Godwi

Godwi – Clemens Brentano

“Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter – Ein verwilderter Roman” ist ein romantischer Roman von Clemens Brentano, der das Werk mit Unterbrechungen vom Frühsommer 1798 bis Anfang August 1801 verfasste. (aus wikipedia.de).

Godwi

Godwi.

Format: eBook.

Godwi.

ISBN eBook: 9783849654740

 

 

Auszug aus dem Text:

Hu! es ist hier gar nicht heimisch, ein jeder Federstrich hallt wider, wenn der Sturm eine Pause macht. Es ist kühl, mein Licht flackert auf einem Leuchter, der aus einem in Silber gefaßten Hirschhorne besteht. In dem Gemache, in dem ich sitze, herrscht eine eigene altfränkische Natur; es ist, als sei ein Stück des funfzehnten Jahrhunderts bei Erbauung des Schlosses Eichenwehen eingemauert worden, und die Welt sei draußen einstweilen weitergegangen. Alles, was mich umgiebt, mißhandelt mich, und greift so derb zu wie ein Fehde-Handschuh. Die Fenster klirren und rasseln, und der Wind macht ein so sonderbares Geheule durch die Winkel des Hofes, daß ich schon einigemal hinaussah und glaubte, es führen ein halb Dutzend Rüstwagen im Galopp das Burgtor herein.

Diesem äußern Sturme hast du meinen Brief zu danken, er stürzt sich zwischen mir und meiner Umgebung wie ein brausender Waldstrom hin, und alle Betrachtungen liegen am jenseitigen Ufer. So muß ich dann meine Zuflucht in mich zurück, in mein Herz nehmen, wo du noch immer in der Stellung der Abschiedsstunde gegen mir über in unserm Garten sitzest und mir gute Lehren giebst.

Es ist oft so, wie in diesem Augenblicke, und ich glaube, daß der Sturm in der Natur und dem Glücke, ja daß alles Harte und Rauhe da ist, um unsern unsteten Sinn, der ewig nach der Fremde strebt, zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen. Wenn draußen der wilde Sturm in vollen Wogen braust, dann habe ich nie meinen so oft beklagten Drang nach Reisen empfunden. Mein Ideal – kennst du es noch? – verschwindet in der Nacht. Ich wünsche nicht, zwischen hohen schwarzbewachsnen Bergwänden, ein liebliches leichtsinniges Weib an meiner Seite, auf weißer mondbeglänzter Bahn, im leichten Wagen hinzurollen; daß mir die schönste Heimat in dem Arme ruht, die mich nie mit trägen Fesseln bindet, wo, Ring an Ring gereiht, höchstens ein bewegliches Einerlei entsteht; daß vor mir laut das muntre Horn des Schwagers die lockenden Töne nach der Fremde glänzend durch die Büsche ruft, und Echo von allen Felsen niederspringt, und alles frei und froh die verbotenen Worte durch die Nacht ruft:

So weit als die Welt,

So mächtig der Sinn,

So viel Fremde er umfangen hält,

So viel Heimat ist ihm Gewinn.

Nein, alles dieses nicht; ich empfinde dann fast die Zulänglichkeit von guten Familiengemälden, wo es ohne Zugluft hergeht, und keiner in die Hitze trinkt, und jeder Husten oder Schnupfen von gutem Adel ist und viele Ahnen zählt.

Wenn die Katzen vor den Türen Minnelieder singen, und ein Käuzchen vor dem Fenster das Sterbelied von ehrlichen Bürgern singt, die ohne die Anlage des Schwans, das letzte Leben in Melodien auszuhauchen, doch ohne Singen nicht sterben mögen, dann drängt sich wohl das Weib zu dem Manne furchtsam hin, es wird die Furcht zur Liebe, in der sich alles löst, und alles bindet sich in dieser schönen Minute; die Sinne, die in Träumen wie in fremden Feenländern schwebten, sie kehren in sich selbst in die eigentlichste Heimat zurück, und in dem Traum, der das höchste Wachen unter sich sieht, ersteht nun hier das Denkmal jener schönen Mythe, wo Gott sich mit dem ersten Menschen im Schlafe dicht verband, und sich seinem Herzen das Schöne, die Poesie, das Weib entwand. Wie hier Furcht zwischen der Ehe und ihrer Pflicht stand, so steht sie hier zwischen der Freundschaft und diesem Briefe.

Das Blatt Postpapier vor mir und ich, wir sind wohl die leichtesten Wesen in dem ganzen Umkreise, den ich überschielen kann, denn um mich sehen könnte ich um alles in der Welt nicht; von allen Seiten bin ich eingeschlossen, die Ahnherren schließen ein Bataillon carré um mich. Vor mir vereinigt sich die Linie mit Anfang und Ende. Rechts hängt der bärtige Herr Kunz von Eichenwehen, vom Kopfe bis zum Fuße in Eisen gehüllt, er hat im eisernen Zeitalter dieses Schloß erbaut, zur Linken kommt Frau von Eichenwehen mit bloßer Brustman schoß in ihrem Zeitalter nicht mehr mit eisernen Pfeilen; dann kommt ein Hirschkopf, der in die Wand eingemauert ist, und ach! wer kommt nun? – das liebe schöne Mädchen, das mich hier verließ, sie hat eine Rose in der Hand, neben mir auf meinem Tische liegt auch eine – wenn ich der Maler gewesen wäre, so hätte ich der Mutter eine Spindel in die Hand gegeben, und der Tochter ein Buch, um anzuzeigen, wie Flachs Leinewand, Leinewand Lumpen, und Lumpen Bücher werden.

Sie hat ein weißes Kleid an – das war der letzte freundliche Lichtstrahl, den ich heute erblickte. Mein Blick stand auf der räucherigen Wand, als sie verschwunden war, und das Ächzen der ungeheuren Türe verschlang ihre freundliche gute Nacht und meinen Seufzer. Die Rose vor mir sieht mich so freundlich an, – o du verfluchtes Tischbein! Der Tisch hat Beine, die sich mit meinen leichten Füßen gar nicht vertragen. – Sonderbar, kaum spreche ich dieses Wort mit Schmerz und Unwillen aus, so bin ich auch schon wieder mit ihm versöhnt. Unter dem Gemälde des freundlichen Mädchens steht: Tischbein pinxit. Doch was soll das!

Ich bin in der Burg irgend eines Landedelmannes, das merkst du wohl, und fühle nur zu sehr, wie viel langweiliger es hier ohne ein gewisses Etwas wäre als bei den himmlischen Einfällen in den geschmackvollen Gemächern der einzigen Molly in B.: aber das gewisse Etwas wird in der unangenehmen Atmosphäre, wie die Rose vor mir in diesem ungeheuren Saale, wie ein einziger kleiner Stern in der dunkelsten Gewitternacht, so reizend, so freundlich, daß ich es lieber anschaue als die Sonne im Glanze des Mittags. Die Rose, der Stern tröstet mich, indes die Sonne mich nur blendete. Pfui! keine Ungerechtigkeit, sie erwärmte mich

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