Fanny Förster

Fanny Förster – Ida Boy-Ed

Ein Frauenroman in dem die reiche und sich für ihre Freunde aufopfernde Gutsherrin Fanny Förster die Titelrolle spielt. Die in Lübeck verstorbene Ida Boy-Ed verfasste über 70 Romane und Erzählbände.

Fanny Förster

Fanny Förster.

Format: eBook.

Fanny Förster.

ISBN eBook: 9783849654887

 

 

Auszug aus dem Text:

»Sie wird nicht weinen, nein, sie wird nicht weinen,« sagte Arnold von Herebrecht vor sich hin und legte die Faust schwer auf das vor ihm ausgebreitete Schriftstück. Dies trug ein kaiserliches Siegel und die Unterschrift des Marineministers. Der Inhalt des Schreibens kam übrigens dem Empfänger nicht unerwartet; längst wußte man, daß die Korvette »Maria« im Herbst eine zweijährige Reise anzutreten habe, um die neuen Kolonien zu besuchen, und dort vielleicht so Schutz wie Besitzvermehrung bewirken solle. Auch daß ihn, den Kapitän zur See von Herebrecht, diesmal der Ruf treffen würde, unter den das Schiff begleitenden Offizieren zu sein, hatte er wohl vermutet, aber kein Wort von dieser Voraussicht war ihm seinem Weibe gegenüber von den Lippen gegangen. Jetzt jedoch mußte er ihr die Berufung, der schon nach acht Tagen die Trennung zu folgen hatte, jetzt mußte er sie ihr mitteilen. Er stand langsam auf, das Papier knitterte unter seiner Faust, die er wie zur Stütze beim Erheben auf Schriftstück und Tischplatte belassen. Er besann sich, wie er es ihr sagen solle und was sie antworten würde.

»Sie mag es lesen,« entschied er sich endlich. Er fühlte es wohl, daß ihr dann Zeit bleibe, eine höfliche, ja vielleicht eine gütige Antwort zu finden, während dem gesprochenen, raschen Wort »Ich gehe« ebenso rasch ein froher Ruf folgen konnte.

Die Thür, welche von dem Arbeitszimmer des Kapitäns in das Wohngemach seiner Frau führte, ging langsam auf, Adrienne, die am Fenster saß und nähte, hob nicht einmal die tief auf die Arbeit geneigte Stirn. Herebrecht stand, am Thürpfosten gelehnt, eine Weile still und überschaute das Bild, das ihm sein Weib, sein Kind und sein Heim so boten.

Die Stube hatte zwei Fenster, welche auf eine der engen und überaus geräuschvollen Straßen Kiels sahen; Sonnenschein fand hier keinen Eingang, denn wenn das Zimmer auch nicht nach Norden gelegen hätte, würde die gegenüberliegende nahe Flucht der hohen Häuser doch jeden Sonnenstrahl abgewehrt haben. Die Möbel, welche durch Form und Ueberzug verrieten, daß sie höchstens zwei Jahre alt sein mochten, waren ebenso weit von Eleganz wie von Dürftigkeit entfernt und zeigten in ihrer ganzen Anordnung jenen erschrecklichen Allerweltsgeschmack, der es verbietet, aus dem Gepräge eines Wohngemachs auf die Liebhabereien der Bewohner zu schließen. An der Hauptwand befand sich ein Sofa, davor auf mäßig großem Teppich ein Tisch mit Decke und epheuumkränzter Alabasterschale, über dem Sofa ein Bild der Königin Luise von Richter; rechts und links vom Tisch standen zwei nie benützte Lehnstühle; dann an der einen Wand ein verschlossenes Piano und an der andern ein Damenschreibtisch, dessen Platte jedoch von peinlich symmetrisch geordneten Nippes besetzt war. Die Zwischenräume an den Wänden waren von Stühlen ausgefüllt, die so von allen vier Seiten ihre Sitze und Vorderbeine steif von der Mauer dem Stubeninnern zukehrten wie in einem Wartesaal, weniger zum Sitzen einladend, als ihr vorschriftsmäßiges Dasein zeigend. Auf den beiden Fensterbrettern standen einige blütenlose Topfgewächse; vor dem einen Fenster, zwischen den weißen Gardinen, saß die junge Frau an einem Nähtischchen und nähte, die Hand wie eine bezahlte Nähterin mit unermüdlicher Gleichmäßigkeit hebend und senkend.

Dieses Bild, in immer derselben Färbung des sonnenlosen Lichts auf den graubraunen Möbeln, dem dunklen Frauengewand und dem rötlichen Weiberkopf, sah Arnold von Herebrecht so schon seit zwei Jahren, er mochte eintreten, zu welcher Tageszeit er wollte. Nur einmal hatte es sich verändert: da fehlte die nähende Frau vier Wochen an ihrem Fensterplatz, und als sie ihn wieder einnahm, stand neben ihr eine Wiege mit dem schlummernden Söhnchen. Das war jetzt ein Vierteljahr her.

Nun, da ihm dies einförmige Gemälde eines regelmäßigen Frauendaseins vielleicht zum letztenmal vor Augen trat, da vor seinem geistigen Auge schon das farbenspielende Meer und die glühende Tropenwelt aufstiegen, sagte er sich plötzlich: »Es ist wahr, ihre Tage waren unendlich gleichtönig.«

»Adrienne,« sprach er, »Du hast so oft eine Veränderung unseres Lebens ersehnt, hier die Kunde einer sehr bedeutungsvollen.«

Er trat zu ihr und reichte ihr den Einberufungsbefehl. Sie nahm und las. In ihr feines weißes Gesicht stieg ein Erröten. Es war das einzige Zeichen einer innern Bewegung, denn mit einem ruhigen Aufblick ihrer dunklen Augen reichte sie ihm das Papier zurück. Sie schwieg. Sein männliches Gesicht, das durch einen großen Bart und peinlich straff aus der Stirn gebürstetes Haar ohnehin einen Eindruck von Strenge machte, wurde noch herber, seine kurzsichtigen, scharfen Augen kniffen sich zusammen, wie es seine Art war, wenn er jemand durchdringend ansehen wollte.

»Du hast kein Wort?«

»Was soll ich dazu sagen?« fragte sie entgegen. »Dein Kaiser ruft, es ist Deine Pflicht und Dein Beruf, zu gehorchen.«

»Freust Du Dich, daß ich gehe?« sagte er wider Willen halblaut und mit einem gewissen Drängen in der Stimme. Sie sah ihn traurig an.

»Nein,« antwortete sie, »ich freue mich nicht. Wie sollte ich auch? Während Du hier warst, konnte ich doch hoffen, daß irgend ein Zufall, irgend eine dienstliche oder andere Veränderung in Deinem Dasein auch das meine mit freundlicher gestalten könne. Nun Du gehst, wird meine Abgeschiedenheit vollends zur Klausur werden.«

»Liebes Kind,« sagte er mit Milde, »ich will Dir nicht wiederholen, was wir schon bis zum Ueberdruß besprochen haben, daß es nämlich durchaus unnötig, ja, daß es geradezu eigensinnig von Dir war, auf all die kleinen Freuden des Lebens verbittert zu verzichten, die doch auch andere Menschen in gleich unseren bescheidenen oder noch bescheideneren Verhältnissen finden. Eine Aenderung von außen erhoffen, hieße ein Wunder vom Himmel erwarten.«

»Ja,« rief sie, während allmälich zwei rote Fleckchen auf ihren Wangen entbrannten, »ja, es war ein Wahnsinn, dergleichen zu hoffen. Unabänderlich – unabänderlich! Das ist das krächzende Wort, das mir jeder Tag zuschreit. Du wirst in Deiner Berufslaufbahn den Schneckengang, den üblichen, vorwärts gehen, trotz allem Ernst, trotz aller Fähigkeit. Während wir noch jung sind, während wir genießen könnten, heißt es, mit der kleinen Gage reichen und noch davon zu erübrigen, um Deinem Bruder Zuschüsse zu gewähren. Du bist arm, ich bin arm, und von keiner Seite haben wir Erbschaften zu erwarten. Nein, Arnold, ich wollte die kleinen, kargen, lügnerischen, mühselig ersparten Vergnügungen nicht, mit denen andere in solcher Lage das Dunkel ihres Daseins erleuchten wie mit Talglichtern. Ich will ein ganzes, ein helles, großes Glück.«

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