Heidepeters Gabriel

Heidepeters Gabriel.

Der Titelheld hungert nach Bildung, die er in seiner sehr ländlichen Heimat nur selten antrifft. So zieht er in die Stadt, wird Lehrer und versucht nach seiner Heimkehr das Gelernte weiterzugeben  …

Heidepeters Gabriel

Heidepeters Gabriel

Format: eBook.

Heidepeters Gabriel.

ISBN: 9783849653071

 

Auszug aus dem ersten Kapitel:

 

Auf dem Rasenplatz vor dem Heidehause liefen Leute herum in großer Verwirrung.

»Schlagt ihn tot! Schießt ihn nieder! Werft ihm den Schädel ein!« riefen sie und zerrten Stangen herbei und haschten nach Steinen und stürmten im Hause umher nach einem Gewehr.

Den Kettenhund wollten sie umbringen.

An der Hausecke unter dem breiten Dache stand der Holzkobel, und an diesen war das Tier gefesselt. Mit aller Kraft riß und rasselte es an der Kette und stöhnte und winselte dabei. Es lechzte, es schnappte um sich in die Luft hinein, es wand und wälzte sich, es zerrte mit den Vorderpfoten an den Ohrläppchen und kratzte im Sand und rieb den Kopf an dem Boden und schnappte fort und fort um sich. Der kleine Gabriel hatte beim Fenster herausgesehen, weil gerade Zapfenwirts Davidl vorüberhopste; da sah er an dem Hunde das seltsame Gebaren. Der Knabe lief hinaus und wollte das ihm sonst so anhängliche Tier streicheln, aber klapps, biß es ihn in den Schenkel, daß das Blut durch das Höslein rann. Ganz kleinlaut kam er zurück in die Stube. Darauf gewahrte es auch seine Mutter, die Heidepeterin, und sie sagte zum Knecht:

»Was hat denn heut’ der Waldl? Gar den Buben hat er ‘bissen.«

Der Knecht schlug sogleich einen wahnsinnigen Lärm und lief zu den Nachbarn, und die Nachbarn machten neuen Lärm und liefen wieder zu anderen Nachbarn, und so kamen nach und nach die Leute zusammen vor dem Heidehause und schrien:

»Wütend ist das Best! Nur gleich totschlagen, niederschießen!«

»Die Hundswut!« kreischten die Weiber.

»Peterin, habt’s denn keine Büchsen im Haus?« lärmte ein Bauer durch das Gehöft.

Die Peterin hörte ihn kaum, sie hatte den kleinen Gabriel in einen Wasserkübel gestellt, und in wahrer Todesangst wusch sie die Bißwunde am Schenkel.

Der Heidepeter kam vom Walde heim.

– Was denn heut’ bei mir so viel Leut’ herumrennen? ‘s ist doch ‘leicht nichts geschehen! – dachte er bei sich, da hörte er schon:

»Der Hund ist wütend!«

Der Peter sah dem Tier eine Weile zu und lehnte dann langsam seine Holzart an die Wand. Der Heidepeter überstürzte sich nie in etwas. Schon kam der Hahnenkamp mit einer Flinte dahergeeilt, da sagte der Peter ruhig:

»Was willst denn, Steffel, wirst mir doch meinen Haushund nicht niederschießen! Ist gar kein’ Red’, daß er die Wasserscheu hat, da tat’ er ganz anders ausschauen.«

Darauf nahte er sich dem winselnden, keuchenden Tier, das unablässig die Pfote an das Ohrläppchen schlug.

»Nu, mein Waldl, was hast denn heut’? Bist ja sonst ein gescheites Tier, ‘s muß dich was beißen; halt’ still!« sagte er zum Hund und untersuchte das Halsband und die Ohren. »Aha, da haben wir’s!« rief er plötzlich und hielt einen glimmenden Feuerschwamm in der Hand. »Das Ding da ist ihm im Ohr gesteckt.« – Das Tier war einen Augenblick ruhig, dann sprang es seinem Herrn freudig bellend an die Brust und wedelte mit dem Schweif.

Hinter der Tannengruppe, die in der Nähe des Hauses stand, brach jetzt ein Gekreische los. Der Heidepeter hörte es; sogleich drängte er den Hund von seiner Brust zurück und schritt gegen die Bäume. Da lief von denselben weg und hin über die Felder Zapfenwirts Davidl. Hub der Peter an und ließ seine Beine aussetzen und rannte dem Flüchtling nach, daß der Hut abflog und das ungeschnittene Haar des Bauers in der Luft flatterte. Die Leute lachten; selten hatten sie den Heidepeter so wild gesehen. Der Davidl lief verteufelt gut, und als er zum hohen Rain kam, husch war er über denselben hinabgekugelt. Dennoch verließen ihn seine guten Geister – als er zum Bach kam, erfaßte ihn die Hand des Schicksals am Rockkragen und schlenderte ihn zu Boden.

»Hab’s nicht ‘tan, hab’s nicht ‘tan!« schrie der Knirps. ….

 

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