Essentielle Schriften

Essentielle Schriften – John Bunyan

John Bunyan war ein englischer Schriftsteller und puritanischer Prediger, der vor allem als Autor der christlichen Allegorie “Die Pilgerreise” bekannt ist, die zu einem einflussreichen literarischen Werk wurde. Darüber hinaus verfasste Bunyan fast sechzig Schriften, von denen viele erweiterte Predigten waren. Bunyan stammt aus dem Dorf Elstow in der Nähe von Bedford. Dort besuchte er eine Schule und trat im Alter von sechzehn Jahren während der ersten Phase des englischen Bürgerkriegs in die Parlamentsarmee ein. Nach drei Jahren kehrte er nach Elstow zurück und erlernte von seinem Vater den Beruf des Kesselflickers. Nach seiner Heirat begann er, sich für Religion zu interessieren, besuchte zunächst die Pfarrkirche, trat dann dem Bedford Meeting bei, einer nonkonformistischen Gruppe, und wurde Prediger. Nach der Restauration des Monarchen, als die Freiheit der Nonkonformisten beschnitten wurde, wurde Bunyan verhaftet und verbrachte die nächsten zwölf Jahre im Gefängnis, da er sich
weigerte, das Predigen aufzugeben. In dieser Zeit schrieb er seine spirituelle Autobiografie und begann mit der Arbeit an seinem berühmtesten Buch, das erst einige Jahre nach seiner Entlassung veröffentlicht wurde. Seine späteren Jahre verbrachte Bunyan trotz einer weiteren kürzeren Haftstrafe in relativem Wohlstand als beliebter Autor und Prediger sowie als Pastor des Bedford Meeting. Er starb im Alter von 59 Jahren. Diese Ausgabe enthält einige seiner wichtigsten, sonstigen Schriften.

Essentielle Schriften

Essentielle Schriften.

Format: Paperback, eBook

Essentielle Schriften.

ISBN: 9783849665470 (Paperback)
ISBN: 9783849662479 (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Der Heilige Krieg

Teil 1. Die Zeit der Sünde und des Abfalls

1. Kapitel

 

Die Stadt Menschen-Seele ist die Zier und Krone der Schöpfung El-Schaddais (des allmächtigen Gottes, 1. Mose 17, 1). Diabolus (der Teufel) nimmt sie ein und versichert sich ihres Besitzes.

Bei meinen Reisen kam ich durch viele Länder und wurde auch in das berühmte Land Erdboden geführt. Es liegt zwischen den zwei Polen und dehnt sich in der Mitte zwischen den vier Himmelsgegenden weit aus. Viele Leben spendende Gewässer durchstießen es wie das Blut den Leib. Die Luft war rein. Herrlich gelegene Hügel wechselten mit prächtigen Tälern und meistenteils fruchtbaren Ebenen. Die Einwohner waren nicht alle von einerlei Gesichtsfarbe, hatten auch nicht alle eine Sprache und eine Art der Gottesverehrung, und noch verschiedener waren sie in ihrem ganzen Wandel. Einige gingen auf rechten Pfaden, andere auf krummen Wegen, wonach denn ihr Schicksal auch verschieden war. Durch dieses Land führte meine Reise so lange, bis ich viel von der Muttersprache samt den Gebräuchen und Sitten der Bewohner lernte. Und ich gestehe die Wahrheit, viele Dinge, die ich unter ihnen sah und hörte, bereiteten mir Freude. Ich hätte ohne Zweifel wie ein Einheimischer unter ihnen gelebt und wäre bis zum Tod bei ihnen geblieben, hätte mich nicht mein Herr nach seinem Haus zurückberufen lassen, um dort die von ihm befohlene Arbeit zu tun. (Die Welt gefällt dem Fleisch.)

Nun liegt aber in diesem Land Erdboden eine schöne, bewundernswerte Stadt, man könnte sie auch eine Gemeinde heißen, Menschen-Seele genannt. Eine Stadt, die in ihrer Bauart so kunstvoll und schön, deren Lage so bequem ist und die so ausgedehnte Vorrechte und Freiheiten genießt, daß ich wohl von ihr sagen darf, wie ich es vorhin von dem Land sagte, wo sie liegt: Es gibt unter dem ganzen Himmel nicht ihresgleichen.

Was die Lage dieser Stadt betrifft, so liegt sie gerade im Mittelpunkt des Landes. Ihr erster Gründer und Erbauer, soweit ich das aus dem besten und glaubwürdigsten Bericht (Heilige Schrift) entnehmen kann, war einer mit Namen Schaddai, der sie zu seiner eigenen Freude erbaute. Er machte sie zum Spiegel und Widerschein alles dessen, was er schuf, erhob sie in Herrlichkeit über alles und stellte sie als das Meisterstück aller seiner Werke in diesem Land hin (1. Mose 1, 31). Ja, eine so herrliche Stadt war Menschen-Seele bei ihrer Neuschaffung, daß, wie einige sagen, die Götter (die Engel) herabstiegen, als sie nun fertig dastand, sie zu besehen, und bei ihrem Anblick vor Freude jubelten. Daher verlieh ihr auch ihr Erbauer Macht und Herrschaft über das ganze umliegende Land. Daraufhin erhielt alles den Befehl, die Stadt Menschen-Seele als Hauptstadt anzuerkennen, ihr ohne Widerrede zu huldigen und ihr in allem Gehorsam zu leisten. Noch mehr, die Stadt selbst hatte von ihrem König den ausdrücklichen Auftrag erhalten, von einem jeden Unterwürfigkeit und Dienst zu fordern, und alle, die sich in Widerspenstigkeit diesem Befehl widersetzen würden, mit Gewalt dazu anzuhalten. Mitten in dieser Stadt war ein berühmter, stattlicher Palast (das Herz) errichtet worden. An Stärke und Festigkeit glich er einer Burg, an Annehmlichkeit einem Paradies, und nach seinem Umfang hätte er ein Palast genannt werden können, der die ganze Welt zu umfassen vermag. Diesen Palast bestimmte der König Schaddai zu seinem alleinigen Wohnsitz, den kein anderer mit ihm teilen sollte; teils weil er hier seine eigenen Freuden genießen, teils es verhindern wollte, daß die Schrecken von Fremden über die Stadt hereinbrechen. In diesen Palast legte Schaddai auch eine Besatzung (die Kräfte der Seele), befahl aber die Bewachung allein den Leuten der Stadt (Matth. 22, 37).

Die Mauern und Wälle der Stadt (der anfangs unsterbliche Leib) waren nicht allein zierlich und schön, sondern auch so fest und stark gebaut, daß keine Macht sie erschüttern oder gar zerstören konnte. Denn hierin offenbarte sich die Weisheit dessen, der die Stadt Menschen-Seele erbaute, glänzend, daß diese Festungswerke niemals hätten zerbrochen oder auch nur beschädigt werden können, nicht einmal durch die höchste Macht feindseliger Fürsten, außer daß die Einwohner selbst die Hand dazu geboten hätten. Diese herrliche Stadt Menschen-Seele hatte fünf Tore (die fünf Sinne), um Ein- und Ausgang zu gewähren; und diese Tore waren so eingerichtet, daß auch sie wie die Mauern so lange uneinnehmbar waren, als die Einwohner sie den Feinden nicht selbst öffneten. Die Namen dieser Tore waren: Ohrtor, Augentor, Mundtor, Nasentor und Fühltor. In jeder Weise war diese Stadt eine Zier der Schöpfung. Ihr mangelte es an keinem Gut. Sie hatte vortreffliche Gesetze, die besten, die damals in der Welt zu finden waren. Es gab keinen Schurken, Schelm oder Verräter innerhalb ihrer Mauern. Alle Einwohner waren treue Männer und fest miteinander zu allem Guten verbunden. Und was das Herrlichste war, solange die Stadt ihre Reinheit bewahrte und sich in Treue unverrückt zu ihrem König hielt, war sein gnädiges Angesicht auf sie gerichtet, sie erfreute sich seines Schutzes und war seine Freude.

Doch zu einer Zeit erhob sich ein mächtiger Riese, Diabolus (der Teufel). Er machte einen heftigen Anlauf auf die berühmte Stadt Menschen-Seele, um sie einzunehmen und zu seiner eigenen Wohnung zu machen. Dieser Riese war ein König der Schwarzen (der gefallenen Engel) und ein höchst raubsüchtiger Fürst. Es sei uns erlaubt, zuerst etwas über den Ursprung dieses Diabolus zu reden und dann zu zeigen, wie er sich der berühmten Stadt Menschen-Seele bemächtigte.

 

Der Ursprung des Teufels

Dieser Diabolus war anfangs einer der Diener des Königs Schaddai, der von ihm dazu geschaffen und verordnet war, die höchste und mächtigste Stelle einzunehmen, und der König vertraute ihm die besten seiner Gebiete und Herrschaft en zur Verwaltung an. Er war zum „Sohn des Morgens“ oder zum „schönen Morgenstern“ (Jes. 14, 12) gemacht worden und besaß ein herrliches Fürstentum, das ihm viel Glanz und Ruhm verlieh, auch ein solches Einkommen gewährte, das ihn wohl hätte zufrieden stellen können, wenn nicht sein luziferisches Herz so unersättlich gewesen wäre wie die Hölle selbst (2. Petr. 2, 4). Denn er hatte nichts Geringeres im Sinn, als sich zum Herrn über alles zu machen und die Allein-Herrschaft unter Schaddai so an sich zu reißen, daß dieser ihm nichts mehr anhaben könne. Doch jene Herrschaft hatte der König seinem Sohn (Christus) allein vorbehalten und sie ihm auch bereits übertragen. Darum dachte Diabolus zuerst darüber nach, wie die Sache wohl am besten anzufangen ist, und teilte dann seinen Plan einigen seiner Gefährten mit, die ihm sogleich zustimmten. Sie kamen am Ende zu dem Beschluß, daß sie einen Angriff auf des Königs Sohn machen, ihn stürzen und sich in Besitz seines Erbes setzen wollten.

Es wurde nun auch gleich die Zeit festgesetzt, das Losungswort gegeben, der Rebellenhaufen an einem bestimmten Ort versammelt und der Angriff versucht. Da nun aber vor dem König und seinem Sohn nichts verborgen bleiben konnte, weil sie allezeit alles sahen und wußten, so mußten ja notwendig auch diese Vorgänge offen vor ihnen daliegen. Und da der König jederzeit die innigste Liebe zu seinem Sohn in seinem Herzen trug, so mußte er natürlich durch das, was er sah, sehr beleidigt, ja zum höchsten Zorn entflammt werden. Plötzlich kam er daher über sie und ergriff sie in dem Augenblick, als die Empörung losbrechen sollte, überführte die Empörer ihres Hochverrats, ihrer entsetzlichen Verschwörung, und warf sie aus allen Orten hinaus, die er ihnen anvertraut hatte, entsetzte sie ihrer Ehrenstellen und entzog ihnen seine Vergünstigungen sowie alle Freiheiten und Privilegien. Nachdem das geschehen, verbannte er sie vollkommen von seinem Hof, stieß sie hinab in Grausen erregende Gruben und kündigte ihnen an, daß sie nie mehr die geringste Gunst von seiner Hand zu erwarten hätten, sondern auf ewig unter dem Gericht und Fluch bleiben sollten, die über sie ergangen waren (2. Petr. 2, 4).

Satans Pläne zur Verführung des unschuldigen Menschen

Hinausgestoßen aus den glänzenden Wohnungen des Lichts, beraubt alles Vertrauens, entkleidet aller Ehre und in sich das zermalmende Bewußtsein, ihres Königs Gunst auf immer verscherzt zu haben, hätten sie gern das schreckliche Joch abgeschüttelt, doch vergeblich! Sie knirschten vor Wut und stachelten sich daher in ihrem früheren Hochmut zu neuer Bosheit und Empörung gegen Schaddai und seinen Sohn auf. In wilder Raserei tobten sie deshalb umher und schweiften von Ort zu Ort, ob sie nicht vielleicht etwas ausfindig machen könnten, was dem König gehört, um sich durch Raub und Schändung an ihm zu rächen. Und so geschah es, daß sie endlich auch in das ausgedehnte Land Erdboden kamen und ihren Lauf geradewegs auf die Stadt Menschen-Seele richteten. Sie wußten, daß gerade diese Stadt eines der vornehmsten Werke des Königs, ja seine Freude ist, und beschlossen sogleich, sie heftig anzugreifen. Es genügte ihnen ja, daß sie Schaddai gehörte, und da sie dabei gewesen waren, als er sie für sich selbst baute und schmückte, erfüllte sie nach beiden Seiten hin der schwärzeste Neid. Als sie den Ort gefunden hatten, stießen sie ein entsetzliches Freudengeschrei aus und erhoben darüber ein Brüllen wie das Brüllen eines Löwen, bevor er sich auf seine Beute stürzt (1. Petr. 5, 8). Freudetrunken riefen sie sich zu: „Jetzt haben wir das Mittel, ja den lohnenden Preis gefunden, wo wir uns für alles, was er uns getan hat, an dem König Schaddai rächen können.“ Sofort setzten sie sich nieder, beriefen einen Kriegsrat und überlegten, welche Wege sie wohl am besten einzuschlagen hätten, um die herrliche Stadt Menschen-Seele in ihre Gewalt zu bringen. Folgende vier Vorschläge wurden dabei in engeren Betracht gezogen:

1.       Ob sie sich alle auf einmal offen vor der Stadt Menschen-Seele sehen lassen sollen.

2.       Ob sie sich in ihrer gegenwärtigen elenden Gestalt und in ihrem bettelhaften Aufzug der Stadt gegenüber lagern.

3.       Ob sie der Stadt Menschen-Seele ohne Umschweife ihre Absicht verraten oder ihr Vorhaben in trügerische Worte und falsche Vorspiegelungen hüllen sollen. Oder ob es

4.       nicht das Klügste wäre, einigen ihrer Gefährten den geheimen Befehl zu geben, jede Gelegenheit zu suchen, einen oder mehrere der vornehmsten Bürger der Stadt niederzuschießen, wenn sie sich blicken lassen.

 

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