Um ein Weib

Um ein Weib – Ida Boy-Ed

Die Schriftstellerin beschreibt in diesem Roman den ungleichen Kampf zweier Männer um eine Frau. Die in Lübeck verstorbene Ida Boy-Ed verfasste über 70 Romane und Erzählbände.

Um ein Weib

Um ein Weib.

Format: eBook.

Um ein Weib.

ISBN eBook: 9783849654863

 

 

Auszug aus dem Text:

Den Geburtstag des Bürgermeisters feierten Amtsrichter Dr. Fritz Haldenwang und Frau Antoinette mit einem Frühstück. Es war ein Sonntag im September. Die kleine Schar der Gäste saß im vollen Sonnenschein, der durch die Fenster der Veranda hereinkam und alle weinheißen Gesichter etwas zu rücksichtslos beleuchtete. Man hatte gut gegessen und getrunken.

Seit Bürgermeister Mandach mit imposanter Majestät und doch auch mit schmunzelndem Wohlwollen hier als Stadtvater wirkte, war in dem engeren Kreis, dem er gleich wie von selbst vorsaß, ein lebemännischer Ton aufgekommen. Wie lange der Bürgermeister sich in dem Amt behaupten würde, darauf war er selbst objektiv neugierig. Im allgemeinen war er nicht gut mit sich umgegangen. Er sagte es selbst, teils aus wirklicher Erkenntnis, teils aus einer gewissen grandiosen Art heraus, die sich lieber selbst scharf kritisiert, als daß sie die scharfe Kritik anderer abwartet.

Im Grunde genommen fiel es aber niemandem ein, ihn scharf zu beurteilen. Er trug ja seine eigene Haut zu Markte. Und selbst die alten Freunde, die wohl hier und da einige Schulden für ihn bezahlt hatten, rechneten ihm ihre Großmut nicht an, was doch gewiß bedeutsam war.

Erst hatte er ein paar Semester studiert, und von jener Zeit her stammte seine Freundschaft mit Amtsrichter Dr. Haldenwang. Sie waren beide Rhenanen und hatten in Freiburg unvergeßliche Zeiten zusammen durchbummelt. Dann, als Leutnant der Reserve, ging ihm bei einem köstlichen Manöver sein Soldatenherz auf. Es war das reinste Lustspielmanöver gewesen, im Stil des seligen Gustav von Moser. Herrliches Wetter, großartige Quartiere, bezaubernde Schloßfräuleins, Vorgesetzte von gutem Humor. Mandach kapitulierte. Aber als er ein paar Jahre die Einförmigkeit des Rekrutendrillens genossen und seine Finanzen derartig verworren wurden, daß seinen guten Freunden die Haare zu Berge standen – seine eigenen Kopfnerven waren nicht so reizbar –, nahm er seinen Abschied mit dem Titel eines Hauptmanns z.D. Wovon er dann lebte, bis ihm, dank der geradezu leidenschaftlichen Bemühungen seiner Freunde, die Bürgermeisterstelle in Wachow zufiel, war niemandem ganz klar. Aber es wagte auch niemand danach zu fragen, oder gar den Zweifel aufkommen zu lassen, als könne es mit der Lebensführung Mandachs jemals nicht gentlemanlike zugehen. Er trat immer und überall als vollkommener Ehrenmann auf, der er immer gewesen und der er immer bleiben würde, denn er haßte die schlechte Gesellschaft und jede Nachlässigkeit der Form, trotzdem sein Wesen zuweilen etwas laut und voll burschikoser Bonhomie schien.

Die Bürgermeisterwürde kleidete seiner großen, wohlbeleibten, blonden Bonvivanterscheinung vorzüglich. Mit seiner raschen Intelligenz hatte er die Geschäfte der kleinen Stadt bald übersehen und in die Hand genommen. Sofort war er der Mittelpunkt der Gesellschaft und der Favorit der öffentlichen Meinung. Sein Freund Haldenwang, der in Wachow als Amtsrichter wirkte, hatte ihn jubelnd aufgenommen, den Anbruch fröhlicherer, belebterer Zeiten im kleinen Nest vorausgesehen und mit seiner klugen Frau Antoinette besprochen, daß sie versuchen wollten, auf schickliche und unscheinbare Weise, Mandach ein bißchen in Ordnung zu halten.

Das Sektfrühstück an Mandachs Geburtstag war eine dieser Freundschaftstaten. Denn wenn Haldenwangs ihm nicht mit der Einladung zu solchem Fest zuvorgekommen wären, würde er selbst in seiner Junggesellenwohnung eine Feier veranstaltet haben, die mit seiner Bürgermeistergage in gar keinem Verhältnis gestanden hätte.

Nun beschien die unhöfliche Mittagssonne die Tafel in der Veranda und zeigte klar, daß es hier üppig zugegangen war. Es war schon abgedeckt, die Mokkatäßchen standen vor den Herrschaften, eine ganze Auswahl von Schnäpsen bildete, vermöge der Verschiedenartigkeit ihrer Flaschen und Etiketts, eine geradezu malerische Gruppe. Sie war in erreichbarer Nähe vor Mandach aufgebaut, und er verteilte und mischte die Gaben, nach den lautwerdenden Wünschen oder nach seiner umfassenden Erfahrung, teils den Geschmack der anderen erratend, teils ihn bevormundend.

Draußen stand ein Garten in blanken gelbroten Herbstfarben. Da war ein Birnbaum, dessen Blätter sahen aus, als seien sie von chromorangefarbenem Email, so glänzend, so fest, so flammend leuchteten sie im Mittagsschein. Da kokettierte eine schimmernde Pappel, eine italienische, mit großer, etwas sperriger Krone, die ließ ihre silberweißen Blätter nervös zittern und zeigte damit an, daß ein feines Lüftchen die Mittagswärme bewegte. Die Syringenbüsche heuchelten noch Sommergrün, aber es war so trügerisch wie der schöne Teint einer Schauspielerin. Kraftlos fiel ab und zu ein grünes Blatt zu Boden und gesellte sich zu all den gelben, roten, weißen Blattflecken, die schon den Gartenweg tigerten.

Über diesem bunten Garten, der eine tolle Farbensinfonie war, stand ein Himmel, der auf einem Bilde von jedem Kunstrezensenten schlecht kritisiert worden wäre. So sehr mit gleißender blauer Ölfarbe schien er spiegelglatt angestrichen.

Es war aber nicht die Farbenpracht und das warme Leuchten draußen, was sich auf den Gesichtern drinnen widerspiegelte: deren Gluten kamen von innen. Essen, Wein und Reden hatten bei allen gut eingeheizt. Mandach selbst sah man am wenigsten an. Er war eben zu erprobt und abgehärtet. Der Bezirkskommandeur, Major v. Lorenz, der seine gedrungene Erscheinung durch einen grauen Schnauzbart mit gewaltiger »Anleihe« martialischer zu machen gesucht hatte, wenn auch mit dem ihm unbewußt bleibenden Resultat der komischen Wirkung, hatte einen fast bläulichen Teint bekommen. Er ließ sich von Mandach zum fünften Male Hennessy, Angostura und Benediktiner in dem richtigen Verhältnis, das eben nur Mandach kannte, zusammengießen. Gerade begann er schon an dem Leib-, Mund- und Magenthema aller Z.-D.-Offiziere herumzusprechen, nämlich an den Fehlern, die die Heeresverwaltung macht.

Sein Adjutant, der weißblonde, magere, lange Oberleutnant Müller, der sich seit vier Jahren vorgenommen hatte, sich unter allen Umständen nächste Woche sehr reich zu verloben, machte Marya Keßler den Hof. Er wurde immer tief, wen er getrunken hatte. Nicht melancholisch, nicht gerührt, nicht vertraulich. Aber sehr tief – sehr, und kam sich dann ungeheuer bedeutend vor. Es hieß, er schaffe sich zuweilen ein Buch ernsterer Art an und lese in trüben Stunden auch darin.

Frau Marya Keßler war auch heiß und rot, und litt, weil sie wußte, es stand ihr nicht. Sie, als wohlhabende Witwe zwischen dreißig und vierzig, von der jedermann annahm, daß sie ja doch wieder heiraten werde, fühlte sich hier ein wenig als Königin des Festes. Sie wußte, daß Haldenwangs den Gedanken liebkosten, Bürgermeister Mandach und sie sollten sich finden. Ob Mandach es auch dachte, war ihr noch unklar. Sie dachte nicht daran, wenigstens vorerst noch nicht. Der »Oberst Ollendorf«, so nannte man den Major hinter seinem Rücken, war ihr erklärter Bewunderer und steuerte ziemlich offenkundig auf die Stunde los, wo er mit einem Heiratsantrag herausrücken könnte. Nun machte ihr auch gar noch Oberleutnant Müller den Hof und sprach ebenso bedeutend als verworren mit ihr über »Geschlecht und Charakter«, ein Buch, welches auch sie gelesen und ebensowenig verstanden hatte. Aber sie schwelgten nun beide in Bewunderung und kamen sich modern vor.

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