Historisch-antiquarische Untersuchungen über Ägypten

Historisch-antiquarische Untersuchungen über Ägypten – Dr. Wilhelm Drumann

Der deutsche Historiker Wilhelm Drumann setzt sich in diesem Werk philologisch wie kulturwissenschaftlich mit dem 1798 entdeckten Stein von Rosette auseinander, der eine Inschrift in drei Sprachen enthält: Oben Hieroglyphen, unten Altgriechisch, in der Mitte eine damals unbekannte Schrift, das Demotische. Der Stein und die Untersuchung durch den Sprachwissenschaftler Jean-François Champollion 1822 ermöglichte letztendlich die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen, deren System seit einem Jahrtausend verloren war. Im Licht dieser Entdeckung befasst sich Drumann mit dem griechischen Text der Inschrift.

Historisch-antiquarische Untersuchungen über Ägypten

Historisch-antiquarische Untersuchungen über Ägypten.

Format: Paperback, eBook

Historisch-antiquarische Untersuchungen über Ägypten.

ISBN: 9783849665173 (Paperback)
ISBN: 9783849662998 (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Einleitung.

§. 1. Entdeckung und Schicksale der Inschrift von Rosette.

Die Franzosen entdeckten das Monument, welches von der Stadt Raschid oder Rosette am Bolbitinischen Nilarme, nicht weit von dessen Mündung[1], den Namen erhalten hat, als sie hier auf ihren Feldzügen in Aegypten unter Napoleon Bonaparte das Fort St. Julien wieder herstellten[2]. Man erhielt in Paris zwei Copien, welche Marcel und Galland besorgten und der General Dugua überbrachte, worauf die Classe für Literatur und schöne Künste im National-Institut beauftragt wurde, sie zu untersuchen. In ihrem Namen unterzog sich Dü Theil diesem Geschäfte, da er aber bald von Paris abgerufen wurde, so trat Ameilhon an seine Stelle. Er zögerte, seine Arbeit durch den Druck bekannt zu machen, weil er das Original in Paris zu sehen, und dann die Lücken, welche durch die Verletzung des Steins entstanden sind, leichter zu ergänzen hoffte[3]. Dieser mußte indeß zufolge der Capitulation, welche der G. Menou 1801 mit dem Lord Hutchinson schloß, den Engländern übergeben werden, welche ihn durch den Obersten Turner auf der Fregatte the Egyptienne nach Europa schickten; im Februar 1802 kam der Stein in Portsmouth an, und wird seitdem im brittischen Museum aufbewahrt.

 Er besteht aus schwarzem Halbgranit oder ägyptischem Basalt (blak granite) und ist 2 Pariser Fuß 10 Zoll breit und 3½ Fuß hoch[4]. Die dreifache Inschrift, welche darauf eingegraben ist, in Hieroglyphen, in ägyptischer Buchstabenschrift und in griechischer, hat denselben Inhalt, wie aus dem 54sten Abschnitte der griechichen erhellt[5]. Diese ist in Uncialbuchstaben, ohne Interpunction und Accente, und im gemeinen Dialekt in 54 Linien oder Abschnitten abgefaßt, hat aber, wie die andern, durch den Bruch des Steins sehr gelitten.

§. 2. Inhalt. Ptolemäus Epiphanes.

 Die Inschrift enthält einen Beschluß der ägyptischen Priester zu Ehren Ptolemäus 5. Epiphanes, welcher sich nach ihrer Versicherung um ganz Aegypten und insbesondere um die Priester und Tempel große Verdienste erworben hatte.

 Er war 4 Jahr[6], im 5ten seines Lebens[7], als sein Vater Ptolemäus 4. Philopator 204 v. Chr. starb, und regierte 23 Jahre und einen Theil des 24sten, oder bis 181 v.Chr.[8]. Unter blutigen Auftritten wurde er vom Volke als König anerkannt, und zu einer Zeit, wo sich der Staat in der schwierigsten Lage befand; denn am Hofe war Parteienkampf, in einem Theile des Reichs geheime Gährung, in Syrien drohte Antiochus d. Gr., welcher bei Paphia gegen Philopator seinen Ruhm und Provinzen verloren hatte, und schon warf auch Rom seinen Blick auf den Osten, wo es die Völker zu beschützen anfing, um sie zu unterjochen. Wohl hatte man in solchen Zeiten Ursach, den unmündigen König mit Sorgfalt zu erziehen. Aber das Gute, welches in ihm war, wurde nicht entwickelt, und viel Schlechtes ihm angebildet. Ohne sich je durch Fähigkeiten oder Tugenden auszuzeichnen, war er von Natur nicht schwach oder schlecht. In seinen Knaben- und ersten Jünglingsjahren zeigte er sich noch unverdorben; seine Vorliebe für die Jagd, für Pferdetummeln und Waffenübungen beweist, daß er wenigstens jetzt noch nicht entnervt war[9], auch fügte er sich lange Aristomenes verständiger Leitung. Dann aber, mehr als zehn Jahre nach dem Ehrenbeschlusse der Priester, entzog er sich ihr durch einen Mord und mißbrauchte seine Freiheit gleich einem Knaben, welcher der Schule entlaufen ist. Das Gute, welches geschehen war, verdankte man Aristomenes; der König suchte nun nur durch willkührliches, zum Theil grausames Schalten sich und der Welt zu beweisen, daß er jetzt Herr im Lande sei.

 Die Rotte, welche mit Aufopferung der eigenen Ehre die Gunst seines Vaters erkauft und die letzten Jahre seines Lebens mit Schande bezeichnet hatte, Agathocles, der Aetolier, und dessen Schwester und Mutter, Agathoclea und Oenanthe, hoffte ihn zum Gehorsam gegen sich zu erziehen. Ihn zu tödten lag nicht in ihrem Plane; bei der oft erprobten Ergebenheit der Macedonier gegen die Lagiden würde sie ihr eigenes Todesurtheil damit unterschrieben haben. Aber auch so beschleunigte sie ihren Untergang. Agathocles versuchte es nie, sich als Vormund zu beglaubigen, als da es zu spät war; dieß beleidigte die Eitelkeit der Alexandriner; ferner gab er ihnen nie Gelegenheit, ihren König zu sehen; dadurch vermehrte er Haß und Mißtrauen gegen sich, denn er wurde längst verabscheut, und zugleich schien er nach der Sitte des Morgenlandes eine Scheidewand zwischen Hof und Volk ziehen zu wollen, welche bisher, die letzten Jahre des Philopator ausgenommen, einander sehr nahe gestanden hatten. Am meisten schadete ihm seine Sorglosigkeit; als viele der Angesehensten, und selbst Aristomenes, sich an ihn anschlossen, und andere, wie Sosibius der ältere, aus dem Wege geräumt waren, glaubte er sich sicher; es dünkte ihn, man werde auch an ihm dulden, wozu er Philopator verführt hatte, während es zum Aufruhr nur an der Loosung, der erbitterten Menge nur an Führern fehlte. Aber noch war das erste Jahr seiner Regentschaft nicht verflossen, als diese Führer sich fanden, und nun in einer Zeit von vier Stunden ganz Alexandrien in Bewegung war, die Fesseln zu brechen. Er beschuldigte Tlepolemus, welcher als Exeget das Geschäft hatte, die Getraide-Zufuhr zu besorgen, daß er nach dem Diadem strebe; Sosibius der jüngere suchte Gelegenheit, den Tod seines Vaters zu rächen; jener beförderte insgeheim den Ausbruch der Empörung, und dieser bemächtigte sich dann des Königs und gab dadurch Agathocles preis, welcher, mit dem größten Theile seiner Anhänger, noch 204 ermordet wurde.

 Die beiden Haupturheber seines Falls erhielten die Regentschaft, aber die Uebel, welche sie zu begleiten pflegen, hörten damit nicht auf. Jene hatten das Ruder des Staats ergriffen, um sich selbst zu dienen; es fehlte ihnen an Kraft, an Erfahrung und an redlichem Willen. Als ein junger, hochfahrender Krieger, welcher sich im Felde einigen Ruhm erworben hatte, sah Tlepolemus in seiner Erhebung nur eine Anerkennung seiner Vorzüge; das Heer begünstigte ihn, und nur die Wünsche der andern Alexandriner und des Hofes konnten ihn bestimmen, die höchste Gewalt eine Zeitlang mit Sosibius zu theilen, welcher bisher ein Anführer der Leibwache gewesen war. Dieser übernahm mit dem königlichen Siegel die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, während die Geschäfte des Tlepolemus vorzüglich den Staatshaushalt betrafen, wozu er sich am wenigsten eignete. Seine Vergnügungssucht und Verschwendung erregten Missfallen, und sein Nebenbuhler benutzte dieß, um hinter erheuchelter Anspruchslosigkeit und Einfachheit seinen Ehrgeiz zu verbergen. Dennoch mußte Sosibius gegen Ende des J. 204 vom Schauplatze abtreten. Auf eine Anklage des Tlepolemus, welcher die Stimmung der Macedonier und der übrigen Krieger Gewicht gab, befahl ihm der Staatsrath, den Siegelring Tlepolemus zu überliefern.

 Während dieser die Staatseinkünfte an Feste, Heer und Freunde verschwendete, bereiteten sich Ereignisse vor, welche Ernst und Anstrengung erforderten und deshalb seinen Fall beschleunigten. Antiochus der Gr. König von Syrien verband sich mit Philipp 3. von Macedonien, um Aegypten zu erobern. Sie schlossen zum voraus einen Theilungsvertrag, statt sich durch ein Bündniß mit Ptolemäus gegen Rom zu sichern. Allein Philipp verfolgte zugleich andere Eroberungspläne; er nahm an diesem Kriege, welcher von 203–198 dauerte, wenig Theil, und gab ihn bald ganz auf. Mit desto mehr Nachdruck verfuhr Antiochus. Er eroberte fast alles in den asiatisch-ägyptischen Provinzen, was im Kriege mit Philopator von ihm nicht wieder genommen oder verloren war. Darauf deuten bei den Lücken in Polybius dessen Nachrichten von den Feldzügen der Aegyptier unter Scopas. Es erklärt sich leicht aus der schlechten Verwaltung des Tlepolemus.

 Von Osten her gedrängt, und mit der gefährlichen Politik des Westen noch unbekannt, suchten die Alexandriner hier Schutz; sie baten Rom, die Vormundschaft zu übernehmen, einen Staat, dessen Verhältnisse von der Art waren, daß er nach der Beendigung des zweiten punischen Krieges einem Kampfe jenseits des adriatischen Meers entgegensah. Der Antrag war ihm deshalb willkommen. Die Römer wußten bereits, wie es fromme, Schiedsrichter und Friedensstifter vorauszuschicken; sie wußten aber auch, daß diese schlagfertig sein mußten, wenn jene wirken sollten. Daher trafen erst nach dem Frieden mit Carthago, im Winter des J. 200/201 ihre Gesandte in Alexandrien ein, und unter diesen M. Aemilius Lepidus, um es von dem Frieden zu benachrichtigen, und ihm zu danken, daß es in einer Zeit, wo Rom einen Kampf von ungewissem Ausgange zu bestehen gehabt und sich von Nachbaren und Bundesgenossen verlassen gesehen habe, ihm treu geblieben sei. Es folgte die Bitte, in diesen Gesinnungen zu verharren, wenn man, durch Beleidigungen gezwungen, Philipp von Macedonien bekriegen werde. Dieser Zusatz verräth den Zweck und die Zeit der Gesandtschaft. Man handelte aus Vorsicht so, als ob der alexandrinische Hof sein Interesse kenne.

 In Lepidus hatte der römische Senat den Mann gewählt, welcher sich und den Römern Vertrauen erwerben konnte. Er war jung, ausgezeichnet schön, ernst und entschlossen; Römer, wenn es galt, seinem Auftrage nachzukommen, als Privatmann untadelhaft in Gesinnung und Sitten. Man weiß nicht, ob Tlepolemus erst durch ihn im Namen des Senats entlassen und vielleicht auch bestraft wurde; er ernannte Aristomenes, einen Acarnanier, zum Vormunde des Königs, um unter der Aufsicht Roms die Regentschaft zu führen. Dieß war eine Maaßregel, welche Ansehen bei der Welt und Dank und Vertrauen in Aegypten verschaffte, ohne es abhängig zu machen. Sie zeugt von Lepidus Scharfblicke, so fern seine Wahl auf einen Mann fiel, welcher Agathocles auch unter den letzten Stürmen mit Lebensgefahr treu geblieben und dadurch verdächtig geworden war. Aristomenes wußte sich bei dem jungen Könige in Ansehen zu setzen, die Priester und in ihnen die Mehrzahl der Eingebornen zu gewinnen, und Meutereien am Hofe zu verhindern oder zu ersticken.

 

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