Dumala – Eduard von Keyserling
Die schöne Baronin Karola Werland pflegt auf Schloß Dumala ihren kranken Ehemann. Drei Männer sind in sie verliebt: der verheiratete Pastor Erwin Werner, der junge Sekretär des Barons Karl Pichwit und der benachbarte Baron Behrent von Rast….. (aus lesekost.de)
Format: eBook
Dumala.
ISBN eBook: 9783849655600.
Auszug aus dem Text:
Der Pastor von Dumala, Erwin Werner, stand an seinem Klavier und sang:
»Der Nebel stieg, das Wasser schwoll,
Die Möwe flog hin und wied–e–r« –
Er richtete seine mächtige Gestalt auf. Sein schöner Bariton erfüllte ihn selbst ganz mit Kraft und süßem Gefühl. Es war angenehm zu spüren, wie die Brust sich weitete, wie die Töne in ihr schwollen.
»Aus deinen Augen liebevoll
Fielen – die Tränen – nie–ie–der.«
Er zog die Töne, ließ sie ausklingen, weich hinschmelzen.
Seine Frau saß am Klavier, sehr hübsch mit dem runden rosa Gesicht unter dem krausen aschblonden Haar, hellbeleuchtet von den zwei Kerzen, die kurzsichtigen blauen Augen mit den blonden Wimpern ganz nah dem Notenblatt. Die kleinen roten Hände stolperten aufgeregt über die Tasten. Dennoch, wenn ein längeres Tremolo ihr einen Augenblick Zeit ließ, wagte sie es, von den Noten fort zu ihrem Mann aufzusehen, mit einem verzückten Blick der Bewunderung.
Es war zu schön, wie der Mann, von der Musik hingerissen, sich wiegte, wie er wuchs, größer und breiter wurde, wie all das Süße und Starke, all die Leidenschaft herausströmten. Das gab ihr einen köstlichen Rausch. Tränen schnürten ihr die Kehle zusammen und um das Herz wurde es ihr seltsam beklommen.
»Seit jener Stunde verzehrt sich mein Leib,
Die Seele stirbt vor Seh–nen –«
Die Stimme füllte das ganze Pastorat mit ihren schwülen Leidenschaftsrufen. Die alte Tija hielt im Eßzimmer mit dem Tischdecken inne, faltete ihre Hände über dem Bauch, schloß ihr eines, blindes Auge und schaute mit dem anderen starr vor sich hin. Dabei legte sich ihr blankes, gelbes Gesicht in andächtige Falten.
Das ganze Haus, bis in den Winkel, wo die Katze am Herde schlief, klang wider von den wilden und schmelzenden Liebestönen. Sie drangen durch die Fenster hinaus in die Ebene, wo die Nacht über dem Novemberschnee lag; ja vom nahen Bauernhof antwortete ihnen ein Hund mit langgezogenem, sentimentalem Geheul.
»Mich hat das unglücksel’ge Weib
Vergiftet – vergiftet – –«
Die Fenster bebten von dem Verzweiflungsruf. Die Katze erwachte in ihrer Ecke, die alte Tija fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und murmelte:
»Ach – Gottchen!«
»Vergiftet mit ihren Tränen.« –
Die kleine Frau lehnte sich in ihren Stuhl zurück, faltete die Hände im Schoß und sah ihren Mann an.
Pastor Werner stand schweigend da und strich sich seinen blonden Vollbart. Er mußte sich auch erst wieder zurückfinden.
Jetzt war es ganz still im Pastorate. Nur Tija begann wieder leise mit den Tellern zu klappern.
»Wie Siegfried!« kam es leise über die Lippen der kleinen Frau.
»Wer?« fuhr Pastor Werner auf.
»Du«, sagte seine Frau.
Werner lachte spöttisch, wandte sich ab und begann, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und ab zu gehen.
So war es jedesmal, wenn er sich im Singen hatte gehen lassen, wenn er sich mit Gefühl vollgetrunken hatte. Dann kam der Rückschlag.
Man hatte geglaubt, etwas Großes zu erleben, einen Schmerz, eine Leidenschaft, und dann war es nur ein Lied, etwas, das ein anderer erlebt hat, und die Winde des Zimmers mit ihren Photographien, die großen schwarz und rot gemusterten Möbel, all das beengte ihn, drückte auf ihn.
Seine Frau saß noch immer am Klavier und starrte in das Licht. Auch bei ihr war der schöne Rausch der Musik vorüber. Nur eine müde Traurigkeit war übriggeblieben. Sie dachte darüber nach, warum er sich geärgert hatte, als sie »Siegfried« sagte. Das kam oft so. Wenn sie ganz voll von Begeisterung für ihn war, dann war ihm etwas nicht recht, und er lachte kalt und spöttisch.
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