Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth

Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth – Imra Gräfin Sztaray

Die ungarische Gräfin Irma wurde als Tochter von Graf Viktor Stáray de Sztára et Nagymihály (1823-1879) und Gräfin Mária Török de Szendrõ (1835-1916) geboren. Sie heiratete nie, da sie ihr ganzes Leben der Kaiserin und dem Hof widmete. Sie begleitete Elisabeth während ihrer letzten vier Jahre, von 1894 bis 1898, auf ihren Reisen nach Ungarn, Italien, der Schweiz, Algerien und Griechenland. Ihre Memoiren “Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth”, die sie viele Jahre nach dem Tod von Kaiserin Elisabeth schrieb, und die auf Briefen beruhen, die sie während ihrer Reisen an ihre Mutter schrieb, sind eine wertvolle Quelle, die detaillierte Einblicke in Sissis letzte Jahre gibt. Für ihre Verdienste erhielt Irma Sztáray gleich nach der Ermordung Elisabeths von Kaiser Franz Joseph I. die Ehrenmedaille.

Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth

Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth.

Formate: Taschenbuch/eBook

Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth.

ISBN Taschenbuch: 9783849666460

ISBN eBook: 9783849661601

 

Auszug aus dem Text:

 

August 1894.

Ein Brief aus Ischl. Noch niemals brachte mir die Post eine freudigere Botschaft. Was ich nach dem Lesen dieses Briefes empfand, kann nur der ermessen, dem es zumindest einmal gegeben ward, ein stillgehegtes heißes Verlangen urplötzlich, wie auf ein Zauberwort, erfüllt zu sehen.

Immer wieder durchlas ich den Brief und ich fühlte, dass meine Sonne den Zenit erreicht hatte.

Hätte in diesem Augenblicke das Buch des Schicksals vor mir gelegen, es wäre mir vielleicht gar nicht eingefallen, hineinzublicken, so sehr bemächtigte sich meiner die Fülle der Gegenwart. Und doch gestaltete sich der Tag, an dem dieser Brief in mein stilles Szobränczer Heim flog, fast verhängnisvoll.

Ich machte in heiterer Gesellschaft einen Ausflug nach dem nahegelegenen lieblichen Meerauge. Bergab fahrend, wurde mein Kleid vom Rade erfasst, das mich mit sich fortschleifte. Ich schwebte in Lebensgefahr. Glücklicherweise gelang es noch rechtzeitig, den Wagen zum Stillstande zu bringen. Mein Kleid war zerrissen, sonst kam ich mit dem bloßen Schreck davon.

Ich stand noch ganz unter dem Eindrucke dieses Erlebnisses, als ich, zu Hause angekommen, glücklich bewegt, den Ischler Brief las. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin ließ mich zu sich berufen und gleichzeitig befragen, ob ich Kraft genug in mir fühlte, um sie auf ihren für diesen Winter geplanten weiten Reisen zu begleiten. Ach, ich fühlte in diesem Augenblicke die Kraft, mit ihr bis ans Ende der Welt zu gehen!

Was ich antwortete?

Am nächsten Tage reiste ich nach Ischl.

In begreiflicher Befangenheit stieg ich auf dem Ischler Perron aus, von wo mich ein Hofwagen in die kaiserliche Villa brachte. Der Hof dinierte eben. Ich begab mich daher zu Frau Ida v. Ferenczy, der Vorleserin Ihrer Majestät der Kaiserin, deren tiefinnerliches Wesen und herzlicher Empfang sehr beruhigend auf mich wirkten.

Ist es denn auch zu verwundern, dachte ich bei mir, dass ich jetzt so überaus bewegt bin? Wie aus einem Traume erwachend, stehe ich da am ersehnten Ziele! Ihr werde ich dienen dürfen, die ich bisher nur aus der Ferne mit verehrenden Gedanken begleitete! Und da ich mich heute an ihre Seite stelle, fühle ich die ganze Bedeutung dieses Augenblickes; mein Herz pocht und meine Seele bebt. Ich kenne ja die Kaiserin gar nicht.

Den Nachmittag verbrachte ich mit Gräfin Mikes, Hofdame Ihrer Majestät. Dankbar gedenke ich dessen, dass sie es war, die mir während der Spazierfahrt die ersten Weisungen für meinen künftigen Dienst erteilte.

Ich erinnere mich, dass sich mir aus dieser, auch die Details erörternden gütigen Belehrung zwei charakteristische Momente sofort in die Seele prägten.

Erstens, dass Ihre Majestät nur mit geraden, aufrichtigen Menschen sympathisiere und gerne auch ein unangenehmes Wort gestatte, wenn es nur wahr sei; weiters, dass sie mit Rücksicht auf ihre empfindlichen Nerven von ihrer Umgebung unbedingte Selbstbeherrschung und eine wohltuend wirkende Ruhe erwarte. Der ersten Bedingung glaubte ich leicht entsprechen zu können, hinsichtlich der zweiten aber vertraute ich auf Gott und gelobte mir die größte Selbstbeherrschung. Am nächsten Morgen empfing mich Gräfin Mikes mit dem Bedeuten, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach noch im Laufe des Vormittags vorgestellt werden würde, es sich daher empfehle, mich rechtzeitig bereit zu halten. Doch kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, kam schon der Befehl, wir sollten unverzüglich kommen, Ihre Majestät erwarte uns.

So geschah es, dass ich nicht einmal mehr in meine Wohnung gehen konnte; die Gräfin half mir mit ihrer Toilette aus und ich trat in fremden Kleidern zum ersten Male vor die Kaiserin.

Der große Augenblick war nun da.

Pochenden Herzens stand ich mit meiner Gefährtin an der Ecke der Villa und gleich darauf erblickte ich Ihre Majestät; sie promenierte. Unter ihrem großen weißen Schirme ergoss sich das Licht auf das aufgelöst herabwallende Haar, das wie eine schimmernde Hülle ihre königliche Gestalt umfloss. Jetzt wandte sie sich, wir näherten uns und ich wurde vorgestellt.

Sie hatte etwas in ihrem Wesen, das faszinierte. Während ihr leuchtendes trauriges Auge zum ersten Male auf mir ruhte, stand ich wie im Banne eines überirdischen Wesens und meine Seele empfand gleichsam schmerzlich ihre Minderwertigkeit und Alltäglichkeit. Ob sie es wahrnahm, weiß ich nicht, doch kam sie mir selbst zu Hilfe mit ihrem holdseligen Lächeln, das bezauberte und — befreite. Es war eine einzig unvergessliche Audienz.

Durch Fragen, die sie an mich richtete, und durch Antworten auf meine Fragen suchte mich die hohe Frau in entzückend freundlicher Unmittelbarkeit kennen zu lernen.

Meine Befangenheit schwand wie Nebeldünste im Sonnenschein. Ich fühlte die Nähe einer großen und guten Seele, die mich ermutigte, ja erhob.

Ich empfand, dass ich die Höhe ihres Fluges niemals erreichen würde, und doch fühlte ich mich durch ihre Güte wie mit emporgehoben.

Ich fühlte ihre sieghafte Macht, und schon hier, bei der ersten Begegnung, gab ich ihr meine ganze Seele zu eigen, kraft jener unwiderstehlichen Anziehungskraft der Seelen, die nach höheren Regionen streben.

Beim Abschied küsste mich die Kaiserin. Wie glücklich war ich!

Wenn sich in diesem Augenblicke der Schleier des Schicksals gehoben und ich die letzte Station dieses Kalvarienberges erblickt hätte! — Aber auch dann wäre ich mit ihr gegangen.

Noch lange sah ich der ‘herrlichen Gestalt nach, die sich entfernte, dann ging auch ich. Und in dieser glücklichen Stunde wurde mein Schicksal besiegelt — mit schwarzem Siegel besiegelt.

Am selben Tage war ich zur Hoftafel geladen, an der jedoch die Kaiserin nicht teilnahm. Ich saß neben dem kleinen bayrischen Prinzen Konrad und ergötzte mich an ihm, denn er war ein ebenso unverfälschter kleiner Schelm wie andere Schelmchen dieses Alters, die nicht im Purpur geboren sind. Seine Erziehung war sehr streng. Er bekam keine Mehlspeise, bis er seinen Braten nicht verzehrt hatte, und mich belustigte gerade die Spitzfindigkeit, mit der Konrad diesem Zwange teils auswich, teils ihm ein Schnippchen schlug.

Einen tiefen Eindruck machte auf mich die außerordentliche Zuvorkommenheit unseres erhabenen Kaisers Damen gegenüber; er lässt diesen stets den Vortritt in den Saal und nimmt aus der Schüssel immer erst nach der präsidierenden Dame, wäre diese auch die jüngste Diensttuende. Mit Rücksicht auf dieses Gehaben hörte ich oft die Bemerkung, dass Seine Majestät nicht nur ein großer Herrscher, sondern auch der erste Ritter sei. Aber es ist mehr als das: es ist die ihm angeborene kaiserliche Vornehmheit!

Unsere Abreise fiel auf den ersten Tag des Dezembers. Die Burg verlassend, fuhr ich, von den guten Wünschen meiner Kolleginnen und Bekannten begleitet, zum Bahnhofe, wo einige Minuten später auch Ihre Majestäten eintrafen.

Der Kaiser verabschiedete sich mit Wärme und Herzlichkeit von der hohen Frau und reichte mir dann mit einigen gütigen Worten die Hand, worauf wir abreisten.

Mir war’s, als ob mit dem Sonderzuge das Rad des Schicksals mich dahintrüge und von diesem Augenblicke ab mein Geschick mit der Kaiserin für immer unzertrennlich verbunden wäre.

Ich erwachte an einem herrlichen Morgen. Himmel und Erde strahlten, selbst der Karst glitzerte und glänzte mit beschneitem Haupte herab auf die sommerlich lächelnde Gegend.

Ein voller Strahl dieses Leuchtens fiel auf das Tuskulum des verewigten Kaisers Maximilian, das schöne Miramare, wo wir jetzt anlangten. Noch blühten in voller Pracht die Rosen. Wie schön wäre es, hier länger zu weilen, wo die poesievolle Umgebung dem Wesen der Kaiserin so sehr entspricht! Leider blieben wir nur wenige Stunden; denn dort in der kleinen Bucht unter dem Schloss wiegt sich schon die weiße Jacht, die “Miramare.” Sie harrt unser, uns hinauszutragen in die azurne Unendlichkeit.

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