Erste und zweite Apologie

Erste und zweite Apologie – Justin der Märtyrer

Die Erste Apologie war ein frühes Werk der christlichen Apologetik, das Justin Martyr an den römischen Kaiser Antoninus Pius richtete. Darin argumentiert Justin nicht nur gegen die Verfolgung von Menschen allein aufgrund ihres Christseins, sondern liefert dem Kaiser auch eine Verteidigung der Philosophie des Christentums und eine detaillierte Erklärung der zeitgenössischen christlichen Praktiken und Rituale. Es wird angenommen, dass die Zweite Apologie als Ergänzung geschrieben wurde, und zwar aufgrund bestimmter Verfahren, die in der Zwischenzeit in Rom vor Lollius Urbicus als Präfekt der Stadt stattgefunden hatten, was zwischen 150 und 157 der Fall gewesen sein muss. Diese Apologie ist an den römischen Senat gerichtet.

Erste und zweite Apologie

Erste und zweite Apologie.

Format: eBook/Taschenbuch

Erste und zweite Apologie.

ISBN eBook: 9783849660673

ISBN Taschenbuch: 9783849667719

 

Auszug aus dem Text:

Erste Apologie

1. Widmung.

An den Kaiser Titus Älius Hadrianus Antoninus Pius Cäsar Augustus1, an seinen Sohn Verissimus2 den Philosophen, an Lucius3, eines philosophischen4 Cäsars leiblichen und des Pius angenommenen Sohn, den Freund der Wissenschaften, an den heiligen5 Senat und das ganze römische Volk richte ich Justinus, Sohn des Priskus und Enkel des Bakchius, aus Flavia Neapolis in der syrischen Landschaft Palästina, für die Leute aus jedem Volksstamm6, die mit Unrecht gehaßt und  verleumdet werden, zu denen ich auch selbst gehöre, folgende Ansprache und Bittschrift.

2. Die Ungerechtigkeit allein macht unglücklich7.

Daß die wahrhaft Frommen und Weisen8 nur die Wahrheit ehren und lieben und daß sie es ablehnen, hergebrachten Anschauungen, wenn diese falsch sind, zu folgen, gebietet die Vernunft. Denn nicht nur verbietet die gesunde Vernunft9, denen nachzufolgen, die etwas Unrechtes getan oder gelehrt haben, sondern der Wahrheitsfreund muß auch auf jede Weise, wenn der Tod ihm angedroht wird, das Bekenntnis und die Ausübung des Rechten seinem Leben vorziehen. Ihr nun hört allenthalben, daß ihr Fromme und Weise, Wächter des Rechtes und Freunde der Bildung genannt werdet; ob ihr es aber auch seid, wird sich zeigen. Denn nicht, um mit dieser Schrift euch zu schmeicheln oder zu Gefallen zu reden, sind wir gekommen, sondern um zu fordern, daß ihr auf Grund sorgfältiger und verständiger Untersuchung das Urteil fällt, unbeirrt durch vorgefaßte Meinung oder durch die Rücksicht auf abergläubische Menschen und ohne in unvernünftiger Leidenschaft und nach alteingewurzeltem Vorurteil gegen euch selbst das Urteil zu sprechen. Denn wir sind überzeugt, daß uns von keinem irgendein Übel zugefügt werden kann, es sei denn, daß wir als Vollbringer einer Übeltat überführt oder als schlecht erfunden worden sind. Ihr aber könnt uns wohl töten, schaden aber könnt ihr uns nicht10.

3. Angeklagte sollen sich rechtfertigen, die Richter aber gerecht urteilen.

 Damit man aber dieses nicht für ein unsinniges und keckes Gerede halte, verlangen wir, daß die Anschuldigungen gegen sie geprüft werden und daß sie, wenn jene sich als begründet herausstellen, nach Gebühr bestraft werden. Wenn man aber nichts nachweisen kann, so verbietet die wahre Vernunft, auf ein übles Gerücht hin unschuldigen Menschen Unrecht zu tun oder vielmehr euch selbst, wenn ihr nicht nach vernünftiger Entscheidung, sondern nach Leidenschaft die Dinge zu verhängen beliebet. Denn für eine angemessene, ja für die einzig gerechte Forderung wird jeder Vernünftige die erklären, daß die Untergebenen von ihrem Leben und von ihrem Denken eine Rechenschaft ablegen, der man nichts anhaben kann, daß aber ihrerseits auch die Machthaber sich hei Abgabe ihres Urteils nicht von Gewalttätigkeit und Willkür, sondern von Frömmigkeit und Wahrheitsliebe leiten lassen; denn nur so werden sowohl die Regierenden, als auch die Regierten des Glückes teilhaftig. Sagte doch auch irgendwo einer der Alten: „Wenn nicht Regierende und Regierte Philosophen sind, können die Staaten nicht gedeihen“11. Unsere Aufgabe ist es also, in unser Leben und in unsere Lehren allen Einsicht zu verschaffen, damit wir nicht für solche, die erfahrungsgemäß mit unseren Verhältnissen unbekannt sind und aus Unwissenheit fehlen, selbst die Strafe auf uns laden; eure Sache aber ist es, uns, wie die Vernunft es fordert, anzuhören und euch als gerechte Richter zu erweisen. Denn seid ihr einmal unterrichtet, so wird euch fürderhin keine Entschuldigung bei Gott mehr zustehen, wenn ihr nicht Gerechtigkeit übet.

4. Der Name Christ beweist nichts für die Strafbarkeit eines Menschen.

Eine Namensbezeichnung ist weder ein gutes noch ein schlechtes Kriterium, wenn man von den dem  Namen zugrunde liegenden Handlungen absieht. Übrigens, soweit es auf den uns beigelegten Namen ankommt, sind wir die trefflichsten Leute. Wie wir es aber nicht für recht halten, auf den Namen hin, wenn wir als Übeltäter erfunden werden, Freisprechung zu verlangen, so ist es hinwiederum auch eure Sache, wenn wir weder in unserer Namensbezeichnung noch in unserem Verhalten als Übeltäter befunden werden, darauf hinzuarbeiten, daß ihr nicht solche, die nicht überführt sind, ungerecht bestraft und so selber straffällig werdet. Denn aus dem Namen kann vernünftigerweise weder Lob noch Strafe erwachsen, wofern nicht aus den Werken etwas Tugendhaftes oder Schlechtes erwiesen werden kann. Alle, die vor euch angeklagt sind, bestraft ihr nicht, ehe ihre Schuld erwiesen ist; bei uns aber nehmt ihr schon den Namen als Schuldbeweis an, obgleich ihr, soweit ihr nach unserem Namen urteilt, vielmehr unsere Ankläger bestrafen müßtet. Denn wir werden angeklagt, Christen zu sein; das Brave aber zu hassen, ist nicht recht12. Und wiederum, wenn einer der Angeklagten zum Leugner wird und einfach mit dem Munde erklärt, er sei es nicht, so laßt ihr ihn gehen, als hättet ihr keine Verschuldung ihm vorzuwerfen; wenn aber jemand bekennt, es zu sein, dann straft ihr ihn wegen des Bekenntnisses. Es wäre aber eure Pflicht, sowohl des Bekennenden als auch des Leugnenden Wandel zu prüfen, damit aus seinen Taten seine Schuld oder Unschuld sich ergebe. Denn wie manche, die von ihrem Lehrer Christus gelernt haben, ihn nicht zu verleugnen, wenn sie verhört werden, werbend wirken, auf dieselbe Weise geben die, welche einen schlechten Lebenswandel führen, denen, welche ohnedem dazu hinneigen, allen Christen Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit nachzusagen, dazu Anlaß. Mit Recht zwar geschieht auch dies nicht. Eignen ja doch auch manche sich den Namen und das Äußere von  Philosophen an, die in keiner Weise etwas tun, was diesem Vorgehen entspräche; ihr wisset wohl, daß auch solche von den Alten, die in Ansichten und Lehrsätzen einander widersprechen, mit dem gleichen Namen Philosophen bezeichnet werden. Von diesen haben einige Atheismus gelehrt, und den Zeus samt seinen Kindern stellen die Dichter als Wollüstling dar; die, welche ihren Anschauungen folgen, werden von euch nicht daran gehindert, vielmehr setzt ihr Preise und Ehren denen aus, welche die Götter in schönklingenden Worten verhöhnen.

5. Ursache der Christenverfolgungen sind die Dämonen.

Wie ist das nun? Inbezug auf uns, die wir geloben, kein Unrecht zu begehen und solche gottesleugnerischen Ansichten nicht zu hegen, stellt ihr keine genauen Untersuchungen an, sondern strafet uns in unvernünftiger Leidenschaft und vom Stachel böser Dämonen getrieben ohne Überlegung und unbekümmert. Denn es soll die Wahrheit gesagt werden: Vor alters hatten böse Dämonen, die Gestalten angenommen hatten, Weiber entehrt, Knaben geschändet und den Menschen Schreckbilder vorgezeigt, so daß die, welche die Vorgänge nicht mit Einsicht unterschieden, verwirrt wurden; von Furcht berückt und verkennend, daß es böse Dämonen waren, nannten sie jene Götter und legten den einzelnen den Namen bei, den ein jeder der Dämonen sich selbst gab. Als aber Sokrates mit wahrer Vernunft und nach genauer Prüfung diese Dinge ans Licht zu bringen und die Menschen von den Dämonen abzuziehen versuchte, haben die Dämonen es durch Menschen, die an der Schlechtigkeit ihre Freude hatten, dahin gebracht, daß er als Gottesleugner und Religionsfrevler hingerichtet wurde, indem sie vorgaben, er führe neue Götter ein und in gleicher Weise setzen sie gegen uns ganz dasselbe ins Werk. Denn nicht allein bei den Griechen wurden durch Sokrates vom Logos diese Dinge ans Licht gebracht, sondern auch bei den Barbaren13 von demselben Logos, als er Gestalt  angenommen hatte, Mensch geworden war und Jesus Christus hieß. Diesem folgend erklären wir, daß die Geister, die solches getan haben, nicht nur keine richtigen Gottheiten, sondern böse und ruchlose Dämonen sind, die nicht einmal dieselben Handlungen aufweisen können, wie die nach Tugend strebenden Menschen.

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