Die Reden des Johannes Mandakuni

Die Reden des Johannes Mandakuni

Johannes Mandakuni, Katholikos und Patriarch der Armenier, lebte im 5. Jahrhundert nach Christus. In diesem Band sind die wichtigsten seiner Schriften enthalten, darunter “Unterweisungen über das Bekenntnis eines sündhaften Lebens”, “Brief über die Buße”, “Unterweisung über die Tugendübung des Fastens”, “Über das wohlgefällige und nicht wohlgefällige Gebet”, “Ein Brief über die Barmherzigkeit gegen die Armen”, “Unterweisung über die Früchte und Opfer und das Almosen”, Über die Darlehen und Zinsen”, “Vom Trost der Armen”, “Unterweisung von der Aufsicht der Priester über das Volk”, u.a.

Die Reden des Johannes Mandakuni

Die Reden des Johannes Mandakuni.

Format: eBook/Taschenbuch

Die Reden des Johannes Mandakuni

ISBN eBook: 9783849659745

ISBN Taschenbuch: 9783849668570

 

Auszug aus dem Text:

 

Unterweisungen über das Bekenntnis eines sündhaften Lebens.

1.

 Jene, die sich sehnen nach dem Heiligen Geiste und nach der Liebe Gottes streben, hoffen auf die Ankunft des Sohnes Gottes und verlangen nach unsterblicher Herrlichkeit. Immerfort denken sie an die höhere Welt und sehnen sich fortwährend nach den Freuden des Jenseits. Auf das Vergängliche verzichten sie und schätzen es gering und wachsen Tag für Tag nicht nur in der Wahrheit des Glaubens, sondern auch in tugendhaftem Lebenswandel. Immer sind sie bedacht auf die Heiligung des Herzens, immer bereit zur (Reinigung) Läuterung des Geistes. Wohl wandeln und leben sie in der Welt, aber nicht nach den Grundsätzen der Welt, sondern wie Fremdlinge und Umherirrende1 und Kinder einer andern Welt fühlen sie sich unbefriedigt und belästigt von vielen Nöten. Sie stärken sich in der Hoffnung auf die (Verheißung). „Wo ich bin, dort soll auch mein Diener sein2.“ Das ist die Würde derer, die im Geiste wandeln und die Vergeltung derer, die Gott lieben.

 

2.

Ich aber bin verwundet von vielen Pfeilen des Bösen, bin besiegt und der Schuld verfallen. Ich bekenne meine Schuld und gebe meine Gottlosigkeit zu erkennen; ich offenbare meine zahllosen Sünden, und leiste für meine furchtbare Ungerechtigkeit Abbitte. Denn die Schmerzen meiner Wunden zwingen mich zu sprechen, und die Unruhe über mein Unglück drängt mich abzubitten, Heilmittel für meine Wunden zu suchen und ein Quellen allzeit meiner Tränen, um dadurch meine Sünden abzuwaschen und meine Wunden zu heilen. Inständig bitte ich darum immerdar, und mit heißer Sehnsucht fort und fort verlange ich nach diesen Klagen  des Propheten3. Mit seinen Worten möchte ich klagen, unter Tränen möchte ich unaufhörlich meine flehende Stimme in Innigkeit erheben und sprechen: „Wenn doch jemand mein Haupt zu einem Behälter vieler Wasser und meine Augen zu einem reichen Tränenquell machte, damit ich Tag und Nacht, fort und fort trauerte, meine Lasterhaftigkeit bitterlich beweinte, meine Bosheit abwendete, die Menge meiner Ungerechtigkeiten beweinte4, immerdar ob meiner Sünden klagte, fortan ob meiner unermeßlichen Vergehen seufzte, meine unberechenbare Uneinigkeit laut beklagte, den furchtbaren Ruin beweinte und bitterlich klagte ob der Leiden und Qualen. Denn der Stachel meiner Sünden quält (erdrückt) mich fort und fort, und meine schlimmen Taten foltern mich andauernd, wenn ich die unzählbare Menge meiner Sünden betrachte und die Verkehrtheit meiner furchtbaren Laster. Das verzehrt fortwährend meinen Leib und macht meine Gebeine erzittern, zerreißt mein Herz und durchwühlt meine Eingeweide und meine Seele erbebt vor Furcht und lähmt fort und fort alle meine Glieder. Denn in den Schmerzen meiner Wunden bange ich und mein entsetzter Geist verhärtet sich; da ich wohl das Gute kenne, aber das Böse tue; kenne die Gerechtigkeit, tue aber die Ungerechtigkeit, ich rede von Rechtschaffenheit und denke an Lasterhaftigkeit; erscheine rein nach außen, stürze mich aber in Unreinigkeit; ich kenne die Wahrheit, huldige (folge) aber dem Irrtum; ich sehe das Licht, sehne mich aber nach Finsternis.

 

3.

Wer aber wird mich beweinen, oder wer wird mich beklagen, mich, der ich den Tod der Sünde gestorben bin und verdorben durch die Lasterhaftigkeit, hinabgestürzt in den Abgrund der Finsternis und in die Tiefen der Gottlosigkeit? Denn meine Missetaten quälen mich, und es tötet mich meine Unreinigkeit. Wie soll ich also weinen oder die Menge meiner zahllosen Sünden beklagen, nachdem ich krank geworden bin in meinen Vergehen und Schmerzen leide infolge meiner  Trägheit? Unsterblichkeit wurde mir versprochen, ich aber verbleibe im Tode; hinauf zum Himmel hat man mich eingeladen, ich aber stürze hinab in den Abgrund der Hölle; er hielt für mich bereit das liebreizende Paradies, und ich erwählte die stechenden Dornen, Leben und ewige Herrlichkeit, und er tötete mich durch meine Sünden. Welche Trauer könnte also hinreichen für all dieses, oder welches Wehklagen und welch tränenvolles Klagen oder welche Gebetsseufzer, welche Bußübungen oder welche Tugendwerke vermöchten meine Wunden zu heilen, denn sie sind zahllos und unberechenbar. Meine Seele erlahmt in Schlaffheit, sie ist niedergeschlagen ob der Menge der furchtbaren Sünden und ohne Tatkraft; sie ist erschüttert und erbebt vor dem unauslöschlichen Feuer der Hölle. Denn wenn ich mich erinnere an den großen Tag des furchtbaren Gerichtes und an die Schrecken des furchtbaren Richterstuhles, dann zittert meine Seele vor Furcht, und mein Geist erstarrt vor Entsetzen. Mein Herz ringt nach Seufzern, und meine Augen verlangen nach Tränen. Die Furcht vor dem schrecklichen Gerichte eifert mich an zur Buße, und die Gaukeleien des Bösen machen mich immer wieder träge. Siehe, von beiden Seiten bin ich bedrängt und verfolgt in allen (Richtungen) Dingen, denn in Sünden verbrachte ich meine Tage, und in Ungerechtigkeit verzehrte sich mein Leben; niemanden habe ich Gutes erwiesen, nie mir Tugend erworben, sondern alle meine Glieder durch meine vielen Vergehen verdorben und zugrunde gerichtet. Meinen Mund habe ich verunreinigt durch Lästerungen und meine Zunge durch nutzlose Worte befleckt; meine Ohren durch Anhörung der Bosheit und meine Augen durch unreine Blicke, mein Herz durch unreine Gedanken, und meine Seele ließ ich immerdar verweilen in unlauteren Gewohnheiten. In keiner Hinsicht bewahrte ich unversehrt meinen Leib und wahrhaft mein Herz; infolge meiner Sünden bin ich in Schmerzen, und infolge meiner Vergehen bin ich in Krankheiten verfallen.

 

4.

Ich will bereuen und bekennen, aber der Feind hält mich zurück; ich will ein Leben der Buße führen,  aber der Feind nimmt mir die Kraft; ich will vor Gott mich niederwerfen, aber der Feind hält mich ferne; ich will inständig flehen und bitten, doch der Feind verhärtet mich; ich möchte seufzen und Ströme von Tränen vergießen, doch der Feind vertrocknet mich; ich möchte wohltätig sein gegen die Armen, doch der Feind erinnert mich an meine Armut; ich möchte mich verzehren in Fasten, doch der Feind erinnert mich an den Verlust meiner Leibeskräfte; ich möchte mich verdemütigen und dem Bruder gehorchen, doch mein Herz verhärtet sich in Stolz; so finde ich also alles, wodurch ich mich von meinen Sünden befreien könnte, vorgelegt als Fallstrick der Bosheit des Feindes.

 

5.

So bin ich bedrängt von allen Seiten und meine Seele seufzt beständig. Ich zittere vor Schrecken, wenn ich meiner vielen Sünden gedenke und werde verwirrt wegen meiner häßlichen Gedanken. Schaue ich hin auf meine Unreinigkeit, so klage ich in einem fort, und führe ich meine Gottlosigkeit mir zu Gemüte, so befallen mich Schrecken und Unruhe und die Schmerzen der Beängstigung schlagen mich nieder. Denn immer sehe ich die Angst vor dem furchtbaren Gerichte und die Schrecken vor dem drohenden Richterstuhle, vernehme ich den Schall der Trompete und die furchtbare Stimme des Erzengels, das (Wogen und) Flammen des Feuerbrandes und dessen Umsichgreifen auf der ganzen Erde, die Erhöhung der Gerechten und das Zurückbleiben der Sünder; sehe, wie die Sünder sich versammeln und Rechenschaft ablegen über Worte und Werke, sehe das furchtbare Antlitz des Richters und den unerbittlichen Tag des Gerichtes, die schlimme Schmach der Sünde und die bitteren, unaufhörlichen Qualen in alle Ewigkeit.

 

6.

Ob alldem seufze und weine ich bitter und beklage fort und fort meine Sünden; denn ich schaue die furchtbar drohenden Schrecken der Hölle und die Verteilung des schrecklichen Unheils (der Strafen). Da hilft kein Reichtum und kein Flehen, dort nützen weder Weinen noch Tränen etwas; nicht (mehr) nötig sind Seufzer  und Bitten. Die Gerechten bitten nicht, und die Heiligen legen keine Fürbitte ein für jene, die in Sünden wandelten. Unbekannt bist du den Bekannten, getrennt von den Verwandten; gehaßt bist du von den Geliebten, und Feind bist du den Freunden; allen bist du fremd und fern von allen. Niemand kannst du bitten, und niemand erkennt dich. Du seufzest und weinst flehentlich, aber niemand denkt an dich. Im glühenden Durst frierst du, und niemand hat Erbarmen mit dir. Immerfort brennst du und findest kein Mittel gegen den Brand. Umhüllt von Finsternis stehst du im Feuerofen, vom Dunkel umgeben in der finsteren Hölle, in dunklen Gräben und in der Tiefe des Tartarus, im Pestgeruch und Schlangengewürm; flammendes Feuer von innen, furchtbare Feuerfächer von oben, welche anschwellend im Strudel hinabfluten in die Feuerströme, wo greifbare Finsternis herrscht. Auch kannst du durchaus niemand sehen, denn du bist verhüllt von dunkler Wolke und mitten in die Blitze hineingeschleudert, weinst und klagst du immerfort und beklagst allein die Unruhe, denn in dem furchtbaren Unglück deiner Schmerzen glaubst du, du seist allein in den qualvollen Leiden. Du klagst in einem fort und weinst bitterlich, bist unruhig und trostlos. Pein und Qual und ewiges Leid, fortwährende Schmerzen und erbarmungslose Bedrängnis, unaussprechliche Schmerzen und unvergleichliches Weh, allüberall Verwirrung, allüberall Zweifel. Heulen und Weheklagen ist dort die einzige Sprache. Bitten und Flehen hörst du dort nur und Weinen und Seufzen, Klagen und Bedrängnis. Immerdar Weinen und Klagen, kein Mitleid ist zu finden, sondern in einem fort verzehrst du dich in Qualen und reibst dich fort und fort auf in Bedrängnis mit Tränen und Flehen, auf die aber niemand achtet. Keiner hört auf deine Bitten, denn vorüber ist die Zeit. Dagegen ist hienieden Zeit zum Weinen und Jammern; hier ist Zeit zum Klagen und Seufzen; hier ist Zeit zum Bitten und Wünschen und um Verzeihung zu flehen, hier haben die Tränen einen Wert und die Gebete einen Nutzen; hier ist der Same der Barmherzigkeit und die Frucht der Buße; hier ist die Zeit zu seufzen und um Barmherzigkeit zu rufen.

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