Das Hexaemeron

Das Hexaemeron – Ambrosius von Mailand

Ambrosius von Mailand war römischer Politiker, als er zum Bischof von Mailand gewählt wurde. Er ist nicht nur einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike der Westkirche, sondern seit 1295 auch den Ehrentitel Kirchenvater. Sein Hexaemeron ist eine exegetische Abhandlung der Geschichte des sechstägigen Schöpfungswerkes, wie es im ersten Kapitel der Genesis enthalten ist.

Das Hexaemeron

Das Hexaemeron.

Format: eBook/Taschenbuch

Das Hexaemeron

ISBN eBook: 9783849659660

ISBN Taschenbuch: 9783849668495

 

Auszug aus dem Text:

I. Kapitel.

Die heidnischen Kosmologien.

1.

 So großem Wahne denn konnten Menschen verfallen, daß einige von ihnen drei Prinzipien alles Seienden aufstellten: Gott, die Idee und die Materie! So Plato und seine Schule. Dieselben seien, versichern sie, unvergänglich, ungeschaffen und anfangslos. Und Gott habe nicht als Schöpfer der Materie, sondern nur als Bildner, dem ein Bild, d. i. die Idee vorschwebte, die Welt aus der Materie, Hyle genannt, gemacht. Diese habe, behaupten sie, für alle Dinge die Entstehungsursache abgegeben. Sogar auch die Welt halten sie für unvergänglich und nicht für geschaffen oder gemacht. Wieder andere ― Aristoteles und seine Schule glaubten diese Anschauung vertreten zu sollen ― nahmen zwei Prinzipien an, Materie und Form, und in Verbindung damit ein drittes, das „wirkende“ genannt, hinlänglich genug das zu verwirklichen, was nach seinem Ermessen ins Werk zu setzen sei.

2.

Was wäre nun so ungereimt als ihre (der Philosophen) Verquickung der Ewigkeit der Schöpfung mit der Ewigkeit des allmächtigen Gottes, oder ihre Identifizierung der Schöpfung mit Gott1, so daß sie dem Himmel und der Erde und dem Meere göttliche Ehre erwiesen? Die Folge war, daß sie in den Teilen der Welt Gottheiten erblickten2, wiewohl über die Welt  selbst nicht geringe Meinungsverschiedenheit unter ihnen besteht.

3.

[Forts.  ] Pythagoras nimmt nur eine Welt an. Andere behaupten das Dasein zahlloser Welten, wie Demokrit in seinen Schriften, dem das Altertum die größte Autorität in der Naturwissenschaft zuerkannte. Aristoteles eignet sich den Satz an: Die Welt war und wird immerfort sein. Dem stellt Plato die Behauptung entgegen: Sie hat nicht immer bestanden, wird aber immer fortbestehen. Gar viele Autoren3 aber treten in ihren Schriften für die Anschauung ein: Sie hat nicht immer bestanden und wird nicht immer bestehen.

4.

[Forts.  ] Wie ließe sich bei diesen widersprechenden Ansichten der wahre Sachverhalt ermitteln? Geben doch die einen die Welt selbst, insofern ihr nach ihrem Dafürhalten anscheinend göttlicher Geist innewohne, für Gott aus, andere die Bestandteile derselben, wieder andere beides zugleich. Da läßt sich doch unmöglich eine Vorstellung gewinnen von der Gestalt der Götter, von deren Zahl, von deren Wohnsitz oder Leben und Treiben. Nach der Welt zu urteilen müßte man sich ja die Gottheit füglich rotierend, rund4, lohend, in gewisse Bewegungen versetzt, bewußtlos und fremder Bewegung, nicht der eigenen folgend denken.

II. Kapitel.

Der Fundamentalsatz der mosaischen Kosmologie. Moses.

5.

Folgenden Satz stellte der heilige Moses, da er im göttlichen Geiste5 voraussah, daß solche  menschliche Irrtümer hervortreten würden und vielleicht schon hervorzutreten anfingen, an die Spitze seines Berichtes: „Im Anfang hat Gott den Himmel und die Erde geschaffen“6. Er spricht damit den Anfang der Dinge, den Urheber der Welt und die Erschaffung der Materie zugleich aus. Man sollte daraus ersehen: Gott war vor dem Anfange der Welt da, bezw. er gerade ist der Anfang des Alls gemäß der Antwort, die der Gottessohn im Evangelium auf die Frage: „wer bist du?“ gegeben hat: „Der Anfang, der ich auch zu euch rede“7; und er gerade hat den Dingen den Anfang ihres Entstehens gegeben und er ist der Schöpfer der Welt, nicht aber gleichsam nur an der Hand einer Idee der Nachformer der Materie, aus der er nicht nach seinem freien Ermessen, sondern nach gegebenem Muster seine Werke gestaltete. Zutreffend gebrauchte er desgleichen die Wendung: „Im Anfang hat er geschaffen“. Er wollte damit, daß er in seiner Darstellung gleich das Ergebnis der vollendeten Schöpfung der folgenden Aufzeigung der anfangenden voranstellte, die unbegreifliche Schnelligkeit der Schöpfung zum Ausdruck bringen.

6.

Wer es spricht, müssen wir beachten. Doch Moses8, der in jeglicher Weisheit der Ägypter wohlbewanderte, den die Tochter des Pharao aus dem Flusse heben ließ und wie ihr Kind lieb gewann9 und auf königliche Kosten in allen Lehren der Weltweisheit unterweisen und ausbilden zu lassen wünschte. Obschon nach dem Wasser benannt1, glaubte er dennoch nicht  behaupten zu dürfen, daß alles aus Wasser bestehe, wie Thales behauptet. Und obschon am Königshofe erzogen, wollte er aus Liebe zur Gerechtigkeit eher das Brot freiwilliger Verbannung essen, denn als hoher Würdenträger der Zwingherrschaft in weichlicher Genußsucht in den Dienst der Sünde treten. Bevor er noch zur Aufgabe berufen wurde, sein Volk zu befreien, setzte er sich dadurch, daß er im Übereifer seines natürlichen Rechtlichkeitssinnes einen ungerecht behandelten Volksgenossen rächte, der Ungnade aus, riß sich vom Genußleben los, floh das ganze unruhige Treiben am Königshofe, suchte die Einsamkeit Äthiopiens auf und versenkte dort seinen Geist, fern allen sonstigen Beschäftigungen, ganz in die Erkenntnis des Göttlichen, so daß er die Herrlichkeit Gottes von Angesicht zu Angesicht schaute. Ihm gibt die Schrift das Zeugnis, daß „kein Prophet fürder aufstand in Israel gleich Moses, welcher den Herrn kannte von Angesicht zu Angesicht“11. Nicht im Gesicht und nicht im Traum, sondern von Mund zu Mund durfte er mit Gott dem Allerhöchsten sprechen und ward der Gnade gewürdigt, Gottes Gegenwart nicht nur im Bilde oder im Rätsel, sondern in Klarheit und Wahrheit zu schauen12.

7.

Er (Moses) nun öffnete seinen Mund und goß aus die Worte, welche der Herr zu ihm redete gemäß der Verheißung, die er ihm gegeben hatte, da er ihn zu König Pharao sendete: „Zieh hin! Und ich werde deinen Mund öffnen und dich lehren, was du sprechen sollst“13. In der Tat, wenn er schon die Worte, die er zur Entlassung seines Volkes vorbringen sollte, von Gott empfangen hatte, wieviel mehr jene, die er über den Himmel aussprechen sollte! „Nicht in Überredung  menschlicher Weisheit“14, nicht in philosophischen Trugschlüssen, „sondern in Erweisung von Geist und Kraft“15, gleichsam als Zeuge der göttlichen Schöpfung, wagte er denn zu sprechen: „Im Anfange hat Gott den Himmel und die Erde geschaffen“. Er wartete nicht erst den langwierigen und vergeblichen Prozeß ab, wonach die Welt aus Atomverbindungen sich zusammenfügte, und (wartete) nicht sozusagen auf einen Schüler der Materie, der letztere erst studieren mußte, um die Welt formen zu können, sondern glaubte gleich Gott als ihren Urheber aussprechen zu sollen. Ein Mann voll Weisheit, merkte er wohl, daß allein in Gottes Geist Wesen und Grund der sichtbaren und unsichtbaren Dinge beruhten, und nicht, wie die Philosophen lehren, eine nachhaltige Verbindung der Atome ihre stetige Fortdauer bedinge. Ihm dünkte es, als spännen sie nur ein Spinngewebe16, sie, die so kleinliche und wesenlose Prinzipien für Himmel und Erde ansetzten. Müßten doch diese, wie zufällig verbunden, so auch zufällig und aufs Geratewohl sich auflösen, hätten sie nicht in der göttlichen Macht ihres Lenkers den festen Bestand. Kein Wunder übrigens, wenn die, welche Gott nicht kennen, auch vom Lenker (der Welt), der alles leitet und regiert, nichts wissen. So folgen wir also dem, der sowohl den Schöpfer als auch den Lenker kannte, und lassen wir uns nicht von eitlen Meinungen irreführen!

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