Der Tod der Barmekiden

Der Tod der Barmekiden – Paul Scheerbart

Aus der orientalischen Schaffensphase des Autors stammt dieser Haremsroman, der satirisch aufräumt mit dem Konflikt zwischen Monogamie und Vielweiberei. Der 1915 in Berlin verstorbene Paul Carl Wilhelm Scheerbart gehört zu den Pionieren deutscher phantastischer Literatur und war auch als Zeichner berühmt.

Der Tod der Barmekiden

Der Tod der Barmekiden.

Format: eBook

Der Tod der Barmekiden.

ISBN eBook: 9783849657055.

 

Auszug aus dem Text:

Der Orient ist gross.

Und die Geister des Orients sind auch gross. Wenn’s Neumond ist, versammeln sie sich auf dem Demawand und benehmen sich da sehr laut – sehr laut.

Die Dschinnen kreischen und quieken. Die Drachen fauchen und grunzen. Die Feeen zischen und quarren. Die Zwerge husten und prusten. Die bösen Gespenster braaschen und plärren. Die starken Narren prügeln sich. Und die grossen Götter schleudern mächtige Felsblöcke in die dunklen Thäler hinab, dass Alles kracht.

Auf dem Demawand heult’s, brummt’s, knistert’s. Die harten Berge knarren, knacken, bersten.

Die Unsichtbaren jammern jubelnd, zerstampfen und zerscharren die Steine, sausen sich verschnaufend vorüber – und stöhnen wie aus weiter Ferne.

Alte Graubärte halten lange lange Reden.

Und dazwischen donnert’s, dass das ganze Gebirge platzt. Gleich danach klingen von unten herauf helle feine Glocken – die guten Geister flüstern und singen dazu.

Und dann schreien plötzlich Alle durcheinander.

Wüster Lärm! Wüster Lärm!

Und mittendrinn in diesem grossen Wirrwarr sitzt der grosse Riese Raifu.

Raifu schweigt.

Wildzerzauste brandrothe Haare umflattern sein hässliches gelbes Gesicht.

Im schneeweissen Mantel, der tausend Farsangen lang ist und furchtbar breit, sitzt er da – wie ein weisser Riesengletscher.

Sein wilder rother Bart weht seitwärts tief in ein dunkles Thal hinab.

Und zwölf schwarzgekleidete Zaubrer umwandeln das Riesenhaupt in Augenhöhe.

Die Zwölf sehen so winzig klein aus – sie tragen schwere eiserne Zauberstäbe auf den breiten Schultern. Die Schwarzgekleideten schreiten durch die Luft in gleichmässigem Schritt; und wer am linken Ohre des Riesen vorbeikommt, der schreit da was hinein.

Und Jeder schreit dasselbe.

Jeder schreit:

»Herr, lass die Löwen hier!«

Doch des Riesen Stirn wird immer finstrer, mächtige Furchen graben sich hinein; und dabei verzerrt sich der untere Theil des Gesichtes, als wenn’s lachen wollte.

Und grimmig grinsend spricht der grosse Riese:

»Nein! meine fünf Löwen sollen nun grade mitkommen. Meine fünf Löwen sind verbissene Kröten, aber sie können lachen; und mir thut es so wohl, wenn ich verbissene Kröten kräftig lachen höre. Es bleibt dabei: sie kommen mit!«

Nach diesen Worten erheben die fünf Löwen ein so fürchterliches Freudengebrüll, dass das ganze Himmelsgewölbe zittert – dass sogar die alten Sterne zu schwanken beginnen.

Die fünf Löwen sind natürlich keine gewöhnlichen Löwen; das Gewöhnliche liebt der Riese Raifu ganz und gar nicht. Die Fünf sind hellblaue Löwen – leuchtende Löwen!

Sie erleuchten den ganzen Demawand – wie lebendige Laternen.

Ihr Licht leuchtet wie das Geisterlicht des Blitzes – blitzblau!

Die Fünf sind auch Geister – Söhne des Geisterblitzes! Jeder von den Söhnen ist so gross wie vierzig dicke Elephanten zusammen.

Die Blitzblauen stehen auf fünf spitzen Bergkegeln und brüllen – und ihr Brüllen donnert – und dieser Donner ist ein Lachen – ein märchenhaftes Lachen der Tollheit. Und sie knallen dazu mit den Schwänzen.

Das andre Geistervolk des Demawands verstummt vor diesem grossen Gelächter und vor diesem grossen Geknall.

Die zwölf Zaubrer umwandeln nicht mehr des Riesen Haupt – sie sitzen jetzt in seinen flatternden brandrothen Locken und halten sich an einzelnen Haaren mit aller Kraft fest – denn einen Sturmwind haben die Kehlen der Löwen entfesselt; es rauscht in den Tannen, es knistert in Raifu’s Haaren, rollende Steine poltern in die Thäler hinunter.

….

 

 

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