Hexen, Teufel und Blocksbergspuk

Hexen, Teufel und Blocksbergspuk – Karl Knortz

Die Kulturgeschichte hat überzeugend bewiesen, daß sich der Aberglaube mit jeder Religionsform friedlich verträgt; derselbe mag eine Zeitlang ins Verborgene gedrängt, niemals aber wird er gänzlich unterdrückt werden. Schon der allen Religionssystemen eigene Dualismus, also der Glaube an das Walten zweier sich feindlich bekämpfender Mächte, bewirkt, daß der Teufel und seine Helfershelfer nicht ignoriert werden dürfen, auch schon deshalb nicht, weil ihre Existenz durch die Bibel sanktioniert ist. Der deutsch-amerikanische Schriftsteller geht in diesem Buch detailliert auf den Aberglauben, seine Ursprünge, und seine Auswirkungen ein. Diese Ausgabe folgt dem Original aus dem Jahre 1913 und nutzt die damals gültige Rechtschreibung.

Hexen, Teufel und Blocksbergspuk

Hexen, Teufel und Blocksbergspuk.

Format: Paperback, eBook

Hexen, Teufel und Blocksbergspuk.

ISBN: 9783849666491 (Paperback)
ISBN: 9783849661670  (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

I. Hexen.

Die Kulturgeschichte hat überzeugend bewiesen, daß sich der Aberglaube mit jeder Religionsform friedlich verträgt; derselbe mag eine Zeitlang ins Verborgene gedrängt, niemals aber wird er gänzlich unterdrückt werden. Schon der allen Religionssystemen eigene Dualismus, also der Glaube an das Walten zweier sich feindlich bekämpfender Mächte, bewirkt, daß der Teufel und seine Helfershelfer nicht ignoriert werden dürfen, auch schon deshalb nicht, weil ihre Existenz durch die Bibel sanktioniert ist. Deshalb sagt auch John Wesley, der Gründer der Methodistenkirche, allen Ernstes, daß derjenige, welcher z. B. die Existenz der Hexen verneine, die Wahrheit der Bibel leugne.

Die Hexen stellten ursprünglich die im Wind und Wetter wirkenden Naturkräfte dar und hatten als solche natürlich weitgehenden Einfluß auf das Wohl und Wehe der Menschen. Als Hainbewohnerinnen – daher ihr Name – standen sie mit der Gottheit in unmittelbarem Verkehr und konnten deshalb, wie die gewöhnliche Redensart lautet, mehr als Brot essen. Es waren also weise Frauen, deren Rat häufig verlangt und stets geschätzt wurde. Auch das englische witch, das slavische vjestica und das lateinische saga bedeutet eine weise Frau. Unter dem lateinischen Worte strix, das vielfach für Hexe gebraucht wurde, ist eigentlich ein Nachtvogel oder ein Vampyr zu verstehen, der schlafenden Kindern das Blut aussaugt. Volatica heißt die Hexe im Lateinischen in Hinsicht auf ihr nächtliches Herumfliegen, und anus cautatrix in Bezug auf ihre Zaubersprüche. Das englische hag ist mit Hexe oder Hagesse etymologisch verwandt; man versteht jetzt darunter eine alte, runzliche, arme und verachtete Frau. – In Siebenbürgen werden die Hexen heute noch „gute Frauen“ genannt. Da aber ihr weiser Rat von den Christen auf heidnische Inspiration zurückgeführt wurde, so war es kein Wunder, daß diese in jenen Seherinnen nichts als verworfene und verstockte Teufelsdienerinnen erblickten und ihr möglichstes taten, sie mit Feuer und Schwert vom Erdboden zu vertilgen.

Der Kirchenvater Origines lehrte, daß jeder Mensch von zahllosen guten und bösen Geistern umgeben sei und daß der Teufel sich keine Gelegenheit entgehen lasse, die Frommen in seine Gewalt zu bringen, weshalb stets die größte Wachsamkeit geboten sei. Gregor der Große erzählt von einer Nonne, in der sich, da sie einst vergaß das Zeichen des Kreuzes auf ein von ihr gegessenes Salatblatt zu machen, der Teufel so fest setzte, daß St. Equitus seine ganze Beschwörungskunst aufbieten mußte, denselben zum Weichen zu bringen.

Nach Cäsar von Heisterbach bekümmerte sich der Teufel beständig um menschliche Angelegenheiten; besonders suchte er in Gestalt einer üppigen Frau die Heiligen zu verführen und sich Gewalt über schwangere Weiber zu verschaffen. Sprenger, einer der Verfasser des berüchtigten Hexenhammers, bemerkt, wenn ein Mann zu seiner schwangeren Frau sage, der Teufel soll sie holen, so sei das Kind dem bösen Geiste verfallen; ja, er behauptet sogar, mehrere solcher unglücklichen Kinder gesehen zu haben. Jedes derselben hatte einen solchen Appetit, daß es nicht von fünf Ammen gestillt werden konnte; trotzdem sahen alle mager und abgezehrt aus, waren auch sehr schwach.

In der folgenschweren Bulle, die Papst Innocenz VIII. 1484, also im ersten Jahre seiner Amtsführung erließ, machte er die Welt auf die Tatsache aufmerksam, daß besonders in Deutschland die Zahl der Incuben, Succuben und Hexen in erschrecklicher Weise zugenommen hätte und daß, währenddem die erstgenannten hauptsächlich auf die Verführung junger Frauen und Männer ausgingen, die letzteren das heilige Sakrament verlästerten und durch gottlose Handlungen und Zaubersprüche den Weinbergen, Obstbäumen und Tieren empfindlichen Schaden zufügten. Deshalb beauftragte dann der Papst „seine geliebten Söhne“ Heinrich Institor und Jacob Sprenger, in Oberdeutschland und im Rheingebiete auf diese Übeltäter und Übeltäterinnen zu fahnden und die Ketzerei mit allen Mitteln auszurotten. Genannte Herren fühlten sich durch diesen Auftrag so sehr geschmeichelt, daß sie nichts Eiligeres zu tun hatten, als die lateinische Schrift Malleus maleficarum (Hexenhammer) zusammenzustellen und darin erstens die Existenz der Hexen „wissenschaftlich“ zu beweisen und zweitens genau anzugeben, an welchen Merkmalen diese zu erkennen und durch welche Torturen sie zum Geständnis zu bewegen seien.

Diese Schrift, welche tausende von unschuldigen Frauen dem Flammentode überlieferte, beruht auf der Ansicht, daß hauptsächlich das Weib sich als Werkzeug des Satans gebrauchen ließe und dem christlichen Glauben weniger zugetan sei als der Mann.[1] Nach der von den Verfassern vertretenen Ansicht soll es hauptsächlich drei Dinge, nämlich Zunge, Geistlicher und Weib in der Welt geben, die sich stets in Extremen bewegen und entweder die höchste Güte oder die höchste Bosheit anstreben. Da die Frauen Vernunftgründen schwer zugänglich seien, so gäben sie leicht den Einflüsterungen des Teufels Gehör – kurzum, sie seien, da sie aus einer krummen Rippe erschaffen, zu allem fähig.

Aber nicht nur Frauen, sondern auch unschuldige Kinder wurden des Umgangs mit dem Teufel geziehen und demgemäß bestraft; deshalb erlauben die Bewohner einiger Dörfer Tyrols noch heute nicht ihren Kindern, nach dem Abendläuten auf die Straße zu gehen, weil sie befürchten, die Unholdinnen würden alsdann Macht über sie gewinnen.[2] Dr. Charles Mackay klagt in seinem Werke „Memoirs of extraordinary popular delusious“ (London 1841) bitter über den weitverbreiteten Glauben, daß Kinder, die noch nicht einmal zwölf Jahre zählten, des Umgangs mit dem Teufel überführt und dann verbrannt wurden (convicta et combusta). Die letzte derartige Hinrichtung wurde in England 1716 vorgenommen; es wurde damals Frau Hicks mit ihrer neunjährigen Tochter dafür gehängt, daß sie ihre Seele dem Teufel verkauft und durch Abziehen ihrer Strümpfe und durch Seifenschaum einen schrecklichen Sturm erregt hatten.

Trotzdem ist der Hexenglaube in England ebensowenig ausgestorben, wie in andern christlichen und unchristlichen Ländern. In der Londoner „Times“ vom 18. Dezember 1845 befindet sich folgende, dem zu Iverneß in Schottland erscheinenden „Courier“ entnommene Mitteilung: „Nicht weit von Louisburg lebt ein Mädchen, das bis vor wenigen Tagen im Rufe stand, eine Hexe zu sein. Um ihm die Zauberei gründlich zu vertreiben, setzte es ein Nachbar in ein Loch, umgab es mit dürrem Holz und Hobelspänen und zündete diese an. Glücklicherweise trug das Kind keine gefährlichen Brandwunden davon, doch wurde es nach der Aussage intelligenter Nachbarn dadurch von seinem hexenähnlichen Aussehen befreit und machte sich später auch keiner Zauberei mehr schuldig.“

Es gibt kein Land ohne Hexensagen. Überall wird erzählt, daß diese Unholdinnen der Hausfrau das Buttern erschweren oder unmöglich machen, daß sie den Teufel verehren und Unzucht mit ihm treiben, daß sie durch die Luft auf Besenstielen, Ofengabeln, Böcken, Katzen, Hunden und sogar auf Menschen reiten, daß sie Gewitterstürme verursachen und die Kinder krank machen oder am Wachstum verhindern. Angesichts dieser Tatsachen darf man sich nun nicht verwundern, daß stets die schrecklichsten Mittel zur Ausrottung derselben angewendet wurden, besonders in Zeiten, da man infolge der Unkenntnis der Naturgesetze natürliche Vorgänge nicht auf natürliche Ursachen zurückführen konnte.

Vom Mitleide der Hexen gibt es nur wenige Beispiele. Als einst ein Tyroler in Koblenz am Heimweh erkrankte,[3] aber kein Reisegeld besaß, setzte ihn eine Hexe auf ihren Geisbock und lieferte ihn nach einer Viertelstunde gesund und munter in seinem Geburtsorte ab.

Wollen die Tyroler Hexen einen Gewittersturm erregen, so ziehen sie rote Strümpfe, wodurch der Blitz versinnbildlicht wird, an und fliegen über Berg und Tal. Nur Glockengeläute, das ihnen überhaupt verhaßt ist, kann sie von ihrer verderblichen Luftfahrt abhalten, weshalb auch noch heute in zahlreichen Dörfern Oesterreichs beim Gewitter die Glocken geläutet werden.

Schon die alten Griechen glaubten, daß die Hexen den Lauf der Sonne aufhalten, Tote erwecken und Stürme hervorrufen konnten. Während der amerikanischen Kolonialzeit half einst eine Hexe einem Arzte, der mit Kornschaufeln beschäftigt war, dadurch, daß sie ihm günstigen Wind zufächelte. Um einen Sturm auf einem Meere oder Fluß zu erregen, brauchen die Hexen bloß ins Wasser zu schlagen; nach dem Hexenhammer müssen sie dabei den Teufel anrufen und einen schwarzen Hahn opfern. Wie G. P. Mac Lean in seinen „History of the Clan Mac Lean“ (Cincinnati 1889) erzählt, so wurde die berühmte spanische Armada durch eine schottische Hexe, die auf dem Berge Ben More wohnte, zerstört. Sobald sich nämlich ein spanisches Schiff auf englischem Wasser zeigte, stellte sie ein kleines Boot auf einen Bach und drehte es so schnell und so lange hin und her, bis es sank, worauf auch das feindliche Schiff von den Wellen verschlungen wurde.

Wenn die Tyroler Hexen ins Wasser schlagen, um ein Gewitter herbei zu zaubern, so bedienen sie sich eines Eschenzweiges, den sie beständig im Busen versteckt tragen. Die Esche, einer der wichtigsten Bäume der altnordischen Mythologie, steht nach Kuhn’s Forschungen in engster Beziehung zu den Wolkenbildungen. In Böhmen ist man der Ansicht, daß schon die Nähe derselben gegen Blitzgefahr schütze. In einigen Gegenden Deutschlands sollen die Hexen sich zur Hervorrufung eines Sturmes der Haselstaude bedienen; dieselbe, aus der auch die Wünschelrute gemacht wird, ist dem Gewittergotte Donar geweiht. Im Kanton Sankt Gallen heißen die Hexen „Haselnußfräuli“.

 Am Maria-Heimsuchungstage pflückt man Haselzweige und steckt sie vereint mit Palmzweigen vor die Fenster und auf die Felder. Sie schützen vor Blitz und Hagelschlag. Auch geht die Sage, daß sich unter der Hasel keine Schlange aufhalte, und daß mit einer Haselgerte alles giftige Gewürm getötet werden könne. Haselzweige dienen als Zauberstäbe, mit denen man Geister und Hexen bannen und zitieren kann. Die Rute muß aber von einer Weißhaselstaude in einer „heiligen“ Nacht, besonders der Christnacht, geschnitten sein.

Am Pfingstsonntage geht nach dem Volksglauben die Sonne dreimal auf. Wer nun vor dem dritten Sonnenaufgang mit einem Schnitt drei Kreuze in die Rinde einer Haselrute und diese selbst mit drei Schnitten glatt vom Stamme schneidet, der hat einen zauberkräftigen Stock. Er kann mit demselben ferne Feinde prügeln. Dies geschieht auf folgende Art: Er nimmt ein Kleidungsstück von demjenigen Körperteile, auf den er dem Feinde Hiebe versetzen will, schlägt auf dasselbe, und der Ferne wird den Schlag auf der betreffenden Stelle empfinden.

In England und Amerika nannte man eine gewisse Pflanze, aus welcher eine Flüssigkeit gewonnen wird, mit der man wunde Körperstellen befeuchtet, witch hazel. Der botanische Name dafür ist hamamelis virginica, also auf Englisch wych hazel.[4] Sie wurde nie für Zauberzwecke gebraucht.

Die Nordmänner nannten die Hexen zuweilen seidhr konur; das erste Wort, welches eigentlich Zauber bedeutet, soll von sjoda (kochen) abgeleitet sein und mit dem Kessel, in welchem die Hexen das Gewitter brauen, in Verbindung stehen.

Englische Hexen sollen häufig den Seeleuten günstige Winde verkauft haben. Eine solche lebte z. B. 1814 auf den Orkney-Inseln; nachdem sie das Wasser in ihrem Zauberkessel zum Kochen gebracht hatte, sprach sie einige Beschwörungsformeln darüber aus und verkaufte es dann. Auf der Insel Man verkauften die Hexen den Schiffern Fäden, in die sie eine Anzahl Knoten gemacht hatten; je nachdem nun Wind gewünscht wurde, öffnete man dieselben.

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