Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 1

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 1 – Albert Berg

Die preußische Ostasien-Expedition, auch als “Eulenburg-Expedition” bekannt, war eine diplomatische Mission, die Friedrich Albrecht zu Eulenburg im Auftrag Preußens und des Deutschen Zollvereins in den Jahren 1859-1862 durchführte. Ihr Ziel war es, diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu China, Japan und dem damaligen Siam aufzubauen. Die wichtigsten Teilnehmer der Expedition waren Friedrich Albrecht zu Eulenburg, Lucius von Ballhausen (Arzt), Max von Brandt (Attaché), Wilhelm Heine (Maler), Albert Berg (Künstler), Karl Eduard Heusner, Fritz von Hollmann, Werner von Reinhold, Ferdinand von Richthofen und Gustav Spiess. Der Expedition standen drei Kriegsschiffe des preußischen Ostasiengeschwaders zur Verfügung, die SMS Arcona, die SMS Thetis und die SMS Frauenlob. Dies ist Band eins von vier der Aufzeichnungen zu dieser Expedition. Der Text folgt den Originalausgaben, die zwischen 1864 und 1873 erschienen, wurde aber in wichtigen Wörtern und Begriffen der heute aktuellen Rechtschreibung angepasst.

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 1

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 1.

Format: Paperback, eBook

Die preußische Expedition nach Ostasien, Band 1.

ISBN: 9783849666132 (Paperback)
ISBN: 9783849662165 (eBook)

 

Auszug aus dem Text:

 

I. GEOGRAPHISCHE LAGE UND BESCHAFFENHEIT; MYTHOLOGIE, GESCHICHTE.

Auf der Karte erscheint Japan wie der stehen gebliebene Ostrand eines mächtigen in das Meer gesunkenen Kraters; Korea und die mandschurische Küste bilden die gegenüberliegende Seite; nördlich schließen Yeso und Krafto den Umkreis. Von der vulkanischen Beschaffenheit des Landes zeugen tätige und erloschene Krater, Solfateren, heiße Quellen und häufige Erdbeben.

Die drei großen Inseln Nippon, Kyushu und Shikoku bilden das eigentliche Japan. Nippon ist die größte: die Eingeborenen bezeichnen mit diesem Namen auch das ganze Reich 1). Der Ausdruck Japan ist im Lande selbst unbekannt, die Portugiesen haben ihn aus der chinesischen Benennung Tsipang 2) korrumpiert.

Die drei großen Inseln umschließen, durch schmale Meeresarme getrennt, eine Binnensee; darin und rings um die buchtenreichen Küsten liegen viele kleinere Eilande. Die meisten sind bewohnt und angebaut, sie stehen in regem Verkehr untereinander und mit dem Hauptlande, denn ein häufiger Austausch der Erzeugnisse ist Lebensbedingung für ein volkreiches Land, das alle seine Bedürfnisse selbst hervorbringt. Die Küsten sind bergig und steil; unzählige Klippen, Felsen und Riffe, reißende Strömungen und Fluten, ungestüme wechselnde Winde machen die Schifffahrt gefährlich. Das Binnenmeer 3), welches die beiden großen Heerstraßen von Kyushu und Shikoku nach der Hauptstadt queer durchschneiden, befahren tausende von Dschunken; bei Tage wimmeln diese Gewässer von Segeln, bei Nacht suchen alle Schutz in den gastlichen Häfen und Buchten, denn von den hohen Küsten und aus engen Talschlünden stürzen oft heftige Böen verderbenbringend herab. Die Reisenden schildern die Schönheit dieser Meere in glühenden Farben: hier ein stiller Landsee, dort schmale Sunde, durch welche sich die Gewässer in tosender Brandung drängen; die Ufer bald schroffe Felsen, von denen rauschende Gießbäche herabstürzen, bald angebaute sanfte Bergeshänge. Aus immergrünen Hainen ragen fürstliche Schlösser, und hohe Tempel krönen die Vorgebirge; landeinwärts aber gewahrt man mächtige Gebirgsmassen mit zackig zerrissenen Gipfeln und schneegefüllten Schluchten.

Die größte Insel des Binnenmeeres heißt Awadsi. Nordwestlich von Nippon liegen Sando und Oki, westlich und südlich von Kyushu die Gruppe der Gotto-Inseln, Firando, Amaksa, Tanegasima 4); viele kleinere sind rings um die Küsten zerstreut.

Dem asiatischen Festlande am nächsten bildet die Insel Tsus-sima gleichsam eine Brücke zur Halbinsel Korea.

Über die genannten Landesteile ist durchweg die japanische Kultur verbreitet. Die nördlich von Nippon gelegene Insel Yeso und die südlichen Kurilen gehören auch zum japanischen Reiche, sind aber zum größten Teil von einem halbwilden Volksstamm, den Aïnus (behaarten Kurilen) bewohnt. Das Klima ist rau und der Entwickelung japanischer Kultur ungünstig. Die Japaner bewohnen nur die Städte und Hafenplätze und treiben Handel mit den Erzeugnissen nach dem Mutterlande. Das ganze Innere von Yeso soll ein unbewohntes Waldgebirge sein. Die nördlichen Kurilen gehören zum russischen Reiche, nur Kunašir und Yeturup sind japanisch; die Grenzlinie geht nach den neuesten Verträgen zwischen der letztgenannten Insel und Urup hindurch.

Die Liukiu-Inseln erkennen, im Anfange des siebzehnten Jahrhunderts durch den Fürsten von Satsuma unterworfen, die japanische Oberhoheit an und zahlen Tribut, scheinen aber zugleich an China zinspflichtig zu sein. Ähnlich ist es mit Korea, wo seit uralten Zeiten bald der japanische bald der chinesische Einfluss vorgewaltet hat.

Der Flächeninhalt des eigentlichen Japan wird auf 5300 Quadratmeilen, die Bevölkerung auf mehr als 25 Millionen geschätzt 5).

Die japanischen Inseln sind durchaus gebirgig, an weiten Ebenen fehlt es ganz. Von welcher Seite man sich dem Lande nähern mag, gewahrt man hohe Küsten. Bewaldete Höhen wechseln mit fruchtbaren Tälern, angebautes Hügelland mit unwirtbarem Felsgebirge. Fast überall ist das Land wasserreich, leidet aber Mangel an schiffbaren Flüssen.

Das Klima ist eines der glücklichsten der Erde und weit gemäßigter als unter gleichen Breiten in andern Weltteilen, die Sommerhitze niemals unerträglich, der Winter kurz und milde. Im Frühjahr und Herbst regnet es viel, besonders im Mai und Juni, und im November. Im Dezember tritt klares Wetter ein, im Januar und Februar wechseln schöne Tage mit Regen und Schnee. Am kältesten ist es im Januar, dann sinkt die Temperatur im mittleren Teile des Reiches zuweilen unter den Gefrierpunkt. Niemals aber dauert die Kälte lange, und auch anhaltende Dürre ist unbekannt. Die Luft ist weich und milde und in Folge beständiger Strömungen immer rein und frisch, die Witterungswechsel treten zum großen Vorteil des Ackerbaues in allen Jahreszeiten sehr regelmäßig ein. Besonders günstig sind die Luft- und Bodenverhältnisse der Entwickelung des Pflanzenreiches. Wenige Länder können sich mit Japan im Reichtum der Formen messen, wenn auch an Reichtum der Arten tropische Gegenden voranstehen. Während die Vegetation der meisten Inselländer mit der der benachbarten Kontinente übereinzustimmen, aber ärmer an Gattungen zu sein pflegt, daher gewöhnlich als von der kontinentalen abstammend betrachtet wird, scheint die japanische Flora eine ursprüngliche und reicher als die des benachbarten 5) Festlandes zu sein. Kamelien, Kryptomerien und viele andere Geschlechter werden als Japan eigentümlich und eingeboren angesehen. Neben den einheimischen Gewächsen haben sich auch viele fremdländische eingebürgert, so unter anderen der Theestrauch, die Orange 6), der Tabak 7), der Maulbeerbaum. Die Japaner sind Meister in der Baumzucht und vielen anderen Zweigen des Feld- und Gartenbaues, und haben sich zu allen Zeiten bemüht, fremde Nutzpflanzen in ihrem Lande zu akklimatisieren. Der Charakter der Flora ist schwer zu beschreiben, sie enthält Elemente aus allen Zonen: aus der kalten die Nadelhölzer — Japan ist reicher an Koniferen-Arten als irgend ein Land der Welt — aus der gemäßigten viele unseren Laubbäumen verwandte Gattungen, aus der subtropischen die immergrünen Laubhölzer, aus der tropischen vor allen Bambus, Palmen, Zikadeen. Analog ist die Vegetation der Sträucher und Staudengewächse und die überaus reiche Cryptogamen-Flora.

Weniger mannigfaltig ist die japanische Tierwelt; der überall verbreitete Anbau mag ihrer Verbreitung hinderlich sein. Eigentümlichen Zügen begegnen wir auch hier: der Riesenmolch, der Kupferfasan und einige andere Arten kommen nur in Japan vor. Im allgemeinen ist die Fauna die der gemäßigten Zone; Affen gibt es nur im Süden des Reiches, die Raubtiere aus dem Katzengeschlechte fehlen wie bei uns fast ganz. An Fischen und Seetieren haben die japanischen Gewässer einen Reichtum und eine Mannigfaltigkeit wie wenige andere: kalte und warme Meeresströme führen den Küsten die Bewohner fast aller Zonen zu, an einigen Stellen wird auch die Perlenmuschel gefischt. — Als Haustiere findet man Hunde, Katzen, Pferde, Rindvieh, viele Enten- und Hühnerarten. Esel gibt es nicht, und die Schafzucht einzuführen hat man vergebens versucht.

Überaus reich ist Japan an wertvollen Mineralen, seine Bergwerke liefern Gold, Silber, Zinn, Blei- und Eisenerze, vor allen aber goldreiches Kupfer in großer Menge — es soll das feinste und geschmeidigste der Welt sein. Edelsteine scheinen nicht gewonnen zu werden — der Japaner achtet sie nicht — wohl aber herrliche Bergkrystalle. Steinkohlen finden sich an vielen Orten, und Schwefel liefern die zahlreichen Vulkane und Solfataren.

So reich und glücklich von der Natur ausgestattet liegen die japanischen Inseln fern und einsam in einem der unwirtbarsten Meere der Welt. Wirbelorkane, die gewaltigsten die man kennt, durchwühlen die japanischen Meere fast zu allen Jahreszeiten, Nebel und Regengüsse verhüllen die klippenreichen Küsten, wechselnde Winde und heftige Strömungen machen alle Berechnungen des vorsichtigen Schiffers zunichte. Die Natur selbst scheint das schöne Land zur Isolierung bestimmt zu haben. Die Japaner haben sich durch eigne Kraft zu einer bedeutenden Stufe der Gesittung emporgeschwungen und sind niemals einem anderen Volke untertan gewesen. Sie haben sich die koreanischen Reiche unterworfen und von da die Elemente der chinesischen Bildung in ihr eigenes Land verpflanzt, aber in freier und eigentümlicher Weise verarbeitet. Nur in diesen Feldzügen und außer Landes haben Massenberührungen der Japaner mit anderen Völkern stattgefunden, im Übrigen wurde der Verkehr immer nur durch Einzelne vermittelt, durch Gesandtschaften von und nach China, durch buddhistische Reformatoren, durch japanische Priester und Edelleute, die sich des Studiums wegen nach dem Festlande begaben. Niemals erlitt die Entwickelung der Kultur und des staatlichen Lebens eine gewaltsame Unterbrechung von außen. Kublai Khan war der einzige, der jemals ernstliche Anstrengungen zur Eroberung des Reiches gemacht hat: seine Flotten versanken im Meere und die ausgeschifften Truppen fielen unter dem Schwerte der Japaner. Die Europäer wurden im sechszehnten Jahrhundert mit offenen Armen aufgenommen, die lernbegierigen Japaner griffen mit Lust nach den neuen Ideen und Elementen der Bildung, das Christentum fand Eingang bei allen Ständen. Sobald aber die staatliche Selbstständigkeit des Reiches dadurch gefährdet schien, verbannten die Herrscher die schädlichen Gäste, rotteten die keimende Saat ihrer Lehre mit eiserner Strenge bis auf den letzten Halm aus und umgaben sich mit einer Mauer, die ein erneutes Eindringen unmöglich machte. Während das chinesische Reich durch die tartarische Invasion in den tiefsten Verfall geriet, haben sich die Japaner nicht nur volle politische Selbstständigkeit, sondern auch ihre innere Lebenskraft bewahrt. Ihre Nationalität erlangte Festigkeit und Kraft in mehrtausendjähriger ungestörter Fortbildung, wie sie kaum ein anderes Volk gehabt hat; das japanische ist zur Rasse geworden. Dass sie starr am Alten festhalten und sich in den Verkehr mit den Westvölkern nicht schicken können, ist natürlich. Der Japaner ist konservativ und patriotisch, nicht nur die herrschenden Stände, die Nachkommen derer, welche die japanische Geschichte gemacht haben, sondern auch das Volk, das in der eisernen Zeit der Bürgerkriege in das tiefste Elend versunken war und auch jetzt noch, bei äußerem Wohlstande und sonst glücklichen Verhältnissen, in engen Schranken gehalten wird. Japan ist ein durchgebildeter, wenn auch ein sehr künstlicher Organismus.

Wie sich die erneute Berührung des wenig veränderten Reiches mit dem im Laufe zweier Jahrhunderte durchaus umgewandelten Europa gestalten wird, ist das merkwürdige Problem der nächsten Jahrzehnte.

 

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