Gegen die Heiden (Adversus Nationes)

Gegen die Heiden (Adversus Nationes) – Arnobius Major

Arnobius ist ein energischer Apologet des christlichen Glaubens, verteidigt und erklärt dessen edlen Monotheismus (deus princeps, deus summus), die Göttlichkeit Christi und der christlichen Religion, bewiesen durch deren schnelle Verbreitung, ihren unglaublichen Einfluss auf unzivilisierte Völker und ihre Übereinstimmung mit den Ansichten der besten Philosophen. Die heidnische Götzenverehrung widerlegt er als voller Widersprüche und offen unmoralisch. Sein Werk, vor allem die Bücher III-IV, ist reich an kuriosen, aus zuverlässigen Quellen (z.B. Cornelius Labeo) gewonnenen Informationen über die Formen des Götzendienstes, die Tempel, die Götzen an sich und die griechisch-römische Mythologie seiner Zeit, weshalb es von lateinischen Philologen und Antiquaren sehr geschätzt wird. Er hält die heidnischen Götter für wirkliche Wesen, die aber dem höchsten christlichen Gott untergeordnet sind; die menschliche Seele ist nicht das Werk Gottes, sondern eines Zwischenwesens, und sie ist nicht von Natur aus unsterblich, aber fähig, die Unsterblichkeit als Gnade anzulegen.

Gegen die Heiden (Adversus Nationes)

Gegen die Heiden (Adversus Nationes).

Format: eBook/Taschenbuch

Gegen die Heiden (Adversus Nationes)

ISBN eBook: 9783849659769

ISBN Taschenbuch: 9783849668594

 

Auszug aus dem Text:

 

Nr. 1

 Dieweil ich in Erfahrung gebracht habe, daß nicht Wenige, welche ihrer Einbildung zufolge sich gar große Einsicht zutrauen, rasen, toben und gleichsam als wie etwas Offenbares aus einem Orakelspruche verkünden: nachdem auf dem Erdkreise das Christenvolk angefangen habe, sey derselbe in Verfall und mannigfaltige Uebel suchten das Menschengeschlecht heim; ja selbst die Himmlischen, welche sonst unsre Angelegenheiten zu beachten pflegten, hätten sich die gewohnte Sorgfalt hintansetzend dem Bereiche der Erde entzogen: so beschloß ich nach Fassung und Unvermögen der Rede dem Schimpf zu begegnen, wie auch die ränkevollen Anschuldigungen zu vernichten, damit ein Mal jene nicht etwa meinen durch Vorbringung solcher Pöbelreden etwas Bedeutendes auszusagen, und dann, damit, enthalten wir uns derlei Streitigkeiten, sie nicht glauben, ein Recht, durch ihre Schlechtigkeit gewonnen und durch das Schweigen der Verteidiger nicht zerstört, erlangt zu haben: denn keinesweges möchte ich läugnen, diese Beschuldigung sey eine sehr schwere, und allerdings verdienten wir den feindseligen Haß, fände sich außer Zweifel gesetzt bei uns der Grund, weßhalb der Weltgang von seinen üblichen Gesetzen abgewichen, die Götter verbannt und dem Menschengeschlecht solche Schwärme von Drangsalen herbeigeführt worden.

 

Nr. 2

Wir wollen also dieser Meinung Sinn beschauen, und welcher Art das Gesagte sey. Wir wollen, mit Entfernung aller Neigung zu Streit, durch welche die Betrachtung der Dinge nur verdunkelt und verhüllt zu werden pflegt, ob das AusGesagte wahr sey, durch die Prüfung schicklicher Punkte erwägen: denn in Wahrheit wird sich durch die Verbindung der Schlußfolgen darthun, daß nicht so sehr wir Unfromme, sondern vielmehr sie selbst, welche sich als die Verehrer der Götter und Anhänger der altherkömmlichen Religion bekennen, von jener Beschuldigung getroffen werden. Zuerst  untersuchen wir die ihnen so heimische und gefällige Rede: nachdem der Name der christlichen Lehre auf Erden angefangen, was Ungewöhnliches, Unbekanntes, wider das von Anfang her angeordnete Gesetzliche jener Zustand der Dinge, den man Natur nennt, empfunden oder ertragen habe? Ob jene ersten Elemente, aus welchen alle Dinge, wie übereinstimmend ist, zusammengefügt worden, in entgegengesetzte Qualitäten umgewandelt wurden? Ob wohl die Fügung dieser Maschine und dieses Gebäudes, welche uns Alle decken und umschließen, in irgend einem Theil nachließ oder sich auflöste? Ob etwa der Umschwung des Himmels, abschweifend von dem Maaße seiner ursprünglichen Bewegung, entweder langsamer zu schleichen oder mit hastigerer Schnelle fortgerissen zu werden begann? Ob die Sterne von Westen her nun aufsteigen und im Osten zum Untergang sich neigen? Ob die Königin der Sterne, die Sonne selbst, deren Licht Alles schmückt und mit Farbe belebt, zu entbrennen nachließ, lau wurde und die natürliche Beschaffenheit gewöhnlicher Temperatur in entgegengesetzten Zustand fälschte? Ob der Mond abließ sich zu erneuen und zurückzuführen immerfort durch Erneuerung die alten Gestaltungen? Ob die Kälte, die Hitze, die mittlere Wärme der ungleichförmigen Jahreszeiten durch Verwirrung zu Grunde gingen? Ob der Winter jetzt lange Tage habe, und ob des Sommers Nacht spätes Licht hervorrufe? Ob die Winde ausgeblasen, ob nach erloschenem Feuer weder der Himmel mit Wolken sich umziehe, noch der Acker von Regen befeuchtet gedeihe? Den ihr anvertrauten Samen weigert die Erde zu empfangen? Nicht wollen die Bäume ergrünen? Die Schmackhaftigkeit der eßbaren Früchte, der Saft des Weinstockes, sie sind gewandelt? Den Olivenkernen wird garstige Gauche [=Jauche, Grimm Wb] entpreßt, und nicht wirkt das erloschene Licht? Die dem Festlande eigenthümlichen Thiere, wie auch die im Wasser lebenden leiden keine Brunst, pflanzen sich nicht fort? Die im Mutterschooß empfangenen Fruchtgebilde werden nicht auf ihre Weise und gemäß ihrer Siegel bewahrt? Die Menschen selbst endlich, welche die erste, beginnende Betriebsamkeit durch die bewohnbaren Striche des Erdkreises hin zerstreut, knüpfen sie nicht mit rechtlicher Förmlichkeit das Eheband? erzeugen sie nicht die süßesten Nachkommen? betreiben sie nicht öffentliche, bürgerliche und eigene Geschäfte? bilden sie nicht, wie ihnen beliebt, ihren Geist und ihre Talente in mannigfaltigen Künsten und Wissenschaften aus, und treiben eifriger Bemühung Zinsen ein? Herrschen sie nicht? befehlen sie nicht, welchen hierzu das Loos gefallen ist? wachsen sie nicht täglich an Würde und Macht? sitzen sie nicht den Streitigkeiten der Gerichte vor? legen sie nicht Gesetz und Recht aus? Ja, feiern nicht Alle alles Uebrige, wodurch das menschliche Leben umgürtet und zusammengehalten wird, nach der bei ihren Völkern altväterlich hergebrachten Weise und Anordnung?

 

Nr. 3

Da diese Dinge also bestehen und keine Neuerung hereingebrochen ist, welche den andauernden Bestand derselben durch Trennung der Fortdauer geändert hat, was sagt man denn, es sey der Erde ein Verderben zugefügt  worden, nachdem die christliche Lehre in die Welt hereingekommen der verborgenen Wahrheit Geheimniß offenbarte? Die Pestseuchen aber, sagen sie, die Dürre, die Kriege, die Heuschrecken, die Mäuse, der Hagelschlag und die andern schädlichen Zustände, welche den menschlichen Lebensverkehr bestürmen, verhängen die durch eure Frevel und Beleidigungen erbitterten Götter über uns. Wäre es nun nicht Thorheit, bei ganz augenscheinlichen, keiner Verteidigung bedürftigen Dingen länger zu verweilen, so könnte ich in Wahrheit der verflossenen Jahrhunderte eingedenk darthun, wie diese von euch erwähnten Uebel nicht unbekannt, nicht jählings waren; noch auch, daß diese Verderbnisse, nachdem unser Volk dieses Namens Glückseligkeit zu empfangen gewürdigt worden, hereinzubrechen und durch der Unterschiede Umstellung die menschlichen Zustände zu belästigen angefangen haben: denn sind wir daran Schuld, wurden zur Strafe unsres Verbrechens diese Pestseuchen ersonnen, woher wußte das Alterthum die Namen der Mißgeschicke? woher gab es dem Kriege die Benennung? wie konnte es die Pest, den Hagelschlag bezeichnen? oder unter seine Worte, in welchen die Sprache sich darthat, aufnehmen? Sind nämlich diese Uebel neu und haben sie Veranlassung von frischen Widerwärtigkeiten, wie konnte geschehen, daß es Worte für Dinge bildete, deren Erkenntniß ihm mangelte und die es in keiner Zeit der Vorfahren entstanden wußte? Man sagt, Mangel der Furcht und Angst vor Hungersnoth bedrängten uns dichter. Die alten und ältesten Jahrhunderte waren wohl ehedem solcher Noth ledig? Bezeugen und rufen nicht die Namen selbst, mit welchen man diese Uebel bezeichnete, nie sey ein Sterblicher ihrer befreit dahingegangen? Ist die Sache schwer zu glauben, so könnten wir durch der Schriftsteller Zeugnisse darthun, welche und wie bedeutende Völker so vielmal schauderhafte Hungersnoth erduldet haben und durch häufige Dürre zu Grunde gerichtet wurden. Ungemeine Hagelschläge ereigneten sich und trafen allenthalben: denn finden wir nicht in alten Schriften aufgezeichnet und zusammengetragen, wie daß auch Steinregen oft ganze Landschaften zerstörten? Regenmangel macht die Saat abstehen und kündet Unfruchtbarkeit des Bodens an. Das Alterthum war wohl solcher Uebel ledig? da wir doch erfahren haben, daß selbst große Ströme zu Staub ausgetrocknet sind. Pestseuchen verbrennen das Menschengeschlecht. Durchlauft die in verschiedenartigen Sprachen verfaßten Annalen und ihr werdet vernehmen, oftmals seyen sämtliche Länder verwüstet ihrer Bewohner beraubt worden. Heuschrecken, Mäuse vernichten und fressen jede Art Frucht. Durchgeht euere Geschichten, und ihr werdet euch unterrichten, wie oft die Vorzeit von diesen Uebeln heimgesucht dem Jammer der Nothdurft zu Theil wurde. Die durch die heftigsten Bewegungen der Erde erschütterten Städte schwanken bis zur Gefahr. Wie nun, haben die früheren Zeiten keine durch die größten Spaltungen des Erdbodens sammt den Einwohnern versunkene Städte geschaut? oder waren sie etwa vor solcherlei Unfällen glücklicher Weise gesichert?

 

Nr. 4

Wann ist das Menschengeschlecht durch Ueberschwemmungen  vertilgt worden? nicht schon vor uns? Wann ward die entzündete Welt in Glut und Asche aufgelöst? nicht bereits vor uns? Wann bedeckten die ansehnlichsten Städte Meeresfluthen? nicht vor uns? Wann führte man mit wilden Thieren Kriege und kämpfte mit Löwen? nicht vor uns? Wann kam den Völkern die Gefahr von giftigen Schlangen? nicht vor uns? Weil ihr nun ferner gewohnt seyd, uns die Veranlassung häufiger Kriege vorzuwerfen, die Verwüstungen der Städte, die Einfälle der Germanen und Skythen, so will ich euch deßwegen mit eurer Erlaubniß und gütigen Nachsicht sagen, was in dem Gesagten eigentlich sey, und ihr aus Lust zu Ränken nicht seht.

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