Novellen – Ludwig Anzengruber
Dieser Band enthält folgende Novellen des Heimatautors:
Hartingers alte Sixtin
Vereinsamt
Sein Spielzeug
“Jaggernaut”
Allerseelen
Aus der Spielzeugwelt
Format: eBook.
Novellen.
ISBN eBook: 9783849654627
Auszug aus “Hartingers alte Sixtin:”
An dem Zaune hinter dem Hartingerschen Gehöft lehnte breitbeinig ein hochgewachsener Bursche, den linken Arm hatte er untergestemmt und den rechten um die Hüfte seiner kleinen, drallen, braunäugigen Dirne gelegt, welche drinnen im Küchengarten stand. Manchmal, wenn er gar eifrig auf sie einsprach, strich der Flaum seines keimenden Backenbartes ihre Wange, dann lachte sie und schob ihn mit beiden Armen etwas von sich. Ihre Wangen brannten, ihre Blicke schielten seitwärts nach dem Boden, und wenn sie sich mitunter zwang, die Augen aufzuschlagen, so sah sie dem Burschen etwas stier in die seinen. Bald trat sie auf den einen Fuß, bald auf den anderen, und der freie tänzelte dann unstet herum und strich durch das Gras. Ein dichter, breiter Holunderstrauch, dessen weiße Blütenbüschel in der Abendluft einen starken Duft aushauchten, deckte dem Liebespaar den Rücken.
»Ich komm’, Sopherl,« flüsterte der Bursche, »kannst dich verlassen, ich komm’.«
»Na, wenn d’ kommst, so wirst da sein,« sagte die Dirn und zeigte die blanken Zähne, denn wenn etwas ein Spaß sein soll, so muß dazu gelacht werden. »Da werd’ ich sein, kurios werd’ ich da sein.« Er sagte ihr leise etwas ins Ohr und sie zerzupfte ein Holunderblatt.
»Es gilt?« Er hielt die breite Hand hin.
»Nein, Steffel.«
»Magst mich, so magst auch; magst mich nit, so magst nit. Zum Foppen und Hinhalten acht’ ich mich auch für die reichste Bauerstochter z’gut.«
»Geh, was du gleich bös’ sein magst. Denk nur, wie mer Gott’s und Welt’s wegen auch nit wenig in der Angst is.«
»Beileib’, ‘s Fensterl riegeln mer fein sauber zu und sperren Gott und d’ Welt aus.«
Sie legte beide runde Arme um seinen Hals und schmiegte den Kopf an seine Brust. »Ich tu’ mich so viel fürchten, Steffel.«
»Hat’s gar nit not, Sopherl.« Er sang halblaut:
»D’ Lieb is voll Hoamlichkeit,
So viel ich waß,
D’ Lieb’ is kein Pöllerschuß,
Fallst nit in d’ Fraß!«
»Hat’s wirklich nit not, Sopherl, daß d’ dich fürcht’st.« Er flüsterte ihr ins Ohr, bis sie sich losriß und ihm eine Maulschelle gab. –
»Ui, ui,« rief der Bursch und hielt sich die Wange. »Wart’ nur, kommst du mir grob, komm’ ich dir auch nit fein.«
Die Dirne drehte sich aus ihren Schuhabsätzen um, als wollte sie davoneilen.
»Sopherl, mein!«
Sie blieb stehen.
»Ich komm’.«
Da raffte sie beide Hände voll Holunderblätter und warf sie ihm an den Kopf, damit lief sie wirklich fort.
Der Bursch reckte sich hoch auf, so lang er war, und blickte schmunzelnd nach dem Hartingerschen Gehöft hinüber. Er drückte den Hut schief auf den Scheitel, dann tat er ein paar Schritte, besann sich wieder, blieb stehen und zog aus der Brusttasche eine kurze Pfeife hervor; nachdem er selbe unter vielen Umständlichkeiten ausgeklopft, gestopft und den Tabak in Brand gesetzt hatte, schritt er qualmend mit federnden Schritten den schmalen Steig entlang, aber nicht dem Dorfe zu.
Die jungen Leute, die auf so angenehme Weise die Zeit totschlugen, hatten es nicht gemerkt, daß sie schon längere Weile nicht mehr allein waren, daß jemand in den Garten getreten war und sich da zu schaffen machte.
Es war eine lange, hagere Magd, sie hatte ein leichtes Tuch nach vorne und hinten »zipfet« um den Kopf gebunden, so daß es von ihrem reichen tiefschwarzen Haar nichts sehen ließ, und wenngleich aus dem mürrischen Gesichte mit den herben Zügen ein Paar dunkle Augen brennend hervorleuchteten, so drückten doch die Brauen zu tief auf selbe herab. Die Kleidung, welche sie trug, verunzierte sie geradezu; dieselbe war freilich so reinlich wie nur möglich gehalten, doch schien sie in allen Stücken zusammengesucht; der Spenser mit dem langen Leib und den schmalen Ärmeln, der Rock, der ihr sackartig um die Beine schlotterte, und die plumpen Schnürstiefel ließen das Eckige und Derbknochige ihrer Gestalt über Gebühr hervortreten. Kurz eine Person, die nichts auf sich gab und ebensowenig auf andere zu geben schien.
Sie schritt an den Beeten hin, kniete an einzelnen nieder und jätete das Unkraut mit hastigen, aber sicheren Griffen aus, kein Wurzelstrunk blieb heil in der Erde zurück. Sie kam hinauf bis an das andere Ende und kniete jetzt dicht vor dem Holunderstrauch.
Sie horchte auf. Einen Augenblick flog ein höhnisches Lächeln über ihr Gesicht und sie murmelte: »Wenn man das Tschapperl machen ließ!?« Dann aber nahmen ihre Züge einen tiefen Ernst an und sie schüttelte mehrmal nachdrücklich den Kopf.
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