Wider die Irrlehren

Wider die Irrlehren – Eznik von Kolb

Neben seiner Arbeit an der neuen Version der Bibel und verschiedenen Übersetzungen verfasste Eznik von Kolb mehrere Werke, von denen das wichtigste seine bemerkenswerte apologetische Abhandlung “Wider die Irrlehren” ist. Es wurde zwischen 441 und 449 geschrieben und besteht aus vier Teilen: Im ersten, “Gegen die Heiden”, bestreitet Eznik die Ewigkeit der Materie und die substantielle Existenz des Bösen. Im zweiten widerlegt er die Hauptlehren des Parseeismus/Zoroastrismus, insbesondere den Zurvanismus. Der dritte Teil richtet sich gegen Aspekte der Glaubensvorstellungen der griechischen Philosophen (Pythagoräer, Platoniker, Peripatetiker, Stoiker und Epikureer). Dies ist der einzige Abschnitt, in dem Eznik seine Argumente aus der Bibel und nicht aus der Vernunft bezieht. Das vierte Buch ist eine Darstellung und Widerlegung des Marcionismus als einer dualistischen Häresie. Ein wesentliches Thema des Werkes ist die Bedeutung des freien Willens in der christlichen Theologie.

Wider die Irrlehren

Wider die Irrlehren.

Format: eBook/Taschenbuch

Wider die Irrlehren

ISBN eBook: 9783849659738

ISBN Taschenbuch: 9783849668563

 

Auszug aus dem Text:

 

Erstes Buch: Widerlegung der Irrlehre der Heiden.

1.

 Wenn jemand über das Unsichtbare und seine ewige Kraft eine Erörterung anstellen will, so muß er als leibliches Wesen seinen Sinn erhellen, seine Gedanken läutern, die Leidenschaften zügeln, um das vorgesteckte Ziel erreichen zu können. Derjenige, welcher das Licht der Sonne schauen will, muß auch entfernen, was das Auge verdunkelt, Unsauberkeit und Ausfluss, damit nicht sonst Nebel 1 das Auge umflimmern und es hindern, das Licht klar zu schauen.

Da es nun eine, ihrer Natur nach unerforschbare und unerfaßbare Wesenheit2 gibt, so müssen wir vor ihrer Unerforschlichkeit unsere Unwissenheit bekennen, ihrem Dasein gegenüber aber zugestehen, daß wir es erkennen, ohne dasselbe erforschen zu können. Denn der Absolute 3 muß ewig und anfangslos sein 4. Er kann von keinem andern den Anfang des Seins 5 gewonnen haben. Und er hat niemand über sich, der für seine Ursache zu halten wäre oder von dem man glauben müßte, er habe aus ihm den Anfang des Seins erhalten. Denn vor ihm ist niemand und nach ihm ist niemand ihm gleich, er hat keinen Genossen, der ihm gleich steht. Es gibt auch kein Sein, das im Widerspruch zu ihm existierte und nichts besteht als Gegensatz  zu ihm. Kein Wesen besteht, das die Materie darböte für dessen Bedarf, noch gibt es einen Stoff, aus dem er nehmen müßte, was er schaffen wird. Aber er ist die Ursache von allem, was zu Sein und Existenz gekommen ist, aus Nichtseienden wie aus Seienden 6, wie der obere Himmel 7 und was in ihm, und der sichtbare Himmel, der aus Wassern ist, und die Erde und alles, was aus ihr und in ihr ist. Von ihm ist alles, aber er ist von nichts anderem. Er hat jedem 8 nach seiner Ordnung das Sein gegeben, dem unsichtbaren und unkörperlichen Wesen und ebenso den sichtbaren Körperwesen. Wie er imstande ist, das Leben zu schenken, so ist er auch imstande, zur Kenntnis seiner unerschaffenen Wesenheit zu leiten und an seinen Geschöpfen nach ihrer Art zur Befestigung zu bringen. Nicht nur deshalb müssen wir ihn bewundern, weil er das Seiende aus dem Nichts zum Sein rief und die Wesen aus Nichts zum Etwas9, sondern auch deshalb, weil er unverletzt und unerschütterlich die seienden Dinge erhält. Neidlos gab er denselben auch das Leben, um seine Schöpfergüte zu offenbaren.

Denn er ist erhaben über allen Mangel und braucht nicht aus solchem Grunde das Leben für sich allein zurückzubehalten; erhaben über Kraftlosigkeit und Schwäche, und braucht seine Macht nicht zu erschleichen 10, erhaben über Unwissenheit und braucht nicht für sich allein sein Wissen zu bewahren, und erhaben über die Beschränktheit in der Weisheit, daß er, wenn er andern Weisheit mitteilt, selbst sich benachteiligen würde. Er ist lebendig und der Quell des Lebens, er spendet allen das Leben und ist selbst voll unendlichen Lebens. Er kräftigt das Schwache mit seiner großen Kraft und  seine schöpferische Macht verringert sich nicht dabei. Den Unwissenden allen schenkt er das Wissen und bewahrt in sich vollkommen die Allwissenheit. Über alle ergießt er die Fülle der Weisheit und bleibt selbst im ungeschmälerten Besitz aller Weisheit.

Die immersprudelnden Quellen11, welchen er die Ordnung vorgeschrieben hat, fließen immer und nehmen nicht ab; und mit ihrem Reichtum ersetzen sie die Armut anderer, während sie selbst immerdar die gleiche Fülle bewahren; wieviel mehr (muß) derjenige, der ihnen ihre reiche Quellkraft gab, (in seiner Fülle beharren) der Quell der Güte, er, der alles, was er schuf, gut schuf, das Vernünftige und das Unvernünftige 12, die erkennenden und die erkenntnislosen Wesen, die redebegabten und die sprachlosen, die lautmächtigen und stummen Geschöpfe. Und für die vernünftigen und erkennenden Wesen hat er die Anordnung getroffen, daß sie gemäß ihrer Tugendbestrebungen die Güte besitzen sollten, nicht aber die Schönheit. Denn der Geber der Schönheit ist er selbst, aber die Auswirkung der Güte hat er dem eigenen persönlichen Kraftgebrauch als Ursache zugewiesen.

 

2.

Wenn nun einige meinen, daß, was unter den Geschöpfen schön ist, vom guten Schöpfer sei, wie es die heidnischen Griechen, die Anhänger der Magier 13 und Häretiker annehmen, welche an eine wesenhaft böse Substanz im Gegensatz zu einer guten glauben, welche sie λη [hylē] 14, übersetzt Stoff, nennen, so ist unsere erste, zum voraus bemerkte Entgegnung diese: Vom wohltätigen Schöpfer kann nichts Böses herstammen, und: Es gibt nichts Böses, was seiner Natur nach böse wäre, und: Es gibt keinen Schöpfer der bösen Dinge, sondern der guten.

 Und nun, welche Geschöpfe sollen für gut, welche für böse gelten? Vielmals erweisen sich Dinge, die als gut erscheinen, alleinstehend und ohne Verbindung mit andern nach allgemeinem Zeugnis für schädlich. Obwohl 15 die Sonne gut ist, so wirkt sie doch ohne die Mitwirkung der Luft versengend und vertrocknend. In ähnlicher Weise ist der Mond mit feuchter Natur 16 ohne Teilnahme an der Wärme der Sonne schädlich und verderblich. Auch die Luft ist ohne die Feuchtigkeit des Taues und der Wärme schädlich und verderblich. Das Wasser schwemmt den Boden der Erde hinweg und verdirbt ihn, der Erdboden ohne Wasser hinwieder wird rissig und sandig[?] 17. Auf diese Weise sind die vier Naturstoffe, aus denen die Welt zusammengesetzt ist, für sich allein genommen gegenseitig schädlich, mit und durcheinander gemischt aber sind sie nützlich und segenbringend 18. Das sind für alle, welche sich belehren lassen wollen, bekannte Verhältnisse.

Folglich besteht also eine verborgene Macht, welche das, was einander verderblich wäre, durch Untereinandermischung gegenseitig nützlich macht. Und wer bei gesundem Sinne ist, der kann nicht das, was bewegt wird, sondern muß den Beweger preisen; nicht über die Diener, sondern über den Leiter müssen sie staunen, nicht über das, was wandelt, sondern über den, der wandeln macht. Denn jene tuen durch ihre Veränderungen kund, daß irgendeiner ist, der sie verändert, die Sonne, indem sie leuchtet, sich erhebt und zum Untergang sich wendet, der Mond, indem er wächst, voll wird und abnimmt, und ebenso die andern Wesen unter den Geschöpfen, indem sie nach ihrer natürlichen Beschaffenheit bewegt werden und ruhen. Und nun ist es nicht Sache des gesunden Denkens, den Beweger und Veränderer zu verlassen, und dem, was bewegt und verändert wird, zu dienen und Anbetung zu leisten. Denn was bewegt wird und sich ändert, ist nicht das Ursein, sondern ein Sein, das durch jemand  oder von etwas geworden ist oder das gewirkt worden ist aus dem Nichts. Der aber, welcher von sich ist und alles bewegt, wird nicht selbst bewegt oder verändert, da er das Ursein ist und unbeweglich.

 

3.

Und daß eine einzige ewige Wesenheit ist und auch für alles die Ursache ist, daß es ist, dafür geben auch jene Zeugnis, welche den Kult einer Vielheit von Göttern eingeführt haben. Sie begründen ihn so: Da wir, so sagen sie, nicht imstande sind, der Ursache aller Dinge uns zu nahen, dem Ursein, der (Ur)substanz, dem Ewigen und Unzugänglichen, deshalb dienen wir ihm durch andere unter ihm stehende Wesen, und nun müssen wir auch die Geneigtheit derjenigen Wesen, durch welche wir ihm Anbetung leisten, mit Opfern und Gaben erwerben.

Wenn nun, wie sie bezeugen, es nur eine Ursache aller Dinge gibt und dieselbe urseiend und ewig ist, so ist es offenbar, daß die anderen Wesen nicht urseiend und nicht ewig sind; wieso nun empfangen die nichturseienden und nichtewigen Wesen an Stelle des Urseienden und Ewigen Anbetung? Und das ganz besonders die körperlichen und sichtbaren Dinge, wie die Sonne und der Mond und die Sterne und das Feuer, das Wasser und die Erde, welchen von den Magiern und Heiden gedient wird?

Sollte jemand aus diesen Kreisen nun sagen: Es ist gut, daß ihr ein einziges Wesen als die Ursache von allem anerkennet; allein, wenn es ein Wesen ist, welches alles in allen Dingen bewirkt und nichts ihm entgegensteht, weshalb mutet ihr uns dann zu, die gütigen und wohltätigen Geschöpfe, welche von ihm hergestellt sind, zu mißachten? Darauf werden wir sagen: Wir muten euch nicht zu, die gütigen und wohltätigen Dinge, die von ihm hergestellt sind, zu mißachten, wohl aber (befehlen wir euch) andererseits den Gott(schuldigen) Dienst auch nicht den Geschöpfen zu leisten. Denn niemand ist wohltätig und gütig außer dem Einen, welcher geschaffen ohne Vorenthalt und welcher die vernünftigen, unsichtbaren Wesen im Leben erhält ohne Neid, die Engel nämlich und die Seelen der Menschen und die sinnbegabten unbeseelten Wesen, jedes an seiner Stelle.

 Gut ist also 19 die Sonne und schön von Natur, uns und allen Geschöpfen, die unter dem Himmel sind, nützlich und zur Fürsorge, wie ein Licht im großen Hause zwischen der Decke und dem Boden leuchtend, um die Finsternis und das Dunkel der beiden großen Gefäße zu verscheuchen. Aber sie weiß selbst nicht, ob sie ist, oder ob sie nicht ist, denn sie gehört nicht zu den vernunftbegabten erkenntnisfähigen Wesen. Ebenso verhält es sich mit den anderen unbeseelten Geschöpfen. Wasser, Feuer, Erde und Luft wissen nicht, ob sie sind, oder ob sie nicht sind, und unaufhörlich vollziehen sie den Dienst, zu dem sie verordnet sind, in Kraft der Führung desjenigen, der sie gebildet hat. Wir verachten sie nicht und dienen ihnen auch nicht, sondern im Hinblick auf sie preisen wir ihren Schöpfer und Beherrscher. Denn sie dienen uns zum Gebrauche, und ihrem Schöpfer zum Ruhme.

Weshalb sollten wir die Sonne anbeten, die bald gerufen wird, wie ein Knecht zum Dienste zu kommen, für den sie bestimmt ist, und bald enteilt und sich wie erschrocken verbirgt und der Finsternis Platz macht, daß sie den Raum im großen (Welten)hause ausfülle? Von Zeit zu Zeit kehrt sie in die Finsternis zurück zur Widerlegung und Beschämung ihrer Anbeter, indem sie dabei offen dartut: Nicht ich bin der Anbetung würdig, sondern derjenige, der mich jeden Tag leuchtend erhält und nachts verbirgt; und von Zeit zu Zeit verfinstert sie sich und, obwohl unbeseelt, spricht sie doch mit beredtem Mund: Nicht Anbetung zu empfangen bin ich würdig, sondern Anbetung zu leisten. Oder weshalb der Mond, der Monat für Monat abnimmt und gleichsam stirbt und dann wieder anhebt, lebendig zu werden, um euch ein Vorbild der Auferstehung darzubieten? Weshalb die Luft, die bald heult, in Aufruhr erregt, nach Befehl, bald furchtsam von ihrem gewaltigen Brausen abläßt? Oder weshalb das Feuer, zu dessen zweitem Schöpfer dich der Erschaffer selber gemacht hat? Denn wenn du willst, entfachest du es, und wenn du willst, löschest du es aus. Oder die Erde, welche wir immer umgraben und betreten und auf welche wir  unsern und unserer Tiere Unrat ausschütten? Oder das Wasser, welches wir immer trinken und dessen Wohlgeschmack wir in unserem Leibe in Übelgeruch verkehren 20, mit welchem wir uns innerlich und äußerlich vom Schmutz reinigen.

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