Die sibyllinischen Orakel
Die hier von Friedrich Blass übersetzten Bücher III-V der insgesamt 14 Bücher umfassenden Sammlung jüdischer und christlicher prophetischer Orakelsprüche gelten als die ältesten der Sammlung. Buch III ist im zweiten Jahrhundert vor Christus entstanden; Buch IV in den 80er Jahren des ersten Jahrhunderts nach Christus; Buch V etwas später.
Format: eBook/Taschenbuch
Die sibyllinischen Orakel
ISBN eBook: 9783849659516
ISBN Taschenbuch: 9783849668754
Auszug aus dem Text:
Drittes Buch.
36 Wehe, blutdürstiges und arglistiges Geschlecht von Bösen[1] und Gottlosen, 37 von Lügnern und zweizüngigen, bösartigen Menschen, 38 von Ehebrechern, Götzendienern, arglistigen Sinn Hegenden, 39 denen ’ein böser‘[2], rasender Trieb im Herzen wohnt, 40 die für sich selber zusammenraffen, schamlosen Sinns. 41 Denn niemand, der da reich ist und hat, wird einem anderen davon abgeben, 42 sondern arge Schlechtigkeit wird bei allen Menschen sein; 43 keine Treue überhaupt werden sie halten, und viele verwitwete Frauen 44 werden heimlich andere lieben aus Gewinnsucht, 45 und auch die, welche Männer erlangt haben, halten nicht die Richtschnur des Lebens inne.
46 Aber wenn Rom auch über Ägypten herrschen wird, 47 zu einem Ziele lenkend (?), dann wird sich das größte Königtum 48 des unsterblichen Königs den Menschen zeigen. 49 Es wird kommen der heilige Herrscher, der das Scepter über die ganze Erde innehaben wird 50 in alle Ewigkeiten der dahineilenden Zeit. 51 Und dann [wird] unerbittlicher Zorn über die latinischen Männer [kommen]; 52 drei werden Rom in jammervollem Geschicke zu Grunde richten. 53 Alle Menschen werden in den eignen Häusern umkommen, 54 wenn dann vom Himmel ein feuriger Gießbach herabströmt. 55 Wehe mir Ärmster! Wann wird jener Tag kommen 56 und das Gericht des unsterblichen Gottes, des großen Königs? 57 Jetzt baut ihr euch, ihr Städte, und schmückt euch alle 58 mit Tempeln und Rennbahnen, mit Märkten, mit Bildern von Gold 59 und Silber und Stein, damit ihr zu dem bitteren Tage gelanget. 60 Denn es wird kommen [der Tag], wo der Geruch des Schwefels hindurchdringt 61 bei allen Menschen. Aber ’was soll ich‘[3] das Einzelne sagen, 62 in wie vielen Städten die Menschen vom Elend betroffen werden?
68 Von den Sebastenern[4] wird nachher Beliar kommen 64 und wird hohe Berge erstehen machen, stillstehen machen das Meer, 65 die feurige große Sonne und den glänzenden Mond, 66 und auch die Toten wird er erstehen machen und viele Zeichen 67 bei den Menschen thun. Aber nicht Vollendung wird in ihm sein, 68 sondern [nur] Irreführung, und so wird er viele Menschen irre machen, 69 sowohl gläubige und auserwählte Hebräer als auch andere gesetzlose 70 Männer, die noch nie die Rede Gottes gehört haben. 71 Aber wenn dann die Drohungen des großen Gottes herannahen, 72 und eine feurige Macht durch die Wasserwoge ans Land kommt 73 und den Beliar verbrennt und die übermütigen Menschen, 74 alle, die diesem Glauben schenkt haben: 75 dann wird die ’ganze‘ [5] Welt unter den Händen eines Weibes 76 regiert werden und ihr in allem gehorchen. 77 ’Dann‘[6], wenn eine Witwe über die ganze Welt Königin geworden ist 78 und das Gold und das Silber in die hehre Salzflut hingeworfen 79 und das Kupfer und das Eisen der kurzlebigen Menschen 80 ins Meer geworfen hat, dann werden alle Elemente 81 der Welt verlassen [7], wenn der im Äther wohnende Gott 82 den Himmel aufrollt, [187] wie wenn eine Buchrolle aufgewickelt wird, 83 und fallen wird das ganze vielgestaltige Himmelsgewölbe auf die hehre Erde 84 und in das Meer, und es wird fließen ein Gießbach mächtigen Feuers 85 unermüdlich, verbrennend die Erde, verbrennend das Meer, 86 und wird das Himmelsgewölbe und die Tage (?) und die Schöpfung selbst 87 in eins zusammenschmelzen und reinlich auseinanderlesen. 88 Und nicht mehr [werden sein] die prunkenden Kugeln der Himmelsleuchten, 89 nicht Nacht, nicht Morgen, nicht viele Tage der Sorge, 90 nicht Frühling, nicht Winter, nicht auch Sommer, nicht Herbst. 91 Und dann wird das Gericht des großen Gottes erscheinen 92 in der großen Zeit, wann dies alles geschehen ist[8].
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97 Aber wenn die Drohungen des großen Gottes erfüllt werden, 98 die er einstmals den Sterblichen androhte, ’als sie‘[9] den Turm bauten 99 im assyrischen Lande — sie waren aber alle von gleicher Sprache 100 und wollten emporsteigen zum gestirnten Himmel. 101 Alsbald aber ’legte‘ der Unsterbliche den Winden ’mächtigen Zwang auf‘[10], 102 und da warfen die Stürme den großen Turm ’von hoch‘[11] 103 hinab und erregten den Sterblichen Streit gegeneinander; 104 darum gaben denn die Menschen der Stadt den Namen Babylon. 105 Als aber der Turm gefallen war, und die Zungen der Menschen 106 sich in mannigfache Sprachen verkehrt hatten, aber die ganze 107 Erde mit Sterblichen sich füllte, indem die ’Königreiche‘[12] sich teilten: 108 da [war] das zehnte Geschlecht der redenden Menschen[13], 109 seitdem die Sintflut über die früheren Männer gekommen war, 110 und es wurden Herrscher Kronos, Titan und Japetos. 111 Treffliche Kinder der Gaia [Erde] und des Uranos [Himmels] wurden sie bei den Menschen genannt, 112 mit den Namen der Erde und des Himmels, 113 weil sie die Hervorragendsten waren unter den redenden Menschen. 114 Drei Teile der Erde [waren], für das Los eines jeden, 115 und ein jeder wurde Herrscher in seinem Teile, ohne daß sie kämpften; 116 denn Eidschwüre waren durch ihren Vater geschehen und gerechte Teilung. 117 Da nun kam für den Vater die volle Zeit des Alters, 118 und er starb, und die Söhne, indem sie die Eidschwüre 119 arg übertraten, erregten Streit widereinander, 120 wer im Besitze der königlichen Ehre über alle Sterblichen 121 herrschen sollte. So kämpften Kronos und Titan gegeneinander; 122 aber ’Rhea‘[14] und Gaia und die kränzeliebende Aphrodite, 123 samt Demeter und Hestia und der schöngelockten Dione, 124 versöhnten sie wieder, indem sie zusammenbrachten alle Könige 125 und die Brüder und die Blutsverwandten und auch die anderen 126 Menschen, die von dem Blut und den Eltern waren, 127 und sie entschieden, daß Kronos als König über alle herrschen solle, 128 weil er der Älteste war und von Gestalt der Trefflichste. 129 Aber Titan verpflichtete den Kronos mit großen Eidschwüren, 130 daß er keinen männlichen Nachwuchs von Kindern aufziehen wolle, damit er selber König würde, 131 wenn dem Kronos das Alter und das Todesgeschick komme. 132 So oft aber Rhea gebären sollte, so saßen bei ihr 133 die Titanen und zerrissen alle männlichen Kinder, 134 die weiblichen dagegen ließen sie lebendig, daß sie bei der Mutter aufwuchsen. 135 Als nun die hehre Rhea zum dritten Male gebar, 136 da gebar sie zuerst die Hera, und als die wilden Männer, die Titanen, 137 das weibliche Geschlecht mit den Augen sahen, gingen sie nach Hause. 138 Und dann gebar Rhea ein männliches Kind; 139 das schickte sie schnell nach Phrygien hinüber, daß es in Heimlichkeit ’und Abgeschiedenheit‘[15] aufwüchse, 140 indem sie drei kretische Männer nahm, die sie mit Eiden verband. 141 Darum nannten sie ihn Zeus, weil er [188] hinübergeschickt wurde[16]. 142 Ebenso schickte sie heimlich den Poseidon hinüber. 143 Zum dritten gebar Rhea, die Hehre unter den Frauen, den Pluton, 144 als sie bei Dodona vorüberging, woher der feuchte Pfad 145 des Flusses ’Europos‘[17] ausging, und das Wasser in das Meer ’rann‘[18] 146 mit dem Peneios vermischt; den stygischen [Fluß] nennt man ihn. 147 Als aber die Titanen erfuhren, daß heimlich Söhne da waren, 148 welche Kronos und seine Gemahlin Rhea erzeugt hatten, 149 da sammelte Titan seine sechzig Söhne 150 und hielt den Kronos und seine Gemahlin Rhea in Fesseln 151 und barg sie in der Erde und hütete sie in Banden. 152 Und da erfuhren es die Söhne des gewaltigen Kronos 153 und erregten gegen ihn großen Krieg und Kampfgetümmel. 154 Dies ist der Anfang des Kriegs für alle Sterblichen; 155 denn dies ist für die Sterblichen der erste Anfang des Kriegs[19]. 156 Und da verlieh Gott den Titanen Unheil 157 Und alle Nachkommen der Titanen und des Kronos 158 starben. Aber dann im Umschwunge der Zeit 159 entstand das Königreich Ägyptens, dann [das] der Perser, 160 der Meder, der Äthioper und des assyrischen Babylon, 161 dann das der Makedonier, wiederum das von Ägypten, dann das von Rom.
162 Und da ’trat‘[20] mir die Rede des großen Gottes ins Herz 163 und hieß mich weissagen auf der ganzen 164 Erde und den Königen und ihnen das Künftige in den Sinn legen. 165 Und dies zuerst hat mit Gott ’in den Geist‘[21] gegeben, 166 wie viele Königreiche der Menschen zusammenkommen.
167 Zuerst nämlich wird das salomonische Haus regieren 168 die Bewohner (?) Phönikiens und Asiens (?) und auch der anderen 169 Inseln und das Geschlecht der Pamphyler, Perser, Phryger, 170 Karer und Myser, sowie das Geschlecht der goldreichen Lyder. 171 Aber alsdann [werden regieren] die übermütigen und unkeuschen Hellenen. 172 ’Dann‘[22] wird Makedoniens großes, kluges (?) Geschlecht herrschen, 173 welche als furchtbare Wolke des Kriegs den Sterblichen kommen werden. 174 Aber der himmlische Gott wird dasselbe von Grund aus verderben.
175 Aber alsdann wird der Anfang eines anderen Königreiches sein, 176 weiß und vielköpfig, von dem westlichen Meere, 177 welches über vieles Land herrschen, viele erschüttern 178 und allen Königen nachmals Furcht erregen wird; 179 vieles Gold und Silber wird es erbeuten 180 aus vielen Städten. Wiederum aber wird auf der hehren Erde 181 Gold sein, sodann auch Silber und Schmuck. 182 Und sie werden die Sterblichen bedrücken; aber ’ein großer Sturz‘[23] wird jenen Männern widerfahren, 183 wenn sie anfangen mit dem ungerechten Übermut. 184 Alsbald aber wird unter diesen Zwang der Gottlosigkeit sein: 185 Männliches wird sich mit Männlichem begatten, und ihre Knaben werden sie hinstellen 186 in schändliche Häuser. Und es wird in jenen Tagen 187 große Bedrängnis unter den Menschen sein und alles verwirren, 188 alles zusammenschlagen und alles mit Unheil erfüllen, 189 durch Habgier schimpflichen Lebens, durch Reichtum aus bösem Gewinn, 190 in vielen Ländern, am meisten aber in Makedonien. 191 Und sie wird Haß erregen, und jede Arglist wird bei ihnen sein, 192 bis zum siebenten Königreich, über welches regieren wird 193 ein König Ägyptens, der von Abkunft aus den Hellenen sein wird. 194 Und dann wird das Volk des großen Gottes wieder stark sein, 195 welche allen Sterblichen die Wegweiser des Lebens sein werden. 196 Aber was hat mir Gott in den Sinn gelegt, auch dies zu sagen, 197 was zuerst, was dann, was zuletzt für Unheil kommen wird 198 über alle Menschen, was hiervon der Anfang sein wird?
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