Mönchsgeschichte (mit Einleitung)

Mönchsgeschichte (mit Einleitung) – Theodoret von Kyrrhos

Theodorets “Mönchsgeschichte” mit einem Anhang über die göttliche und heilige Liebe enthält die Biographien von dreißig Asketen, die als religiöse Vorbilder dargestellt werden. Es ist ein Dokument von bemerkenswerter Bedeutung für das Verständnis der komplexen Rolle der frühen Mönche sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche; darüber hinaus ist es auch deshalb bemerkenswert, weil es ein Modell asketischer Autorität vorstellt, das in starkem Gegensatz zu Athanasius’ “Leben des Antonius” steht. Dieser Band beinhaltet zusätzlich Abhandlungen zu Theodorets Leben, Schriften und Christologie.

Mönchsgeschichte (mit Einleitung)

Mönchsgeschichte (mit Einleitung).

Format: eBook/Taschenbuch

Mönchsgeschichte (mit Einleitung).

ISBN eBook: 9783849660918

ISBN Taschenbuch: 9783849667634

 

Auszug aus dem Text:

I. Theodorets Leben

Verzeichnis der in der folgenden Allgemeinen Einleitung gebrauchten Abkürzungen.

 CG = Conciliengeschichte (von Hefele) . Harduin = Acta Conciliorum etc. Paris 1715 sqq fol. 1–12. HE = Historia ecclestiastica. Hfc = Hæreticarum fabularum compendium, bei Migne, ser. gr. t. 83, 335―556. KG = Kirchengeschichte. KH = Kirchliches Handlexikon, hrsg. v. M. Buchberger 1907/12. Kirch = K., Enchiridion Fontium Hisroriae eccles. antiquae. Edit. 2 et 3 (1914). KL = Katholisches KirchenIexikon v. Wetzer & Welte. 2. Aufl. 1882—1903. KV = Kirchenva(ä)ter. Mg = Migne, Patrologiæ cursus, series græca. Ml = Migne, Patrologiæ cursus, series latina. Parm. = Parmentier, der neueste Herausgeber der KG von Theodoret. RE = Realenzyklopädie für protest. Theologie u. Kirche. 3. Aufl. 1896―1909. TU = Texte und Untersuchungen z. Gesch. der altchristl. Literatur, hrsg. v. Harnack u. (seit 1906) Schmidt, Leipzig 1882 ff.

1.

 Theodoret von Cyrus gehört zu den größten Gelehrten und hervorragendsten Schriftstellern seiner Zeit. Er wurde um 393 als Sohn wohlhabender Eltern in Antiochien geboren. Er ward seiner frommen Mutter nach 16 jähriger Unfruchtbarkeit auf das inbrünstige Gebet eines heiligmäßigen Mönches Macedonius hin geschenkt und daher mit Recht Theodoret, d. h. „der von Gott Geschenkte” genannt. Schon vor seiner Geburt dem Herrn geweiht, wurde er von zarter Kindheit an mit den Mönchen der Umgegend bekannt gemacht, von denselben häufig gesegnet und für das aszetische Leben begeistert1. Unterricht und Erziehung erhielt er in den Schulen der Mönche. Er eignete sich eine umfassende Bildung an. Homer und Plato, Isokrates und Demosthenes, Herodot und Thukydides, Hesiod, Aristoteles, Apollodor und Plotinus, Plutarch und Porphyrius scheint er selbst gelesen zu haben2. In der Theologie bildete er sich hauptsächlich nach den Schriften der antiochenischen Kirchenschriftsteller und wurde dadurch in jene antiochenische Richtung hineingezogen, welche in ihrer konsequenten Weiterbildung leicht zur Häresie (Nestorianismus) führen konnte und tatsächlich geführt hat. Daß Chrysostomus und Theodor von Mopsuestia seine Lehrer, Nestorius und der spätere Patriarch Johannes von Antiochien seine Mitschüler gewesen, wie Garnier behauptet3, läßt sich nicht erweisen4. Was die Sprachkenntnisse betrifft, so beherrschte Theodoret das Griechische so gut wie seine Muttersprache, das Syrische, und hat er alle seine Werke in griechischer Sprache geschrieben, und zeichnet sich seine Diktion, wie schon Photius rühmt, durch attische Schönheit und Reinheit aus5. Das Lateinische und Hebräische scheint er nicht verstanden zu haben.

3.

Für sich selbst setzte Theodoret auch als Bischof das frühere einfache, arme und abgetötete Leben eines Mönches fort. Sein bischöfliches Einkommen verwendete er zum großen Teil für gemeinnützige Zwecke, zur Errichtung von Säulenhallen, zum Bau von zwei großen Brücken, zur Anlage von öffentlichen Bädern und namentlich zur Herstellung einer dringend notwendigen Wasserleitung in seiner Bischofstadt Cyrus6.

4.

Der Eifer für die vermeintliche Reinerhaltung des Glaubens verwickelte ihn seit 430 in die nestorianischen Streitigkeiten. Erzogen und ausgebildet in der antiochenischen Schule, welche das Göttliche und Menschliche in Christus möglichst unterschied und trennte, erblickte er in der alexandrinischen Theologie, welche auf möglichst enge Verbindung der göttlichen und menschlichen Natur drang, eine Gefährdung des überlieferten Glaubens7. Zwar ging er nicht so weit wie Nestorius. Er bat vielmehr gleich anfangs mit seinem Patriarchen Johannes von Antiochien den Nestorius, doch den Ausdruck θεοτόκος [theotokos] unbeanstandet zu lassen8, anerkannte auch selbst schon um diese Zeit die Bezeichnung θεοτόκος [theotokos], wenigstens neben dem Namen νθρωποτόκοσ [anthrōpotokos], als logische Konsequenz aus der Vereinigung der beiden Naturen in Christus9, hielt sich aber immer zur Partei der Antiochener, bewegte sich im großen Ganzen in den Gedankengängen des Nestorianismus und lehnte es bis zum Schlusse ab, anzuerkennen, daß Nestorius den Irrtum von zwei Söhnen oder Personen in Christus gelehrt habe. Die Anathematismen des Cyrill betrachtete er geradezu als eine Erneuerung des Apollinarismus und hielt sich für verpflichtet, dagegen mit aller Entschiedenheit aufzutreten; und er tat das mit um so größerer Zuversicht und Entschlossenheit, als auch sein Patriarch Johannes von Antiochien es wünschte10.

5.

Nun war allerdings die Ausdrucksweise des Cyrill nicht immer so klar und bestimmt, daß sie, namentlich von einem Antiochener, nicht mißverstanden werden konnte. Es gab damals in der Christologie noch keine allgemein anerkannte Terminologie; diese wurde erst durch das Konzil von Chalcedon (451) geschaffen oder doch sanktioniert. Cyrill sprach deshalb wiederholt von einer φύσις [physis] in Christus, aber im Sinne von Individuum oder Person, er redet von einer φυσικ νωσις [physikē henōsis], aber im Sinne einer wahren und wirklichen, nicht bloß moralischen Vereinigung, und was vor allem zu beachten ist, Cyrill dachte von Christus durchaus korrekt; er hat nicht nur die Einheit des Trägers der beiden Naturen, sondern auch die vollständige Unversehrtheit dieser Naturen immer und überall gelehrt, während Nestorius trotz des gelegentlichen Zugeständnisses der einen Hypostase die communicatio idiomatum leugnete, deshalb auch Maria nicht als θεοτόκος [theotokos] anerkennen konnte und so tatsächlich zwei verschiedene Subjekte (principia quae) der Tätigkeit und des Leidens in Christus oder, was dasselbe ist, zwei Söhne oder zwei Personen statuierte, wenn er letzteres auch nicht zugeben wollte.

6.

Theodoret wurde nun gleich anfangs durch sein entschiedenes Eingreifen der geistige Führer und literarische Vorkämpfer der antiochenischen Partei und blieb es bis zum Konzil von Chalcedon (451). Gleich den übrigen Bischöfen des antiochenischen Patriarchats nahm auch er an der allgemeinen Synode von Ephesus (431) nicht teil, spielte vielmehr in der Gegensynode seines Patriarchen Johannes eine hervorragende Rolle und war führendes Mitglied der Delegation, welche den Nestorius vor dem Kaiser verteidigte. Dazu verfaßte er gegen das rechtmäßige Konzil eine nur noch in Fragmenten erhaltene Schrift Pentalogium (Pentalogos). Er nahm auch lebhaften Anteil an den beiden Synoden, welche von den Antiochenern auf der Rückreise von Ephesus zu Tarsus und Antiochien gehalten wurden und auf denen Cyrill neuerdings exkommuniziert wurde. Desgleichen setzte er nach der Heimkehr in seine Diözese die Opposition gegen Cyrill und das Ephesinum in Wort und Schrift fort. Er wollte sogar die von Cyrill und dem Patriarchen Johannes geschlossene Union vom Jahre 433 nicht anerkennen, obschon das Einigungssymbolum wahrscheinlich von ihm selbst stammte, weil er den Nestorius nicht verurteilen wollte, wie Cyrill es verlangte. Endlich 434 ließ er sich von seinem Patriarchen Johannes bewegen, der Union beizutreten, aber erst nachdem ihm die namentliche Verurteilung des Nestorius erlassen worden war11.

7.

 Nun ruhte der Streit für einige Jahre. Er entbrannte aber von neuem, als Cyrill den Diodor von Tarsus und Theodor von Mopsuestia, nicht mit Unrecht, als die eigentlichen Urheber der nestorianischen Häresie bezeichnete12. Seitdem nämlich die Schriften des Nestorius verboten und verbrannt worden waren, wurden von den Nestorianern um so eifriger die Schriften des Theodor von Mopsuestia und des Diodor von Tarsus, der geistigen Ahnen des Nestorius, gelesen, exzerpiert, übersetzt und verbreitet. Deshalb entstand ein neuer Streit über die Rechtgläubigkeit dieser Männer. Verschiedene Bischöfe, Rabulas von Edessa, Proklus von Konstantinopel und besonders Cyrill von Alexandrien warnten vor diesen Schriften, Theodoret dagegen nahm sie in Schutz, ebenso der Priester Ibas von Edessa. Der Streit nahm jedoch glücklicherweise keine weitere Ausdehnung an, da monophysitisch gesinnte armenische Mönche auch ganz orthodoxe Aussprüche Theodors von Mopsuestia für ketzerisch erklärten und da überdies der Kaiser Frieden wünschte. Gleichwohl trug auch dieser Streit dazu bei, die Feindseligkeit des Theodoret gegen Cyrill zu nähren und zu mehren. Die Erbitterung, die sich allmählich in der Seele Theodorets angehäuft hatte, zittert noch nach in dem Briefe, den Theodoret an seinen Patriarchen Domnus schrieb, als er 444 den Tod seines großen Gegners Cyrill erfuhr13.

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