Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten

Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten – Dr. Georg Beseler

Dr. Georg Beseler war ein deutscher Jurist, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und des Verfassungsausschusses. In diesem Band hat er sich hauptsächlich zur Aufgabe gestellt, das Verhältnis des Strafgesetzbuchs zu den Rechtssystemen, auf deren Grund es erwachsen ist, darzulegen und den Inhalt desselben nach den während der Revision entstandenen Materialien zu erläutern. Dafür standen ihm unter anderem die Akten des Königlichen Justizministeriums zur Verfügung. Eines seiner wichtigsten Ziele war es, die im Gesetzbuch aufgestellten Rechtsgrundsätze auf dem Wege der Kasuistik nicht weiterzuentwickeln, um einer befriedigenden Lösung einer sich aus der Praxis herausbildenden wissenschaftlichen Jurisprudenz nicht vorzugreifen. Die vorliegende Ausgabe wurde sprachlich so überarbeitet, dass die wichtigsten Begriffe und Wörter der aktuellen Rechtschreibung entsprechen.

Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten

Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten.

Format: Paperback, eBook

Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten.

ISBN: 9783849665890 (Paperback)
ISBN: 9783849662448 (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

Erstes Kapitel. Geschichte der Entstehung des Strafgesetzbuchs.

§. I. Die erste Revision

 

Bis zur Beteiligung des Staatsrats; 1826-1836. — Die Entwürfe von 1827, 1830, 1833 und 1836.

Wie wenig die Behandlung, welche das Strafrecht im Allgemeinen Landrecht T. ii. Tit. 20. gefunden, selbst in den entscheidenden Kreisen befriedigt hat, ergibt sich aus dem Umstande, dass man sich bald nach der Veröffentlichung des Landrechts veranlasst sah, über einzelne wichtige Verbrechen neue Gesetze zu erlassen. So erschien, abgesehen von dem Edikt vom 20. Okt. 1798 über unerlaubte Verbindungen, am 30. Dez. 1798 die Zirkular-Verordnung über die Injurien und am 26. Febr. 1799 die Verordnung über den Diebstahl. Die bestimmte Absicht eine Revision des Tit. 20. vorzunehmen, sprach sich aber bei der Veröffentlichung der neuen Kriminal-Ordnung aus, indem festgesetzt ward, dass diese den ersten Teil des allgemeinen Kriminalrechts für die Preußischen Staaten ausmachen, der zweite Teil aber die Strafgesetze enthalten solle. a)

Die politischen Ereignisse verhinderten jedoch die Ausführung dieses Planes erst die später beschlossene allgemeine Revision der Gesetze führte auch zu einer neuen Bearbeitung des Strafrechts.

Nachdem der König durch Kabinetts-Order vom 28. Jan. 1826 den vom Justizminister Grafen v. Danckelman vorgelegten allgemeinen Plan für das Revisionswerk gebilligt hatte, ward in der, an denselben Minister gerichteten Kabinetts-Order vom 24. Juli 1826 genauer festgestellt, in welcher Richtung die Arbeit zu leiten sei, und namentlich hervorgehoben, dass es nicht die Absicht sei, eine neue Gesetzgebung an die Stelle der bestehenden treten zu lassen, ebenso wenig aber, in das Landrecht und die Gerichtsordnung nur die späteren Ergänzungen und Abänderungen einzuschalten; dass es vielmehr darauf ankomme, beide Gesetzbücher einer gründlichen Prüfung zu unterwerfen, und nach dem Resultate derselben sie zu berichtigen, zu ergänzen, zu erläutern und zu vervollkommnen. b) — Gegen diese Anweisung machte der Justizminister, insoweit sie sich auf die Strafgesetze bezog, Einwendungen und erklärte, dass eine Revision des Allgemeinen Landrechts unzureichend und die Abfassung eines neuen Strafgesetzbuchs notwendig sei, — eine Ansicht, der der König nachgab, obgleich er nicht unterließ, auf die Schwierigkeit des Unternehmens aufmerksam zu machen. c)

In diesem freieren Sinne wurde nun die Sache in Angriff genommen, wenn auch in der offiziellen Sprache nur von einer Revision der Strafgesetze die Rede war. Die Gerichtshöfe wurden durch ein Reskript des Justizministers vom 26. Dez. 1825 zur Abgabe von Gutachten veranlasst; die Revision der Strafgesetze aber wurde zum ersten Pensum des ganzen Revisionswerks gemacht und zunächst dem Kammergerichtsrat Bode übertragen. Bode arbeitete einen „Entwurf des Kriminalgesetz-Buches für die Preußischen Staaten“ aus, und versah denselben mit Motiven, welche in drei Bänden (Berlin 1827-29. 4.), als Manuskript gedruckt sind; der vierte Band (Berlin 1828) über die Verbrechen gegen das Vermögen ist vom Oberlandesgerichtsrat Schiller. Diese letztere Arbeit, welche sich der Ordnung des Landrechts anschließt, ist unbedeutend, ohne Schärfe und tiefere Einsicht; sie lässt die freie Beherrschung des Materials vermissen und bietet fast nur ein kritisches Räsonnement über die Satzungen des Allgemeinen Landrechts. Sehr achtungswert sind dagegen die Leistungen Bodes, welcher den ersten tüchtigen Grund zu der Reform des Preußischen Strafrechts gelegt hat; er übt eine scharfe und doch besonnene Kritik, ist mit der wissenschaftlichen Bearbeitung des gemeinen deutschen Kriminalrechts wohl bekannt, benutzt die Gutachten der Gerichtshöfe mit Umsicht und Geschick, und findet in den für andere deutschen Staaten bestimmten Gesetzgebungen einen Anhalt für seine Vorschläge. Besonders das Bayerische Strafgesetzbuch und die Entwürfe für Sachsen und Hannover hat er benutzt; dagegen trifft ihn der Tadel, dass er das Französische oder, wie wir es lieber nennen wollen, das Rheinische Recht zu wenig berücksichtigt, ja mit einer gewissen Ungunst behandelt hat. — Dieser Bodesche Entwurf nun wurde unter der Leitung des Justizministers Grafen v. Danckelman in der Gesetz-Revisions-Kommission d) überarbeitet, und ist in dieser neuen Gestalt als Manuskript gedruckt, unter dem Titel:

Entwurf des Straf-Gesetz-Buches für die Preußischen Staaten. Erster Teil. Kriminal-Straf-Gesetze. Berlin 1830. 4. Schon der Titel des in 529 §§. abgefassten Entwurfs weist auf einen zweiten Teil hin, der die Polizei-Strafgesetze enthalten sollte; auch für diesen hat Bode später auf Grund des Tit. 20. einen Entwurf mit Motiven ausgearbeitet, als Manuskript gedruckt Berlin 1833. 4.

Das Revisionswerk war also im guten Gange; das zeigt sich deutlich genug, wenn man den Entwurf von 1830 mit dem Titel 20. T. ii. des Allgemeinen Landrechts vergleicht. Man sieht es diesem Titel an, (er zählt 1577 §§.) wie wenig zur Zeit seiner Abfassung die deutsche Gesetzgebung für höhere Aufgaben auf dem Gebiet des Strafrechts geübt war; man findet bald, dass die reformatorischen Bestrebungen der neueren Kriminalisten, namentlich Feuerbachs noch keinen Einfluss darauf hatten gewinnen können. Die Sprache ist breit und schleppend; den Begriffsbestimmungen fehlt es häufig an Klarheit und Schärfe, sie führen nicht zu festen Rechtsprinzipien, sondern umspannen eine Menge einzelner Vorschriften, in denen die möglichste Vollständigkeit der Kasuistik angestrebt wird. Polizeiliche Rücksichten machen sich, selbst in der Anordnung vorbeugender Maßregeln, in Belehrungen und Warnungen überall geltend; allgemeine Strafzumessungsgründe setzen dem richterlichen Ermessen zu enge Schranken; die Todesstrafe, selbst mit grausamen Schärfungen, kommt noch häufig vor; in dem System der Freiheitsstrafen fehlt die Konsequenz, wenn hier überhaupt von einem Systeme die Rede sein kann, — selbst die Terminologie ist nicht immer gleich; die Persönlichkeit, der Stand der Verbrecher sind von entschiedenem Einfluss auf die Anwendung der Strafen. — Der Entwurf von 1830 hat sich von diesen Mängeln durchweg freigehalten; er ist klar und bestimmt in seinen Vorschriften, auf das Wesentliche gerichtet. Die körperliche Züchtigung ist aus der Reihe der Strafen verschwunden, unter den Freiheitsstrafen im Allgemeinen ein angemessenes Verhältnis hergestellt; Zwangsarbeit und Zuchthausstrafe haben den Verlust bestimmter Ehrenrechte, die Amtsentsetzung hat die Unfähigkeit zu öffentlichen Ämtern von Rechtswegen zur Folge, außerdem gibt es keine Ehrenstrafen. Für Personen von gebildetem Stande blieben jedoch, wenn auch nur für die selteneren Fälle, Festungsstrafe und Festungsarrest vorbehalten, auch ward die Strafe der Vermögenskonfiskation in das Gesetzbuch aufgenommen.

Während aber Alles die rasche und glückliche Vollendung des Revisionswerks hoffen ließ, trat noch im Jahre 1830 mit dem Tode des Grafen v. Danckelman, zum Teil auch wohl in Folge der politischen Ereignisse eine neue Wendung für dasselbe ein; die Leitung der Sache kam in die Hände des Herrn v. Kamptz. Man kann diesem Manne die Verdienste, welche er sich namentlich um die Sammlung und Bearbeitung der Provinzialrechte erworben hat, ungeschmälert lassen, und doch der Ansicht sein, dass er für die Durchführung einer Reform im Strafrecht sehr wenig geeignet war. Nach seiner Ansicht bedurfte der Tit. 20. T. ii. des Allg. Landrechts eigentlich nur einer Ausbesserung im Einzelnen, und er hat das Seinige getan, den Entwurf von 1830 in diesem Sinne zurückzurevidieren. Dazu kam seine oberflächliche und zerfahrene Produktivität, die es ihm schwer machte, eine reife Arbeit zu liefern, und dann seine bekannte politische Richtung, welche in Fragen, die mit den sogenannten demagogischen Umtrieben zusammenhingen, fast die Gestalt von fixen Ideen annahm. Unter diesen Einflüssen nun wurde eine Umarbeitung des Entwurfs von 1830 vorgenommen und von dem Minister selbst mit Motiven versehen, als Manuskript gedruckt unter dem Titel:

Revidierter Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Königl. Preußischen Staaten. Erster Teil. Kriminal-Strafgesetze. Berlin 1833. 4. Hier treten schon wieder die allgemeinen Zumessungsgründe auf, ferner die polizeilichen Strafvorschriften, welche geeigneten Orts eingestreut sind; Festungsstrafe und Festungsarrest kommen allgemein für Personen zur Anwendung, welche zu den höheren oder gebildeteren Ständen gehören, Hochverrat ist ein Unternehmen, welches darauf abzielt, eigenmechtig die Verfassung des Staats zu ändern u. s. w. Diese Änderungen genügten dem Herrn v. Kamptz jedoch nicht; noch ehe der revidierte Entwurf Gegenstand weiterer Beratungen wurde, arbeitete er ihn von Neuem um, und ließ diese Arbeit in 797 §§. unter folgendem Titel drucken:

Revidierter Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Königlich Preußischen Staaten. Berlin 1836. 8.

Diese Oktavausgabe, von der Quartausgabe des Jahres 1833 wohl zu unterscheiden, ward ohne Motive veröffentlicht; die Abänderungen sind überhaupt in der Vorrede als nicht sehr erheblich bezeichnet; sie stellen sich aber bei einer genaueren Vergleichung als sehr bedeutend heraus. Zu den früher aufgestellten gesetzlichen Strafarten ist die körperliche Züchtigung, die Ortsverweisung und der Verlust gewerblicher Rechte hinzugekommen; auch im Fall der Freisprechung durch einen Preußischen Gerichtshof soll, wenn sie in Folge Betrugs oder falschen Zeugnisses herbeigeführt worden, die Wiederaufnahme der Untersuchung und Bestrafung nicht ausgeschlossen sein. Die polizeilichen Strafvorschriften haben sich in dieser Ausgabe vermehrt, die Bestimmungen über Hochverrat, verbotene Verbindungen u. s. w. alles Maß überschritten e). Es ist von großem Nachteil für das Revisionswerk gewesen, dass es gerade an diesen Entwurf von 1836 gebunden ward; viele und schöne Kräfte haben in dem weiteren Gange der Verhandlungen verwandt werden müssen, um nur die an dem Entwurf von 1830 vorgenommenen Abänderungen wieder zu beseitigen.

 

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