sollte. Darum hat Er zu Seinem liebsten Sohne gesagt:

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