Die Frithjof-Saga

Die Frithjof-Saga.

Die Frithjof-Saga ist eine aus Island stammende Heldensaga, die in ihrer heutigen Form etwa um das Jahr 1300 entstanden ist. Sie ist eine Fortsetzung der Saga um Thorstein Víkingsson und spielt hauptsächlich im Norwegen des 8. Jahrhunderts. Ursprünglich in Versform geschrieben, entledigt sich diese Ausgabe dieses Stils und nutzt stattdessen leicht verständliche Prosa. Darüber hinaus ist diese Ausgabe mit wunderschönen Bildern des schwedischen Malers August Malmström versehen.

Die Frithjof-Saga

Die Frithjof-Saga.

Format: eBook/Taschenbuch.

Die Frithjof-Saga.

ISBN eBook: 9783849660000

ISBN Taschenbuch: 9783849669737

 

KAPITEL I. FRITHJOF UND INGEBORG

Vor vielen Jahrhunderten regierte in Norwegen ein berühmter König namens Beli. Zu seiner Familie gehörten zwei Söhne und eine Tochter. Als die Tochter, die Ingeborg hieß, ihren siebten Geburtstag feierte, sagte der König zu Thorsten, einem seiner gehorsamsten Getreuen, der ihm stets zur Seite gestanden hatte: “Meine Tochter Ingeborg ist die Freude und der Stolz meines Herzens, und ich wünsche, dass sie klug und vernünftig aufwächst, wie es sich für eine Königstochter gehört. Es gibt zu viel Trubel und Aufregung in diesem Palast, sodass ich beschlossen habe, sie in das Haus von Hilding dem Weisen zu schicken, damit sie von seinen alten Lippen Klugheit lernen kann. Dein Sohn Frithjof ist immer ihr Spielkamerad gewesen, und sie ist zu jung, um allein wegzugehen; bitte lasse ihn mit ihr gehen, damit auch er dort erzogen werden kann.”

Thorstens Herz war gerührt über den Vorschlag, den der König ihm machte, und er antwortete, dass er dem Wunsch seines Herrschers, den er als eine sehr große Ehre für sich selbst und als einen Segen für seinen Sohn betrachtete, gerne nachkommen würde.

Hildings Wohnstätte war umgeben von Gärten und bewaldeten Hügeln und lag in der Nähe des Meeres, und an diesem zurückgezogenen und schönen Ort sollten Frithjof und Ingeborg die nächsten Lebensjahre verbringen. Sie waren die erlesensten Blumen des Nordens und schön anzusehen. Prinzessin Ingeborg war wie eine Rosenknospe, die gerade frisch und herrlich duftend aufblühte, während Frithjof groß und schlank war und den Betrachter an eine junge Eiche erinnerte, deren Krone vom Wind bewegt wird und wie die Feder eines Helms von einer Seite zur anderen schwingt. Noch nie zuvor waren Kinder im Nordland von den Göttern so mit Gesundheit und Schönheit gesegnet worden. Ob sie nun ihrem Lehrer mit leuchtenden Augen zuhörten, wenn er ihnen Geschichten über die alten Helden erzählte, ob sie miteinander über die mit Blumen übersäten Wiesen rannten oder in den Tannenwäldern unter dem silbernen Licht des Mondes tanzten, immer erschienen sie dem Betrachter wie jene Feen, deren bloßes Erscheinen ein Zeichen des Glücks ist und das Herz mit froher Erwartung erfüllt.

Frithjof war etwas älter als Ingeborg, und Hilding unterrichtete ihn in den alten und geheimnisvollen Runenschriftzeichen, die er anschließend bereitwillig seiner Freundin erklärte. Häufig verbrachten sie ihre Freizeit in einem kleinen Boot auf dem Meer und wagten sich kühn und furchtlos hinaus auf die Wellen, wo sie oft zum Spielball der Winde und vom tosenden Wasser durchnässt wurden; nichts gefiel Ingeborg so sehr, wie die Gischt über den Rand des Schiffes spritzen zu sehen, und sie juchzte und klatschte vor Freude in die Hände. Frithjof suchte begierig nach jeder Gelegenheit, seine Tapferkeit unter Beweis zu stellen und seiner königlichen Freundin seine Achtung zu erweisen; kein Baum war ihm zu hoch, um auf der Suche nach den Nestern junger Vögel, mit denen er sie überraschen und erfreuen konnte, hinaufzuklettern; und selbst der Horst des Seeadlers auf dem hohen und steilen Felsen war vor seinen abenteuerlichen und wagemutigen Besuchen nicht sicher. Aus seiner Hand erhielt Ingeborg nicht nur die ersten Blumen und die üppigen Erdbeeren des Frühlings, sondern auch die frühesten goldenen Ähren des Sommers. Wann immer sie zum Vergnügen durch die Wälder spazierten, trug er Waffen bei sich, um sie nötigenfalls zu beschützen, denn, so jung er auch war, hatte er doch beschlossen, für sie jedes Wagnis auf sich zu nehmen.

So vergingen die Tage der Jugend des glücklichen Paares wie ein friedvoller Traum, ungestört von Sorgen und Nöten. Nach und nach wuchs Ingeborg zu einer lieblichen Maid heran, während Frithjof ein starker und athletischer Junge wurde. Die Bestrebungen der beiden wurde ernsthafter: Ingeborg widmete sich mehr und mehr damenhaften Tätigkeiten, insbesondere dem Besticken von Wandteppichen, während sich ihr Gefährte begeistert der Jagd widmete und oft schwer beladen mit Beute zurückkehrte. Er hatte von seinem Vater nicht nur Kraft und Mut, sondern auch Selbstbeherrschung und Frohsinn geerbt. Dies machte ihn zu einem Liebling bei all seinen Freunden, die immer wieder über die unerschrockene Kühnheit staunten, mit der er die wilden Bären und andere Tiere des Waldes angriff, von denen nur wenige seinen gut gezielten Hieben mit Keule oder Speer entkamen. Die Trophäen seiner Jagdausflügen traten nun mehr und mehr an die Stelle der Blumen und Früchte, mit denen er zuvor seine schöne Gespielin begrüßt hatte, und seine größte Belohnung war es, ihr über seinen Mut staunendes Lächeln und ihr um seine Sicherheit besorgtes Gesicht zu sehen, wenn sie ihn nach seiner Rückkehr begrüßte. Wenn sie Seite an Seite vor dem Feuer aus brennenden Kiefernholzstämmen saßen und den Geschichten der alten Helden lauschten, die Hilding so gerne erzählte, oder wenn Ingeborg Lieder zu Ehren der Götter oder grauhaarigen Helden sang, die vor langer Zeit unter den grasbewachsenen Hügeln bestattet worden waren, fragte sich Frithjof, ob sie etwas anderes sein könne als eine Göttin, der der Große Vater erlaubt hatte, für kurze Zeit auf Erden zu wandeln, um in denen, die sie betrachteten, eine Vorstellung von den Freuden von Walhalla zu wecken. ” Freyas goldenes Haar wird in allen Ländern gepriesen”, sagte er zu sich, “‘aber kann es prächtiger sein als Ingeborgs? Und wenn er in ihre Augen blickte, die vom Glanz und von der Schönheit des Himmels widerstrahlten, fragte er sie: “Kann es sein, dass Hilding recht hat, wenn er sagt, dass die Göttin Friga, die Frau Odins, die schönsten Augen des Universums hat?”

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