Kleine Frauen, Band 4: Jo und ihre Jungs (Deutsche Neuübersetzung) – Louisa May Alcott
Mit diesem Band beschließt die Schriftstellerin die Geschichten um ihre amüsanten Charaktere aus den drei Bänden der “Kleinen Frauen”. Jo, die Vertrauensperson für alle und jeden, zeigt uns nochmals ihr warmes Herz, ihr hitziges Temperament und ihr überbordendes Mitgefühl. Das Buch dreht sich hauptsächlich um die Leben der Plumfield-Jungs, die in “Kleine Männer”, dem dritten Band der Geschichte, vorgestellt wurden, insbesondere Tommy, Emil, Demi, Nat, Dan, sowie Professor Bär und Jos Söhne Rob und Teddy – obwohl auch andere Charaktere häufig auftauchen, darunter Josie und Bess, zwei Cousinen von Demi und Daisy. Das Buch spielt zehn Jahre nach “Kleine Männer”. Dolly und George gehen aufs College und müssen gegen die Versuchungen aus Snobismus, Arroganz, Selbstgefälligkeit und Eitelkeit ankämpfen. Tommy wird Medizinstudent, um seine Jugendliebe Nan zu beeindrucken, aber nachdem er versucht hat, ihre Gunst zu gewinnen, indem er sich “versehentlich” in Dora verliebt und dieser einen Heiratsantrag macht, stellt er fest, dass er mit ihr glücklicher ist und tauscht das Studium gegen die Herausforderungen einer Familie. Aber auch die anderen Charakteren müssen lernen, mit den Herausforderungen ihrer Leben als junge Erwachsen umzugehen. Louisa May Alcott hat nie den Anspruch auf literarischen Stil erhoben, und diese Geschichte ist in diesem Punkt ebenso angelegt und einzigartig wie ihre früheren. Wer wissen will, wie die Geschichte um die March-Familie endet, kommt um dieses Werk nicht herum.
Format: Taschenbuch/eBook.
Kleine Frauen, Band 4: Jo und ihre Jungs (Deutsche Neuübersetzung).
ISBN Taschenbuch: 9783849665968
ISBN eBook: 9783849661977
Auszug aus dem Text:
Kapitel 1. Zehn Jahre später
“Wenn mir jemand gesagt hätte, welch wunderbare Veränderungen sich hier in zehn Jahren vollziehen würden, hätte ich es nicht geglaubt”, sagte Jo zu Meg, als sie an einem Sommertag auf der Veranda von Plumfield saßen und mit stolzen und freudestrahlenden Gesichtern um sich blickten.
“Das ist die Art von Magie, die Geld und gütige Herzen bewirken können. Ich bin sicher, dass man Mr. Laurence kein besseres Denkmal hätte setzen können als das College, das er so großzügig gestiftet hat; und ein Haus wie dieses wird Tante March für alle Zeiten in guter Erinnerung halten “, antwortete Meg, die immer gerne die Abwesenden lobte.
“Erinnerst du dich? Früher haben wir an Feen geglaubt und überlegt, was wir uns ausbitten würden, wenn wir drei Wünsche frei hätten. Sieht es nicht so aus, als ob meine Wünsche endlich erfüllt worden wären? Geld, Ruhm und viel von der Arbeit, die ich so sehr liebe”, sagte Jo und strich sich nachlässig durch die Haare, während sie die Hände über dem Kopf zusammenschlug, wie sie es als Mädchen zu tun pflegte.
“Ich bin mit meinem Leben zufrieden, und Amy genießt ihres nach Herzenslust. Wenn die liebe Mami, John und Beth hier wären, wäre es perfekt”, fügte Meg mit leicht bebender Stimme hinzu, denn Mamis Platz war mittlerweile leer.
Jo legte ihre Hand auf die ihrer Schwester, und beide saßen eine Weile schweigend da und betrachteten die vor ihnen liegende, schöne Szene mit einer Mischung aus traurigen und glücklichen Gedanken.
Es sah wirklich so aus, als sei Magie am Werk gewesen, denn das ruhige Plumfield hatte sich in eine geschäftige, kleine Welt verwandelt. Das Haus wirkte gastfreundlicher als je zuvor, mit neuem Anstrich, angebauten Flügeln, gepflegtem Rasen und Garten, und einer wohltuenden Ausstrahlung, die es noch nicht hatte, als sich überall randalierende Jungen tummelten und es für die Bärs ziemlich schwierig war, über die Runden zu kommen. Auf dem Hügel, wo man früher Drachen steigen ließ, stand das schöne College, das Mr. Laurence mit seinem großzügigen Erbe errichten hatte lassen. Fleißige Studenten gingen auf den Pfaden hin und her, die einst von Kinderfüßen betreten worden waren, und viele junge Männer und Frauen genossen alle Vorteile, die Reichtum, Weisheit und Güte ihnen bieten konnten.
Direkt vor Plumfields Toren schmiegte sich ein hübsches braunes Cottage zwischen die Bäume, und westlich davon, an einem grünen Hang, glänzte Lauries weißgetäfeltes Herrenhaus im Sonnenschein – denn als das schnelle Wachstum der Stadt das alte Haus einschloss, Megs Nest verunzierte, und die Oberen es sogar wagten, eine Seifenfabrik unter Mr. Laurence’ empörter Nase zu errichten, wanderten unsere Freunde nach Plumfield aus, wo die großen Veränderungen begannen.
Viele davon waren sehr angenehm, und der Verlust der lieben alten Leute wurde durch die Wohltaten gemildert, die sie gewirkt hatten; alles gedieh in der kleinen Gemeinschaft, und Mr. Bär als Präsident und Mr. March als Kaplan des Colleges sahen ihren lang gehegten Traum auf wunderbare Weise verwirklicht. Die Schwestern teilten die Betreuung der jungen Leute unter sich auf, wobei jede die Rolle übernahm, die ihr am besten passte. Meg war die mütterliche Freundin der jungen Frauen, Jo die Vertraute und Verteidigerin aller Jugendlichen, und Amy die großzügige Dame, die bedürftigen Schülern den Weg ebnete und sie alle so herzlich bewirtete, dass es kein Wunder war, dass sie ihr schönes Haus den Berg Parnass nannten, so voll von Musik, Schönheit und der Kultur, nach der sich hungrige junge Herzen und Launen sehnten.
Die ursprünglichen zwölf Jungen hatten sich in diesen Jahren natürlich über alle Erdteile verstreut, aber alle erinnerten sich an das geliebte Plumfield und kamen immer wieder aus allen Himmelsrichtungen zurück, um von ihren verschiedenen Erlebnissen zu erzählen, über die Freuden der Vergangenheit zu lachen und sich den Pflichten der Gegenwart mit frischem Mut zu stellen, denn die Erinnerungen an die glücklichen Tage ihrer Jugend erfüllten nicht nur die Herzen mit zarten Gefühlen, sondern verschafften den Bewohnern auch die eine oder andere hilfreiche Hand. Lasst uns in ein paar Worten die Geschichte eines jeden Jungen erzählen, damit wir bald mit dem neuen Kapitel ihres Lebens fortfahren können.
Franz arbeitete bei einem gut situierten und mit ihm verwandten Kaufmann in Hamburg und war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Emil war der fröhlichste Seemann, der je über den blauen Ozean gesegelt ist. Sein Onkel hatte ihn auf eine lange Reise geschickt, um ihm das Abenteuerleben abzugewöhnen, aber von dieser kam er so begeistert zurück, dass bald klar war, dass dies sein Beruf werden würde – und der deutsche Verwandte verschaffte ihm stets gute Jobs auf seinen Schiffen, damit der Junge fröhlich blieb. Dan war ein echter Weltenbummler, nach geologischen Forschungen in Südamerika, hatte er sich als Schafzüchter in Australien versucht und war nun in Kalifornien, um nach Gold zu suchen. Nat war am Konservatorium mit seiner Musik beschäftigt und bereitete sich auf ein oder zwei Jahre in Deutschland vor, um dort sein Studium abzuschließen. Tom studierte Medizin und versuchte, sich mit dem Beruf eines Arztes anzufreunden. Jack war ins Geschäft seines Vaters eingestiegen und versuchte, reich zu werden. Dolly war mit Pummelchen auf dem College und Ned studierte Jura. Der arme kleine Dick war tot, und Billy auch, aber da ihr Leben aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Behinderungen niemals wirklich lebenswert gewesen war, gehörte die Trauer um sie bald der Vergangenheit an.
Rob und Teddy wurden der “Löwe und das Lamm” genannt, denn letzterer war so wild wie der König der Tiere und ersterer so sanft wie jedes Schaf, das jemals bähte. Jo nannte ihn “meine Tochter” und fand, dass er das pflichtbewussteste aller Kinder war, obwohl sich seine Männlichkeit oft hinter seinem ruhigen Betragen und dem zarten Wesen versteckte. In Ted dagegen schien sie all die Macken, Launen, Hoffnungen und den Spaß ihrer eigenen Jugend wiederzusehen. Mit seinen gelbbraunen Locken, die immer wild durcheinander lagen, seinen langen Beinen und Armen, seiner lauten Stimme und seiner ständigen Überdrehtheit war Ted eine markante Persönlichkeit in Plumfield. Er hatte seine trübsinnigen Momente und verfiel etwa einmal pro Woche in tiefe Niedergeschlagenheit, aus der ihn der geduldige Rob oder seine Mutter, die genau wusste, wann sie ihn in Ruhe zu lassen hatte und wann sie ihn aufrütteln konnte, wieder herausholten. Er war ihr Stolz und ihre Freude, aber auch ihre Pein, denn er war ein sehr aufgeweckter Junge für sein Alter und so voller vielversprechender Talente, dass seine Mutter sehr gespannt war, was aus diesem bemerkenswerten Jungen einmal werden würde.
Demi hatte das College mit Auszeichnung absolviert, und Meg hatte sich in den Kopf gesetzt, dass er Pfarrer werden sollte – sie malte sich bereits die erste Predigt aus, die ihr ehrwürdiger junger Priester halten würde, nebst dem langen, dienlichen und ehrenvollen Leben, das er führen sollte. Aber John, wie sie ihn nun nannte, lehnte ein Studium der Theologie entschieden ab, weil er genug von Büchern hatte und mehr über die Menschen und die Welt erfahren wollte, und er enttäuschte seine liebe Mutter sehr, als er beschloss, eine journalistische Laufbahn einzuschlagen. Es war ein schwerer Schlag für sie, aber ihr war klar, dass junge Menschen nicht gedrängt werden konnten und dass Erfahrung der beste Lehrer war; also ließ sie ihn seinen eigenen Neigungen nachgehen und hoffte dennoch, ihn eines Tages auf der Kanzel zu sehen. Tante Jo war wütend, als sie erfuhr, dass es einen Reporter in der Familie geben würde, und nannte ihn auf der Stelle “Jenkins”. Sie schätzte seine literarischen Neigungen, aber hatte auch Grund, den selbsternannten Naseweis zu verabscheuen, wie wir später sehen werden. Demi jedoch wusste, was er wollte, und führte seine Pläne in aller Ruhe aus, unbeeindruckt von den Worten der besorgten Mama oder den Scherzen seiner Kumpels. Onkel Teddy ermutigte ihn und prophezeite ihm eine glänzende Karriere, als er Dickens und andere Berühmtheiten erwähnte, die als Reporter begannen und als berühmte Schriftsteller oder Verleger endeten.
Den Mädchen ging es prächtig. Daisy, süß und häuslich wie immer, war der Trost und die Gefährtin ihrer Mutter. Josie war mit ihren vierzehn Jahren ein höchst origineller junger Mensch, voller Streiche und sonderbarer Ideen, von denen die jüngste ihre Leidenschaft für die Bühne war, was ihrer ruhigen Mutter und ihrer Schwester viel Sorgen bereitete, sie aber auch amüsierte. Bess war zu einem großen, schönen Mädchen herangewachsen, das einige Jahre älter aussah, als es war. Sie hatte noch die gleiche Anmut und den gleichen Geschmack wie die kleine Prinzessin, und bekam dank zweier großzügiger Erbschaften, sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits, jede Förderung und Hilfe, die man für Geld erwerben kann. Der Stolz der Bewohner war jedoch die freche Nan; denn wie so viele unruhige, eigensinnige Kinder war auch sie zu einer Frau herangewachsen, die voller Energie und Verheißung war, und die plötzlich aufblühte, als die ehrgeizige Sucherin die Arbeit gefunden hatte, die ideal zu ihr passte. Nan hatte mit sechzehn Jahren begonnen Medizin zu studieren und schlug sich mit Zwanzig weiter tapfer, denn dank anderer intelligenter Frauen standen ihr nun Hochschulen und Krankenhäuser offen. Seit den Kindertagen, als sie Daisy auf der alten Weide schockiert hatte, indem sie sagte: “Ich will keine Familie, um die ich mich kümmern muss. Ich werde ein Büro haben, mit Fläschchen und Mörsern darin, und herumfahren und Leute heilen. Die Zukunft, die das kleine Mädchen vorausgesagt hatte, ging für die junge Frau rasch in Erfüllung, und sie fand darin so viel Glück, dass nichts sie von der gewählten Berufung abbringen konnte. Mehrere ehrenwerte junge Herren hatten versucht, sie umzustimmen, und versucht sie, wie Daisy, für “ein nettes kleines Haus und eine Familie, um die man sich kümmern kann”, zu begeistern. Aber Nan hatte nur gelacht und die Verehrer vertrieben, indem sie auf ihre belegte Zunge schaute, die gerade von Hingabe sprach, oder professionell den Puls einer männlichen Hand fühlte, die ihr zur Annahme angeboten wurde. So gingen alle ihrer Wege, bis auf einen hartnäckigen Jungen, der so anhänglich war, dass es schier unmöglich schien, ihn loszuwerden.
Natürlich reden wir von Tom, der seiner Jugendliebe so ergeben war wie sie selbst ihren “Mörsern”, und der ihr einen Treuebeweis lieferte, der sie sehr berührte. Er studierte nur ihr zuliebe Medizin, obwohl er keine Lust dazu hatte und ihm ein kaufmännischer Beruf entschieden lieber gewesen wäre. Aber da Nan standhaft blieb, hatte auch Tom kein Einsehen und hoffte inständig, dass er nicht viele seiner Mitmenschen umbringen würde, wenn er eines Tages praktizierte. Sie waren immer noch beste Freunde und ihre heiteren, wechselseitigen Liebesbezeigungen bereiteten ihren Kameraden viel Vergnügen.
An dem Nachmittag, als Meg und Jo sich auf der Veranda unterhielten, näherten sich beide Plumfield. Allerdings nicht zusammen, denn Nan ging allein die sonnendurchflutete Straße entlang, um über einen Fall nachzudenken, der sie interessierte, während Tom hinter ihr her trottete, um sie wie zufällig zu überholen, als die Vororte der Stadt vorbeigezogen waren.
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