Der Schutzgeist – August von Kotzebue
Von Kotzebues dramatische Legende in sechs Akten wurde 1817 uraufgeführt. Im Vorspiel sitzt ein Ehepaar klagend am Leichnam eines Knaben, der eben vom Blitz erschlagen wurde. Plötzlich erhebt sich dieser Knabe, breitet die Arme gen Himmel aus und erklärt, daß er ein Engel sei, durch Gottes Gnade in diesen Körper gekleidet, um der italienischen Königin Adelheid zu Hilfe zu kommen, die von dem Usurpator Berengar verfolgt werde. Er macht merkwürdige Bemerkungen über das Land der schwülen Träume, über das Licht, das Element der Geister, und entschwebt dann in schnellem Flug, um zunächst als Edelknabe der Königin zu “erscheinen”. Er “erscheint” noch in verschiedenen Gestalten und tut zu Gunsten der verfolgten Adelheid verschiedene Wunder, aber niemals, ohne vorher im brünstigen Gebet von Gott die Erlaubnis zu erflehen.
Format: Taschenbuch/eBook
Der Schutzgeist.
ISBN Taschenbuch: 9783849666712
ISBN eBook: 9783849661441
Auszug aus dem Text:
Das Vorspiel.
(Die Straße nach Pavia, an derselben ein Grabmal. Auf einer Bahre liegt der tote Guido. Der alte Vater steht vor ihm mit gefalteten Händen, wehmütig den Leichnam betrachtend.)
Astulf.
Gehab dich wohl mein schöner Traum!
Die herrliche Blüte — sie ist gefallen!
Entwurzelt steht der alte Baum —
Mir soll kein Kind den Vaternahmen lallen!
Sind es doch fünfzehn Jahre kaum,
Noch tönt der Ruf in meine Ohren:
Astulf! dir ist ein Knabe geboren!
Da fühlt’ ich plötzlich in Mark und Bein
Die Glut der Freude strömend ergossen —
Ich sah der Mutter Haupt umflossen
Von einem milden Heilgenschein —
Ich sah vertilgt auf blassen Wangen
Die Schmerzens-Spur — mit Himmels-Lust
Hielt sie den Knaben lächelnd umfangen,
Und drückt’ ihn lächelnd an ihre Brust!
Und als er sich lebendig regte,
Und als im rötenden Morgenstrahl,
Die Mutter das Kind zum ersten Mal
Auf meine Vaterarme legte —
Da wurde mir das Herz so groß!
Da lebt’ ich stolz in diesem Sohne!
Und nicht um eine Königskrone
Vertauscht’ ich meiner Armut Los!
Die Erdennot sie war verschwunden,
Verschwunden die enge Gegenwart
Und alle des Lebens Feierstunden
Mir für die Zukunft aufgespart — —
Sie ist gekommen im schwülen Gewitter —
Ein Blitz durchzuckte den jungen Baum —
Mein Kelch ist leer — die Hefe bitter! —
Gehab dich wohl mein schöner Traum!
Die Mutter (wankt heran mit einem Korbe voll Blumen.)
Hier bring ich Blumen zur letzten Weihe,
Gepflückt von bebender Mutterhand —
Betaut mit Tränen — Nimm sie und streue
Sie auf der Lieb’ entseeltes Pfand!
Astulf. (den Leichnam mit Blumen bestreuend.)
Mir bricht das Herz indem ich scheide
Von meines Alters Hoffnungsstab!
Eugenia.
Mit ists gebrochen! jede Freude —
Fällt mit den Blumen in dies Grab?
Astulf.
Noch gestern in schöner Jugendfülle,
Der Eltern Hoffnung — Freude — Trost—
Eugenia.
Und heute nur eine kalte Hülle,
Erstarrt in ew’gem Todesfrost!
Astulf.
Du wirst nicht mehr die Stirn mir kühlen
Am heißen Tag auf lechzender Flur!
Eugenia.
Wirst nicht mehr um die Mutter spielen,
Du Kind der Unschuld und Natur!
Astulf.
Genug! — wir segnen den schlummernden Knaben,
Wir scheiden von ihm mit nassem Blick —
Lass unsern Toten uns begraben —
Dem Staube geben wir Staub zurück.
…