Das Leben des Augustinus

Das Leben des Augustinus – Possidius

Possidius war Bischof von Calama in Numidien und Verfasser dieser Abhandlung über das Leben des Heiligen Augustinus und einer Liste seiner Schriften . Die Daten seiner Geburt und seines Todes sind nicht bekannt; laut Prosper, der in seiner “Chronik” berichtet, dass Possidius und zwei weitere Bischöfe vom Vandalenkönig Genseric, einem Arianer , verfolgt und aus ihren Ämtern vertrieben wurden, lebte er im Jahr 437 im Exil. Possidius spricht, nachdem er den Tod des Heiligen Augustinus beschrieben hat, von seiner ununterbrochenen Freundschaft mit ihm über vierzig Jahre hinweg. Ebenso lässt er verlauten, dass er zum Klerus des Heiligen Augustinus gehörte.

Das Leben des Augustinus

Das Leben des Augustinus.

Format: eBook/Taschenbuch

Das Leben des Augustinus.

ISBN eBook: 9783849660840

ISBN Taschenbuch: 9783849667566

 

Auszug aus dem Text:

§ 3. Charakteristik und Inhalt der Vita.

Welche Leser Possidius im Auge hat, sagt er selbst am Schlusse des Buchs (c. 31, 11): „Praesentes et absentes praesentis temporis et futuri“. Er schreibt für die Christenheit aller Zeiten („fideles“) und nicht nur für Mönche und Kleriker. Und was er will, ist ebenfalls deutlich: Augustin soll als der durch die gratia dei erweckte treue Zeuge für den Glauben, die Hoffnung und die Liebe der Kirche erscheinen, und die wahre katholische Kirche soll durch den Bericht „De vita et moribus praedestinati et suo tempore praesentati sacerdotis optimi Augustini“ bzw. „de exortu et procursu et debito fine praedicti venerabilis viri“ erbaut werden, damit Gott gepriesen werde (Praef.). Immer wieder im Laufe der Erzähluug schiebt der Verfasser Angaben darüber ein, daß durch Augustin seine eigene Gemeinde, die afrikanische Kirche und auch die überseeischen Kirchen gestärkt und gewachsen seien und daß „der Friede“ für die Kirche sich durch ihn immer mehr konsolidiert habe. „ Friede“ aber hedeutet, daß die Kirche im Innern und Äußeren siegreich und immer mehr unbestritten alles das besitzt, was sie nötig hat, und sich in ihrer Organisation und ihrem Kultus und Leben so entwickelt, wie es ihr Wesen verlang.1

Die Durchführung dieses Hauptgedankens in bezug auf die Wirksamkeit Augustins geschieht so, daß alle Plusmacherei, Lobhudelei ,2 Wundersucht3 usw. ferngehalten wird.

 Possidius’ Biographie ist die reinste und zuverlässigste, die wir aus dem kirchlichen Altertum besitzen. Wo wir ihn, diesen braven und nüchternen Menschen und Schriftsteller, zu kontrollieren vermögen — und das ist in großem Umfang der Fall, besteht er die Probe, und lernen wir stofflich auch nicht viel Neues durch Possidius, da wir Augustins Werke besitzen und die afrikanischen Synodalbeschlüsse kennen, so ist uns hier doch auch Neues mitgeteilt und wir lernen die Art des Einflusses Augustins auf seinen nächsten Schülerkreis kennen. Große Eigenschaften müssen aber auch als Influenzen studiert werden.

Hier nun aber scheint die „Vita“ des Possidius die empfindlichsten Mängel aufzuweisen: Sie scheint der eigenartigen Größe Augustins als philosophischen und geistlichen Denkers gegenüber völlig zu versagen, dazu noch speziell seine Sündenlehre zu verleugnen und ebenso seiner Lehre von der Kirche und dem Staate (von den beiden Reichen) verständnislos gegenüberzustehen. Wer kann aus der „Vita“ erkennen, daß sie dem größten christlichen Denker gilt? Wer sieht sich aus der „Vita“ an den Verfasser der „Konfessionen“ wirklich erinnert? Wer erschaut in ihr den Paulusschüler Augustin? Wer erkennt den Christen wieder, der das Wesen der Sünde und Erbsünde bestimmt hat, und der in der Überzeugung lebte: „An dir allein habe ich gesündigt“? Wer findet in der „Vita“ etwas über das Reich Gottes und das Reich des Bösen und über ihre Geschichte?

Wie ist das zu erklären? Man muß unterscheiden: daß Possidius alles das so gut wie ganz beiseitegelassen hat, was sich auf Sünde, Erbsünde, Tod und Verdammnis bezieht,4 läßt m. E. keine andere Erklärung zu als die, daß er für diesen Komplex des Augustinischen Christentums nicht aufgeschlossen gewesen ist. Wäre er es gewesen, so könnten unbewußte und bewußte Beziehungen auf ihn nicht fehlen — so wenig, wie Beziehungen auf die „gratia“ fehlen (s. o.). Man muß daher hier zur Erkenntnis kommen, daß Augustins Gnadenlehre auch auf solche Christen einen tiefen Eindruck gemacht hat, die seiner Sündenlehre innerlich nicht zu folgen vermochten. Was aber die Lehre von den beiden Reichen betrifft, so muß man erwägen, daß erstens diese Konzeption in ihrer Anwendung auf die konkrete Kirche und den konkreten Staat sich erst allmählich und später aus dem Werke entwickelt hat, und daß zweitens bei Possidius der stärkste Eindruck von der „Wahren Katholischen Kirche“ und ihrer absoluten Bedeutung als Ziel der Werke Gottes und als Seine Anstalt nachweisbar ist. Er hat das nicht ausgeführt, aber er hat es wiederholt an wichtigen Stellen aufs deutlichste markiert. Das genügt, um anzuerkennen, daß Augustin auch für Possidius nicht umsonst über die Kirche gepredigt und geschrieben hat.

Der Befund scheint doch noch übrigzubleiben, daß, um es kurz zu sagen, Possidius der Größe Augustins schlechterdings nicht gerecht geworden ist, daß er in seiner „Vita“ weit hinter ihr zurückbleibt und man von der Lektüre mit dem Urteil scheidet, daß hier ein kleiner Mann, nüchtern und eng, es gewagt hat, das Lebensbild eines Riesen auf dem Gebiete des Geistlichen und des Geistes zu entwerfen.5

 Dieses Urteil aber ist nur bedingt richtig, d. h. nur wenn man Augustin und seinen katholischen Biographen aus dem 5. Jahrhundert in die Neuzeit und aus dem Katholizismus in den Protestantismus versetzt. Hat sich denn Possidius damit begnügt, fort und fort zu wiederholen, Augustin sei ein außerordentlicher Christ, ohne anzugeben, worin diese Größe bestanden hat? Hat er ihn als einen „der Großen im Himmelreich“ bezeichnet (c. 31, 10) und „praecipuum dominici corporis membrum“ genannt (c. 18,6, s. o.), ohne diese Bezeichnung zu begründen? Ganz und gar nicht, vielmehr hat er sie Kapitel für Kapitel aufs kräftigste und deutlichste begründet durch zwei wiederholte Nachweise, erstlich, daß sich Augustin mit der Lehre der katholischen Kirche nicht nur stets im Einvernehmen befunden, sondern daß er diese Lehre und die Kirche se1bst eindrucksvol1 verkündet, gegen Häretiker und Schismatiker siegreich verteidigt und wirksam verbreitet hat. Zweitens, daß er die eigentliche und wahre Weise des christlichen Lebens, das mönchische „servire deo“, in seinem Bistum und in Afrika eingeführt und aufs kräftigste gepflegt hat. Augustin ist nach Possidius begnadeter Mitarbeiter Gottes und Christi durch diese Tätigkeit in Lehre und Leben gewesen und hat Gottes Werk ausgeführt als „praecipuum dominici corporis membrum“.6

Kann gegen diese Prädizierung eine andere aufkommen, und hat es noch ein Interesse, Augustins Geistesgaben, Dialektik, Philosophie und Theologie daneben besonders hervorzuhehen? Sie besagen wenig oder nichts gegenüber dem Ruhme, daß Augustin als vindex der wahren katholischen Kirche Gott zum Ruhm und zur Ehre gewirkt und daß er das apostelgleiche Leben in den Klerus eingeführt hat. Daß es auf beiden Gebieten geschehen ist, dem der Lehre und dem des mönchischen Lebens, stellt ihn nach Possidius an die Spitze aller Väter; denn weder von Cyprian noch von Ambrosius gilt das. Andere Heroen lagen aber nicht im Gesichtskreis der abendländischen Kirche.

Es wird nun offenbar sein, warum Possidius die menschliche Größe Augustins nicht beachtet hat, wobei vorbehalten bleiben mag, daß ihm gewisse Voraussetzungen dafür gefehlt haben: Er würde sie als überzeugter katholischer Christ beiseitegelassen oder nur gestreift haben, auch wenn er jene Voraussetzungen besessen hätte denn nicht den Ruhm Augustins wollte er verkündigen, sondern die Ehre Gottes und die Wahrheit seiner Kirche durch ihn. Für die katholische Kirche ist das das letzte und höchste Wort. Wir aber schätzen es noch höher, die Schöpfungcn und Offenbarungen Gottes in der Fülle und geist lichen Eigenart der Geister, seiner Kinder, zu schauen.

Ein kurzer Gang durch die „Vita“ soll diesen Abschnitt vollenden. Sie ist durchsichtig disponiert (vgl. WEISKOTTEN p. 20):7

(I) Augustins Leben bis zur Priesterweihe und der Einrichtung eines Klosters in kurzem Üherblick (c. 1 -5),

(II) Augustins Taten und ihre universal-kirchlichen Erfolge (c. 6- 18 ),

(III) Augustins Mores (c. 19-27)

(IV) Letzte Tage, Einbruch der Vandalen, Tod (c. 28-31).

Vorrede: Rechtfertigung der Abfassung der Biographie.

 Noch immer bedarf es (nach altchristlicher Anschauung) für die christliche Schriftstellerei der göttlichen Inspiration (s. v. 1 u. 2); denn sie ist ein kühnes und gefährliches Unternehmen. Der Hinweis auf ältere christliche Biographien soll das Unternehmen gegen den Vorwurf unstatthafter Kühnheit schützen; der Hinweis auf den Zweck der Erbauung soll den Argwohn abwehren, der Verfasser schreibe seines eigenen Ruhmes wegen; der Hinweis auf den langjährigen Umgang des Verfassers mit Augustin soll die besondere Berechtigung jenes, eine Biographie zu verfassen, dartun. Daß sich der Verfasser der Gefahren bewußt ist, als Schriftsteller gegen die göttliche Wahrheit zu verstoßen, bzw. auch gegen die brüderliche Liebe, bekennt er (v. 4) ausdrücklich. Endlich, der am Schluß angekündigte Verzicht, den Teil der Lebensgeschichte Augustins zu erzählen, den dieser selbst in den „Konfessionen“ erzählt hat, ist sehr verständlich, muß dem Verfasser aber doch hoch angerechnet werden. — Zitate: Im 4. v. Jakob. 1, 17, im 6. v. II. Kor. 12, 6 und Tob. 12, 7.

  …

Dieser Beitrag wurde unter Die Schriften der Kirchenväter veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.