Von den Pflichten der Kirchendiener

Von den Pflichten der Kirchendiener – Ambrosius von Mailand

Ambrosius von Mailand war römischer Politiker, als er zum Bischof von Mailand gewählt wurde. Er ist nicht nur einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike der Westkirche, sondern seit 1295 auch den Ehrentitel Kirchenvater. Die 3 Bücher “de officiis ministrorum”, “Von den Pflichten der Kirchendiener” (von ca. 387) stehen unter den systematischen Schriften des Ambrosius obenan, eine Pastoralethik in genauester Anlehnung an Ciceros Werk “de officiis.”

Von den Pflichten der Kirchendiener

Von den Pflichten der Kirchendiener.

Format: eBook/Taschenbuch

Von den Pflichten der Kirchendiener

ISBN eBook: 9783849659639

ISBN Taschenbuch: 9783849668464

 

Auszug aus dem Text:

Erstes Buch: Vom Sittlichguten

I. Kapitel

 

 Vom Sittlichguten: Nach dem Vorgang Davids (1) will Ambrosius aus priesterlichem Pflichtgefühl (2) und lehramtlichem Eifer (3), wenn auch im Bewußtsein mangelnder theologischer Vorbildung (4) an die Unterweisung seiner ‚Söhne‘ gehen.

1. Ich glaube nicht anmaßend zu erscheinen, wenn ich im Kreise meiner Söhne1 dem Herzenswunsch zu lehren stattgeben möchte. Spricht doch ein Lehrer der Demut selbst: „Kommt, Söhne, hört mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren“2. Man mag hierin einen Ausdruck seiner ebenso demütigen wie zarten Gottesfurcht erblicken. Denn mit der Wendung ‚Furcht Gottes‘, die offenbar eine gemeinsame Pflicht aller ist, gab er das Losungswort für die Gottesfürchtigkeit aus. Doch da gerade die Furcht „der Anfang der Weisheit“3 und die Seligmacherin ist — denn „selig, die Gott fürchten“4 —, bezeichnete er sich deutlich auch als Lehrer der Weisheit und als Wegweiser zur Seligkeit.

2. Auf die Nachahmung seiner Gottesfürchtigkeit bedacht und zu einem Gnadenerweis nicht unberechtigt, wollen denn auch wir die Lehren, die der Geist der Weisheit jenem eingegossen hat, euch als unseren Söhnen mitteilen, wie sie uns durch ihn erschlossen wurden und durch Anschauung und Beispiel bekannt sind.  Können wir uns doch nunmehr der Pflicht des Lehrens, die uns das wider Willen aufgenötigte Priesteramt5 auferlegte, nicht entschlagen. „Gott hat ja die einen zu Aposteln, andere aber zu Propheten, andere hingegen zu Evangelisten, andere aber zu Hirten und Lehrern eingesetzt“6.

3. Nicht den Ruhm der Apostel maße ich mir an — wer dürfte dies denn außer den Jüngern, die der Sohn Gottes selbst hierzu erwählt hat? —, nicht der Propheten Gnadengabe, nicht die Gewalt der Evangelisten, nicht der Hirten Sorgfalt: nur jenen Fleiß und Eifer in Sachen der göttlichen Schrift verlange ich mir, welche der Apostel an letzter Stelle unter den Ämtern der Heiligen aufführte, und auch diesen nur, um aus dem eifrigen Lehren lernen zu können. Denn nur einen wahren Lehrer gibt es7: er allein brauchte nicht lernen, was er alle lehrte; Menschen aber müssen erst lernen, was sie lehren, und empfangen von ihm, was sie anderen überliefern sollen.

4. Doch nicht einmal das trifft bei mir zu. Man hat mich ja von Richterstuhl und Amtsbinde weg jählings ins Priesteramt entführt8. So fing ich an, euch zu lehren, was ich selbst nicht gelernt habe; so geschah es, daß ich eher zu lehren als zu lernen anhub. Lernen und lehren zugleich muß ich sonach, weil mir keine Zeit zum Lernen erübrigte.

II. Kapitel

 

Die Pflicht des Schweigens: Schweigen behütet vor Sünde, verrät den Weisen (5). Die Heiligen liebten es (6), die Schrift mahnt hierzu (7). Welche  Schuld und Strafe ziehen übereilte Worte und gottlose Reden nach sich (8)!

5. Was sollten wir vor allem anderen lernen als schweigen, um reden zu können, auf daß nicht mein Wort mich verurteilt, bevor ein fremdes mich losspricht? Denn es steht geschrieben: „Aus deinen eigenen Worten wirst du verurteilt werden“9. Wozu mit Reden die Gefahr der Verurteilung gewärtigen, wenn mit Schweigen sich sicherer leben läßt? Gar viele sah ich mit Reden in Sünde geraten, kaum einen mit Schweigen. Zu schweigen wissen, ist nun schwieriger als zu reden. So mancher, wie ich weiß, redet, da er nicht zu schweigen versteht. Nur selten kommt es vor, daß einer schweigt, da ihm reden frommen würde. Weise ist sonach, wer zu schweigen versteht. So sprach denn auch die Weisheit Gottes: „Der Herr gab mir eine kundige Zunge, wenn es nötig wäre zu sprechen“10. Mit Recht also ist weise, wer vom Herrn es empfängt, wann er sprechen soll. Daher das treffliche Schriftwort: „Der Weise schweigt bis zu seiner Zeit“11.

6. Die Heiligen des Herrn liebten es darum zu schweigen, weil sie wußten, daß gar häufig die Zunge des Menschen das Sprachrohr der Sünde, und das Wort des Menschen der Anfang zur menschlichen Verirrung ist. So beteuert denn ein Heiliger des Herrn: „Ich habe es gesagt: ich will achthaben auf meine Wege, um nicht zu sündigen mit meiner Zunge“12. Er wußte nämlich und hatte es gelesen13, daß der Mensch nur mit Gottes Hilfe „vor seiner Zunge Geißel“ und vor seines Gewissens Zeugnis geborgen sei. Wir bekommen nämlich Schläge vom stillen Vorwurf unseres Denkens und vom Urteilsspruch des Gewissens; wir bekommen auch Schläge von unserer Zunge Geißel, wenn wir Dinge reden, deren Laut unserer Seele Hiebe und dem Geiste  Wunden versetzt. Wer aber würde sein Herz von Sündenunrat rein haben oder mit seiner Zunge nicht fehlen? Deshalb nun, weil er (David) sah, daß kein Heiliger den Mund von unreiner Rede rein bewahren kann, legte er sich selbst im Stillschweigen das Gesetz der Unschuld auf: er wollte durch Schweigen die Schuld meiden, der er durch Reden schwerlich entgehen konnte.

7. So hören wir denn auf den Lehrer der Behutsamkeit! „Ich habe es gesagt: ich will achthaben auf meine Wege“; d. i. ich habe es mir gesagt, im stillen Denken habe ich mir das Gebot auferlegt, achtzuhaben auf meine Wege. Manche Wege gibt es, denen wir folgen, andere, auf welche wir achthaben sollen: folgen sollen wir den Wegen des Herrn, achthaben auf die unsrigen, daß sie nicht zur Sünde führen. Man kann sich aber in acht nehmen, wenn man nicht voreilig spricht. Das Gesetz sagt: „Höre, Israel, den Herrn deinen Gott!“14 Es heißt nicht ‚rede‘, sondern ‚höre‘. Deshalb fiel Eva, weil sie zu ihrem Manne etwas redete, was sie vom Herrn ihrem Gott nicht gehört hatte. Das erste Wort aus Gottes Mund mahnt dich: „höre!“ Hörst du, so hast du acht auf deine Wege und machst es rasch wieder gut, wenn du gefallen. „Wodurch macht denn ein Jüngling seinen Wandel gut? Dadurch, daß er auf die Worte des Herrn acht hat“15. So schweig erst und höre, um nicht mit der Zunge zu sündigen!

8. Unselig das Verdammungsurteil, das einer mit eigenem Munde über sich sprechen muß! Denn wenn jeder schon für ein müßiges Wort Rechenschaft geben wird16, wieviel mehr für ein unlauteres und schimpfliches Wort? Schwerer fallen ja schlüpfrige als müßige Worte auf die Wagschale. Wenn schon für ein müßiges Wort Rechenschaft gefordert wird, wie unvergleichlich größere Strafe wird über gottlose Rede verhängt?

III. Kapitel

 

 Vom Stillschweigen: Es darf kein ständiges, kein müßiges sein (9). Von der Wachsamkeit über Herz und Mund den inneren Leidenschaften gegenüber (10―13).

9. Wie nun? Sollen wir stumm sein? Keineswegs. Denn „es gibt eine Zeit zum Schweigen, und es gibt eine Zeit zum Reden“17. Wenn wir ferner über ein müßiges Wort Rechenschaft geben müssen, sehen wir zu, daß wir nicht auch über ein müßiges Schweigen es tun müssen. Es gibt nämlich auch ein wirksames Schweigen. So war es bei Susanna, die durch Schweigen mehr bewirkte, als wenn sie gesprochen hätte. Während sie nämlich vor den Menschen schwieg, redete sie zu Gott und fand keinen beredteren Zeugen für ihre Keuschheit als das Schweigen. Das Gewissen redete, wo keiner Zunge Laut vernehmlich war. Und kein menschliches Urteil verlangte sie sich, da sie des Herrn Zeugnis für sich hatte. Von dem wollte sie ihre Lossprechung haben, der sich, wie sie wußte, nicht täuschen läßt18. Der Herr selbst wirkte im Evangelium schweigend das Heil der Menschen19. Mit Recht also legte sich David nicht beständiges Schweigen, sondern nur Behutsamkeit hierin auf20.

10. Wachen wir also über unser Herz, wachen wir über unseren Mund! Denn beides steht geschrieben: an unserer Stelle, daß wir den Mund bewahren sollen; an einer anderen die Mahnung: „Mit aller Behutsamkeit wahre dein Herz!“21 Wenn David es wahrte, willst du es nicht wahren? Wenn ein Isaias unreine Lippen hatte, da er bekannte22: „O ich Unseliger, weil von Gewissensbissen gequält! Ein Mensch bin ich ja mit  unreinen Lippen“ — wenn der Prophet unreine Lippen hatte, wie sollten wir reine haben?

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